Maikäfer auf den Fingern einer Hand in einem Garten.
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Seit einigen Jahren treten Maikäfer in Bayern wieder stärker auf und richten teils Schäden an.

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#Faktenfuchs: Warum es wieder mehr Maikäfer gibt

Bis in die 1980er Jahre wurden Maikäfer durch Umweltverschmutzung und Insektizide immer mehr zurückgedrängt. Seit einigen Jahren tritt der Käfer auch in Bayern wieder stärker auf und richtet teils Schäden an. Das hat auch mit dem Klimawandel zu tun.

Einige ältere Menschen erinnern gerne daran, wie sie als Kinder Maikäfer auf den Feldern sammelten - und vielleicht auch daran, dass es mit der großen Zahl von Maikäfern irgendwann vorbei war. Der Zoologe Ullrich Benker von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) erinnert an das Stück "Es gibt keine Maikäfer mehr" vom Liedermacher Reinhard Mey. Das war 1974. Tatsächlich seien bis in die 1980er Jahre die Populationen der Maikäfer stark zurückgegangen. Das wurde damals vor allem mit der wachsenden Umweltverschmutzung in Verbindung gebracht, erklärt der Zoologe. Doch auch der Einsatz von Insektiziden wie DDT habe wohl eine Rolle gespielt.

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Ullrich Benker ist bei der LfL zuständig für Zoologie und Vorratsschutz und beschäftigt sich mit Schädlingen - und dabei auch speziell mit dem Maikäfer. Die größten Schäden richten die Larven des Maikäfers, die Engerlinge an. In den vergangenen Jahren beobachtet der Zoologe, dass Schäden für Landwirte durch die Engerlinge wieder verstärkt auftreten und sich auch regional ausbreiten. Um zu verstehen warum, muss man den Lebenszyklus der Maikäfer kennen.

Der vierjährige Lebenszyklus der Maikäfer

"Eigentlich müssten wir sie "April-bis-Juni-Käfer" nennen"; sagt Zoologe Benker. Denn wann die erwachsenen Käfer aus dem Boden kommen, hängt davon ab, ab wann es im Frühjahr warm wird. Die männlichen Käfer haben nur eine Lebensdauer von drei bis vier Wochen, die Weibchen etwas länger. Es beginnt der sogenannte Maikäferflug. Der ist allerdings sehr kurz. "Der Maikäfer ist kein guter Flieger", so Benker. Er fliegt lediglich bis zu nahe gelegenen Bäumen und frisst sich dort Energie für die Paarung an. Nach der Paarung fliegen die Weibchen meist zurück auf die Wiese oder auf das Feld, von dem sie gekommen sind und legen dort ihre Eier ab.

Die Larven, die Engerlinge, durchlaufen mehrere Stadien bis sie, vier Jahre später, wieder als Maikäfer für ihren Flug aus dem Boden kriechen. In der Natur hat es sich so eingependelt, dass an den meisten Orten nur alle vier Jahre ein sogenanntes Hauptflugjahr ist, in dem man im Frühjahr viele Maikäfer bei ihrem Flug zur Paarung beobachten kann. 2018 war in Bayern so ein Jahr. Es gibt aber auch Orte, an denen sich über die Jahrzehnte aufgrund von Wetterkapriolen mehrere zeitversetze Generationen entwickelt haben und quasi jedes Jahr ein Maikäferflug zu beobachten ist.

Laut Ullrich Benker, der selbst aus dieser Region stammt, ist etwa die Gemeinde Reichling im Landkreis Landsberg am Lech dafür ein Beispiel in Bayern. Wer auch in Nicht-Hauptflugjahren Maikäfer sehen will, habe dort wohl die besten Chancen.

Größte Schäden immer im Jahr nach dem Maikäferflug

Laut dem Zoologen der LfL können Maikäfer bei ihrem Reifefraß vor der Paarung Laubbäume wie Buchen oder Eichen schon einmal kurzzeitig kahl fressen. Als Schädlinge spielen aber die Engerlinge, die Larven, die größere Rolle. Und zwar vor allem zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im Herbst ihres "Geburtsjahres" ziehen sie sich zum Überwintern in tiefere Erdschichten zurück. Wenn sie dann im darauffolgenden Frühjahr wieder in höhere Erdschichten kommen, sind sie ganz besonders gefräßig und beginnen, sobald es wärmer wird, das Wurzelwerk vor allem von Gräsern und Kräutern im Boden abzufressen.

Die Pflanzen werden dann braun, als ob sie nicht genug Wasser bekommen hätten. In Wirklichkeit können sie aber zu wenig oder keines mehr aufnehmen und sterben ab. Wegen dieses besonders gefräßigen zweiten Jahres ist immer das Jahr nach einem Maikäfer-Hauptflugjahr das mit den größten Schäden, erklärt Benker. So war es auch 2019. Erstmals erlitten da etwa Landwirte um Schneizlreuth im Berchtesgadener Land massive Schäden an Almwiesen.

Engerlinge und Maikäfer: Wichtige Rolle im Ökosystem

Neben diesen lokal wieder stärker auftretenden Schäden, die betroffenen Landwirten Sorgen bereiten, gibt es aber auch Gründe, sich über eine Erholung bei den Maikäferpopulationen zu freuen. Christine Margraf vom Bund Naturschutz in Bayern weist auf die wichtige Rolle von Maikäfern und anderen Großinsekten hin.

