Gemüsestand auf dem Münchner Viktualienmarkt
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Gemüsestand auf dem Münchner Viktualienmarkt

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#faktenfuchs: Wollen Verbraucher nur billige Lebensmittel?

Wer regional einkauft, unterstützt keine Ausbeutung von Arbeitern im Ausland. Doch ist den Verbrauchern der Preis wichtiger? Und bedeutet "regional", dass alles gut ist? Antworten auf Fragen von BR24-Usern.

Obst- und Gemüseanbau-Betriebe in Spanien und Italien erhalten millionenschwere EU-Subventionen, obwohl sie ihre Arbeiter ausbeuten. Diese Recherche-Ergebnisse des BR haben auch auf unserem BR24-Facebook-Kanal zu Diskussionen geführt. "Jeder von uns hat es selbst in der Hand, regionales Obst und Gemüse nach Saison zu kaufen": Die Meinung von Helmut Linner teilten etliche weitere BR24-User. 

Vorwurf in den Kommentaren: Für Verbraucher zählt nur der Preis

Doch kaufen die Leute regional und geben dafür freiwillig etwas mehr Geld aus? In der Facebook-Diskussion wurden erhebliche Zweifel daran laut. Harry Klein z.B. findet Hofläden gut.

"Schuld ist der Verbraucher, da es ja nicht billig genug sein kann." Harry Klein, BR24-User

Aber natürlich kaufen Kunden auch Gemüse aus dem Ausland weil sie bei uns nicht wachsen.

Forderung: Informationen müssen transparent sein

Deutsche haben das Image, dass sie im Supermarkt oder Discounter zuerst auf den Preis schauen und Produktionsbedingungen zweitrangig werden.

"Ich wehre mich extrem gegen diese Annahme. Wenn die Informationen zu einem Lebensmittel transparent sind, dann hat sich immer gezeigt, dass der deutsche Verbraucher bereit ist, mehr zu bezahlen." Daniela Krehl, Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Bayern

Als Beispiel nennt sie die Deklaration bei Eiern. Der Anteil von verkauften Bio- und Freilandeiern sei in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Der Verbraucher sei hier bereit, mehr zu bezahlen, "weil er dieses System versteht."

Verbraucherzentrale: "Verbraucher sind bereit, mehr zu zahlen"

Auch regionales Obst und Gemüse scheinen gut anzukommen.

"Bayern hat hier eine Vorreiterrolle. Der Freistaat bezuschusse die Direktvermarktung. Und auch der Handel bietet in der Zwischenzeit mehr regionales Obst und Gemüse an." Daniela Krehl, Verbraucherzentrale

Selbst Discounter seien bereits Kooperationen mit regionalen Landwirten eingegangen, zum Beispiel für fränkische Tomaten. Der Handel sehe ein Potential für regionale Produkte. Für Krehl wiederum ein Beleg dafür, dass die Verbraucher bereit seien, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Handel: "Regional ein Megatrend im Einzelhandel"

Der Handel klingt geradezu euphorisch. Regional gehe noch besser als Bio.

"Regional' ist ein Megatrend. Und es ist noch kein Ende der Fahnenstange abzusehen. Fast jeder fünfte Euro wurde für ‚made in Region‘ ausgegeben - das ist enorm." Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern

Diese Zahlen umfassen alle regional erzeugten Produkte, also zum Beispiel auch Fleisch und Wurst. Zahlen allein für Obst und Gemüse gibt es laut Ohlmann nicht. Auch für den Geschäftsführer des bayerischen Handelsverbandes ist die Entwicklung ein Beweis dafür:

"Die Kunden sind bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen." Bernd Ohlmann

Studie: Nur drei Prozent der Bayern kaufen nie regionale Produkte

Laut der Studie "Ernährung in Bayern", die das Landwirtschaftsministerium 2017 in Auftrag gegeben hat, kaufen nur drei Prozent der Bayern keine regionalen Produkte. Diese drei Prozent begründeten das vor allem mit dem Preis.

Bei "regional" ist nicht automatisch alles gut

Wer "regional" einkauft, setzt auf die Herkunft der Produkte und weiß, dass die Transportwege nicht lange sind. Aber "regional" garantiert nicht, dass alles, was im näheren Umkreis produziert wurde, automatisch gut und gesund ist, dem Tierwohl gerecht wird und dem Anspruch auf einen ordentlichen Umgang mit den Arbeitskräften entspricht. Missstände in deutschen Schlachthöfen, wie dem von Düren in Nordrhein-Westfalen, oder bei deutschen Bäckern - wie vor ein paar Jahren bei Müller in Freising - zeigen, dass es keineswegs so ist. Und bei Gemüsebauern in Niederbayern werden immer wieder Missstände festgestellt.

Der Preis ist kein Garant dafür, dass integer gewirtschaftet und produziert wird. Die einzigen verbindlichen Standards setzen die Bio-Erzeugerverbände.

Bauernverband: Handel übt Preisdruck auf Landwirte aus

Für die Landwirte könnte die Lage also rosig sein: Die bayerische Bevölkerung mag regionale Produkte, die überwiegende Mehrheit ist bereit, mehr dafür zu bezahlen und der Handel hat sein Sortiment angepasst. Doch so einfach ist es nicht.

"Der Preisdruck bei Obst und Gemüse durch den organisierten Lebensmittelhandel ist mit dem bei der Milch vergleichbar." Markus Peters, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbandes

Erschwerend komme hinzu, dass kurzfristige, saisonale Schwankungen bestehende Verträge durchkreuzen können.

"Es gibt zum Teil feste und direkte Abnahme- beziehungsweise Lieferverträge zwischen Einzelhandel und Gemüse- und Obstbauern. Das gibt den Bauern eine gewisse Planungssicherheit, aber wenn die Witterung verrückt spielt oder Ernteausfälle zu verzeichnen sind, ist es trotzdem so, dass der Handel kurzerhand auf Ware aus anderen Regionen oder Ländern ausweicht." Markus Peters

Konkurrenz durch billige Bio-Ware aus dem Ausland

Aus anderen Ländern kommt auch Konkurrenz zu den heimischen, regionalen Produkten: billige Bio-Ware. In den Geschäften sind Bio-Produkte in der Regel teurer als konventionelle Erzeugnisse aus der Region. "Im Großhandelsbereich jedoch", so der Pressesprecher des Bauernverbandes, "herrscht ein starker Verdrängungswettbewerb durch billige Bio-Ware aus dem Ausland."

Fazit

Die landläufige Meinung, dass Verbraucher nur billige Lebensmittel einkaufen möchten, trifft nur bedingt zu. Erfahrungen und Zahlen der Verbraucherzentrale Bayern, des bayerischen Einzelhandels sowie der repräsentativen Umfrage "Ernährung in Bayern" sprechen dafür, dass in Bayern eine große Mehrheit der Menschen bereit ist, für regionale Produkte tiefer in die Tasche zu greifen.

Ein höherer Preis ist aber kein Garant dafür, dass integer gewirtschaftet und produziert wird. Die Bezeichnung "regional" sagt zwar etwas über die Herkunft oder Transportwege aus, garantiert aber keine Standards. Der Wert des Labels speist sich aus dem Vertrauen in die heimischen Landwirte.