Bei einer bundesweiten Razzia wurden am Mittwoch 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festgenommen, unter ihnen sechs aus Bayern. Über einen dieser sechs Verdächtigen ist noch nicht viel bekannt, er soll nach Informationen der "Passauer Neuen Presse" aus Oberbayern kommen. Über die anderen fünf Verdächtigen gibt es dank BR24-Recherchen nun genauere Informationen: Die vier Männer aus Franken und der Verdächtige aus Niederbayern sollen einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben und aus der Reichsbürger- sowie der rechtsextremen QAnon-Szene stammen. Es handelt sich demnach nicht um isolierte Außenseiter -sondern um Personen aus der Mitte der Gesellschaft.
Thomas T. aus dem Landkreis Ansbach: unauffälliger Handwerker?
Einer der Festgenommenen: Thomas T., er war am Mittwochmorgen im Landkreis Ansbach festgenommen worden. BR24-Recherchen zufolge wohnt der 58-Jährige in einem kleinen Ort bei Rothenburg ob der Tauber. Der verheiratete, selbstständige Handwerker handelt im bürgerlichen Leben auch mit Werkzeug und Maschinen. Als Reichsbürger war er bisher nach Angaben von Bewohnern des kaum 1.000 Einwohner großen Ortes dort nicht aufgefallen. Bisher ist über ihn auch nicht bekannt – im Gegensatz zu anderen Festgenommenen –, dass er bei Corona-Demonstrationen aktiv in Proteste gegen die Maßnahmen der Regierung involviert gewesen wäre.
Dennoch gehört der Mann offenbar zur Führungsriege der rechtsextremen Terrorgruppe. Den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zufolge war Thomas T. die rechte Hand des mutmaßlichen Anführers. Nach dem geplanten gewaltsamen Umsturz sollte er die Rolle des persönlichen Referenten übernehmen. Die Ermittler gehen davon aus, dass T. maßgeblich damit beschäftigt war, verwaltungsähnliche Strukturen aufzubauen, Schießtrainings zu organisieren und neue Mitglieder zu rekrutieren.

Festnahmen in Franken
Fallschirmjäger und Einzelkämpfer aus Oberfranken
Auch in Oberfranken gab es im Rahmen der Großrazzia zwei Festnahmen: eine im Landkreis Forchheim und eine im Raum Bayreuth. Bei Bayreuth wurde Peter W. festgenommen, Anfang 50 und früherer Bundeswehr-Soldat. Eigenen Angaben zufolge ist er ausgebildeter Einzelkämpfer und war bei den Fallschirmjägern. Seine diesbezüglichen Kenntnisse und Fähigkeiten bot er Interessierten in Überlebenstrainings und Seminaren für den Katastrophenfall an. Was für manche Teilnehmer wie ein Ferienlager für Erwachsene anmutete, war für W. wohl weitaus ernster.
Bundeswehrsoldat als Mitglied des militärischen Arms der Gruppe
Im Rahmen der groß angelegten Terror-Razzia gegen die Reichsbürger-Szene wurde außerdem Harald P. aus dem Landkreis Schweinfurt festgenommen. Auch bei ihm soll es sich um einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten handeln. Medienberichten zufolge geriet er vor einigen Monaten schon einmal ins Visier der Ermittler, als die geplante Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vereitelt wurde und mehrere Personen festgenommen werden konnten.
Harald P. soll, so die Ermittler, ebenfalls ein Mitglied des militärischen Arms der Gruppe gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, unter anderem für die Bewaffnung der Gruppe zuständig gewesen zu sein. Außerdem soll er mitgeholfen haben, Schießübungen abzuhalten und eine abhörsicherere Kommunikationsstruktur aufzubauen.

Reichsbürger wollte Gesundheitsminister entführen
Aufbau eigener "Heimatschutzkompanien"
Die Gruppe plante den Ermittlungen zufolge sogenannte Heimatschutzkompanien, in deren Vorbereitungen Harald P. involviert gewesen sein soll. Daneben gehörte das Auskundschaften von Kasernen zu den Aufgaben dieses militärischen Arms der Gruppe, so der Generalbundesanwalt. Dort sollten die eigenen Truppen nach dem Putsch der Bundesregierung untergebracht werden.
In diesem Zusammenhang könnte auch ein Vorfall aus dem vergangenen Sommer stehen, als immer wieder Drohnen über dem Truppenübungsplatz Wildflecken gesichtet wurden. Bisher konnten diese Vorfälle nicht aufgeklärt werden.
- Zum Artikel: Experte: Größte Terrorgefahr aus Reichsbürgerszene
Oberst a.D. Maximilian E. aus dem Kreis Freyung-Grafenau
Im niederbayerischen Eppenschlag wurde das Haus von Oberst a.D. Maximilian E. von den Ermittlern durchsucht. Der ehemalige Bundeswehr-Oberst war den Behörden kein Unbekannter. Der heute 63-Jährige hatte schon früher mit verschwörungsideologische Aussagen auf sich aufmerksam gemacht und trat regelmäßig in "Querdenken"-Kreisen auf.
Maximilan E. war als Kommandeur eines Panzergrenadierbataillon im Kosovo, war beim Kommando Spezialkräfte KSK und bei der NATO in Brüssel eingesetzt. Heute nennt der pensionierte Oberst a.D. Entscheidungen des Parlaments mit Blick auf die Corona-Pandemie als "Verbrechen" und rief bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zum Umsturz auf. Nach Recherchen von ARD und rbb24 aus dem Jahr 2021 ist E. einer von etwa 100 ehemaligen Bundeswehrangehörigen und ehemaligen Polizisten, die sich im Umfeld der sogenannten Querdenker organisieren. In deren Auftrag kommandierte Maximilian E. während der Flutkatastrophe etwa ein Dutzend Veteranen im Ahrtal.
E. war während der Durchsuchung nicht zu Hause, wurde aber wegen staatsfeindlicher Aussagen im Ausland festgenommen.
Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung
Die Bundesanwaltschaft hatte die gesamte Gruppe schon länger im Visier. Sie wirft den Beschuldigten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung vor. Sie hingen Verschwörungsmythen an. Als die Umsturzpläne in diesem Sommer konkreter wurden und auch militärische Ausrüstung beschafft werden sollte, haben die Ermittler eingegriffen.
Auch Bundeswehrkaserne in Calw durchsucht
Zu den Beschuldigten zählt auch ein aktives Mitglied des Kommando Spezialkräfte (KSK). Brisant: Auch der Hauptsitz des KSK im baden-württembergischen Calw wurde gestern durchsucht. Aus Sicherheitskreisen erfuhr BR24, dass der beschuldigte KSK-Soldat bereits in der Vergangenheit als Impfgegner aufgefallen ist. Der Militärische Abschirmdienst wollte sich dazu nicht äußern. Die Hinweise auf die anderen Beschuldigten, die ehemaligen Soldaten und die anderen Zivilisten, kamen nach BR24-Informationen vom Verfassungsschutz. Die Bundesanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!