Denn sowohl die Engerlinge als auch die ausgewachsenen Käfer seien wichtig als Fressen für andere Tierarten, wie bestimmte Vögel, Fledermäuse, Maulwürfe, Igel oder Spitzmäuse. Bestimmte Vogelarten wie zum Beispiel der Wiedehopf seien etwa auf diese Insekten als Nahrung angewiesen; sie kommen laut Margraf bei uns jedoch kaum noch vor. Wäre die Nahrungskette hier noch vollständig intakt, würde sich auch die Frage der Schädlingsbekämpfung gar nicht unbedingt stellen.

Maikäfer breiten sich in Bayern wieder etwas aus

Seit etwa 2001 beobachten die Experten der LfL wieder vermehrt Schäden durch Maikäfer. Beginnend im Spessart, später auch in der Gegend um Passau. Gerade in Ostbayern haben sich die Schäden in den Hauptjahren auch immer mehr ausgebreitet und betreffen inzwischen nicht nur die Region Passau, sondern auch die Landkreise Deggendorf, Freyung-Grafenau und Regen.

Die Erklärung für die langsame Rückkehr des Maikäfers sieht LfL-Zoologe Benker unter anderem im Klimawandel. Wenn es insgesamt wärmer wird, beginnen die Engerlinge im Frühjahr schon früher zu fressen. Die ganze Schädlingssaison dauert länger, bis in den Herbst hinein. Außerdem stirbt in milderen Wintern mit weniger Frost ein geringerer Anteil der Larven natürlicherweise ab. Darüber hinaus spielen laut dem Zoologen wohl Veränderungen in der Landwirtschaft eine Rolle. Werden andere Methoden der Bodenbearbeitung bevorzugt, etwa ohne die Böden umzupflügen, begünstigt das wohl das Heranwachsen größerer Zahlen von Maikäfer-Larven.

Eine schnelle Ausbreitung der Maikäfer auf ganz Bayern ist laut Christine Margraf vom Bund Naturschutz aber wohl nicht zu erwarten. Dafür sei der Zyklus schlicht zu langsam. Was die Schäden angeht, sei es wichtig zu unterscheiden, ob es um die Feld- oder Waldmaikäfer gehe. Berichte von größeren Schäden zum Beispiel in Hessen oder Baden-Württemberg kämen meistens von Waldmaikäfern, deren Larven für größere Schäden an den Wurzeln junger Laubbäume sorgen. Bevor man da über eine Bekämpfung nachdenke, müsse aber im Einzelfall geklärt sein, ob die Schäden wirklich primär von Maikäfern kämen.

Bekämpfen oder entschädigen?

Die Schäden an Wiesen im Süden Bayerns kommen dagegen von Feldmaikäfern. Obwohl noch relativ regional begrenzt, blickt Maikäfer-Experte Benker bereits jetzt sorgenvoll auf das Jahr 2022. Denn dann wird es nach einem Maikäferflug im kommenden Jahr wohl wieder große, vielleicht noch größere Schäden durch die Maikäferlarven geben.

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"Engerlinge" – die Larven eines Feldmaikäfers.

Dabei gibt es inzwischen einfache Methoden, um die Schädlinge zu bekämpfen ohne dafür Chemie einzusetzen. So kann – zum richtigen Zeitpunkt, wenn die Engerlinge gerade am Fressen sind – mit einer Fräse die obere Schicht des Bodens umgearbeitet werden. Die Engerlinge werden dabei entweder mechanisch getötet oder kommen an die Oberfläche und sterben dort durch die UV-Strahlung der Sonne. So können die Populationen um etwa 60 bis 80 Prozent reduziert werden. Die Schäden werden so gering gehalten, ohne dass die Maikäferpopulation komplett zerstört werden muss. "So freuen sich auch die Naturschützer", meint der Zoologe. Allerdings müssen die Landwirte nach einer solchen Behandlung neu ansäen, sie ist also mit Ernteverlusten verbunden.

Tatsächlich ist für Naturschützerin Christine Margraf eine mechanische Bekämpfung eine vertretbare Lösung, allerdings sei zu bedenken, dass jede Bekämpfung auch ein Eingriff in die natürlichen Zyklen der Tiere sei, deren Populationen sich sonst auch selbst irgendwann wieder regulieren würden. Am wünschenswertesten wäre es für die Naturschützerin, wenn die Insekten ausreichend natürliche Fressfeinde hätten. Sie schlägt daher auch eine Alternative zur Bekämpfung vor, nämlich die Maikäfer und Engerlinge einfach walten zu lassen und betroffenen Landwirten bei den noch relativ regional begrenzten Schäden eine Entschädigung zu zahlen.

Fazit:

Nachdem die Maikäfer bis vor einigen Jahrzehnten durch Umweltverschmutzung und Insektizide stark zurückgedrängt wurden, treten sie seit etwa 2001 in Bayern wieder stärker auf, besonders im Spessart, in Ostbayern und seit kürzerem auch in Berchtesgaden.

Dort sind auch größere Schäden an Wiesen durch die Maikäferlarven zu beklagen. Das liegt, neben pflugloser Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft, auch am Klimawandel durch mildere Winter und eine längere Fresssaison der Engerlinge. Die größten Schäden treten immer im Jahr nach einem Hauptflugjahr auf, das wird wohl 2022 wieder der Fall sein. Im Mai 2020 sind außer an Maikäfer-Hotspots wie der Gemeinde Reichling keine größeren Maikäferflüge zu erwarten. Es gibt einfache mechanische Methoden, um die Schädlinge zu bekämpfen, die allerdings mit Ernteeinbußen für Landwirte verbunden sind.

Insgesamt erholen sich die Maikäfer in Bayern – trotz Insektensterben – wieder etwas. Oder wie es der Zoologe Ulrich Benker formuliert: "Wenn Reinhard Mey singt 'Es gibt keine Maikäfer mehr' muss man darauf heute ganz klar antworten: Doch!"

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