Tausende Frauen bräuchten in Bayern einen Platz im Frauenhaus - jedes Jahr.
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Tausende Frauen bräuchten in Bayern einen Platz im Frauenhaus - jedes Jahr.

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#Faktenfuchs: Müssen Frauenhäuser in Bayern Tausende abweisen?

Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Geld für eine umstrittene Studie zu Abtreibungen bekommt, bleiben Frauen in Not unversorgt. Denn in Frauenhäusern fehlen Plätze, sagen Kritiker. Der #Faktenfuchs schaut auf die Lage in Bayern.

Verprügelt, vergewaltigt – und der Platz im Frauenhaus bleibt verwehrt. Das sei das Schicksal von jährlich Tausenden von Frauen auch in Bayern, während viel Geld in umstrittene Studien fließe. So lautete eine Klage im Netz, als bekannt wurde, dass das Bundeskabinett offenbar zusätzliche fünf Millionen Euro für Gesundheitsminister Jens Spahn freigab, für eine Untersuchung zu seelischen Folgen von Abtreibungen.

  • Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2019. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Hintergrund ist die Debatte um den weiterhin umkämpften Paragraph 219a im Strafgesetzbuch, der die "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ regelt.

Wie steht es nun in Bayern um die Plätze in Frauenhäusern? Stimmt es, dass Tausende von Frauen jedes Jahr nicht unterkommen?

Rund 1.500 Betroffene in Bayern leben jedes Jahr in Frauenhäusern

In Bayern gibt es dem Sozialministerium zufolge derzeit 38 staatlich geförderte Frauenhäuser mit insgesamt 347 Plätzen für Frauen und mehr als 400 Plätzen für Kinder. Zusätzlich haben demnach einzelne Kommunen Plätze in weiteren Schutzeinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen. Das Ministerium wisse von drei solcher Frauenhäuser mit zusammen 34 Plätzen für Frauen.

Was ist eigentlich ein Frauenhaus?

Frauenhäuser sind anonyme und sichere Schutzräume für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder.

Frauenhäuser bieten misshandelten Frauen und deren Kindern - neben Beratung und Unterstützung - vor allem Schutz und Unterkunft zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Wie viele Frauen in Bayern in all diesen Einrichtungen im vergangenen Jahr unterkamen, ist noch nicht öffentlich, dem Ministerium liegen nach eigenen Angaben die Zahlen noch nicht vor. 2017 lebten 1.483 Frauen in den staatlich geförderten Frauenhäusern. Im Jahr davor nahmen die bayerischen Frauenhäuser 1.558 Frauen auf.

Wie viele Frauen die einzelnen Einrichtungen ablehnen oder weitervermitteln, weil sie schon belegt sind, wird im Freistaat laut Ministerium nicht landesweit statistisch erfasst. Die Frauenhäuser selbst sammelten zwar vereinzelt und in unterschiedlicher Art Daten dazu – aber nicht standardisiert. Deshalb besäßen die Daten bei einem Vergleich keine Aussagekraft.

Studie bestätigt der Staatsregierung großen Mangel

Einen Versuch, den Mangel einzuschätzen, machte das Sozialministerium vor drei Jahren mit einer Studie.

Sie belegte damals den Vorwurf, der aktuell im Netz erhoben wird: Die Hälfte der Frauen, die einen Platz in einem Frauenhaus bräuchten, wird abgewiesen. Wenn nicht mehr: "Jährlich müssen in Bayern mindestens so viele Frauen von Frauenhäusern aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden wie in den Frauenhäusern aufgenommen werden können“, schrieben die Wissenschaftler vom Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Platzmangel war demnach im Jahr 2014 in 2.845 Fällen der Grund, weshalb Frauen abgelehnt worden waren. Dabei ist es allerdings möglich, dass eine Frau sich bei mehreren Häusern um Aufnahme bemüht hatte. Andere Gründe sind etwa eine Suchterkrankung der Betroffenen oder dass die Frauen von außerhalb der zuständigen Region stammten.

Die Wissenschaftler gingen dabei nach den Erfahrungen aus der Praxis davon aus, dass, dass eine Frau etwa eine bis drei Stellen aufsucht, bevor sie aufgibt. Sie schrieben, „vorsichtig geschätzt“ ergebe das 1.500 bis 2.000 Frauen jährlich, die keinen Schutz erhalten, wenn sie ihn brauchten.

Die Studie legte auch einen Zusammenhang mit der Bevölkerungszahl nahe: Je größer die Stadt, in der sich das Frauenhaus befand, desto mehr Frauen mussten aus Platzmangel abgewiesen werden.

Konkreter Plan für Ausbau der Frauenhäuser steht noch aus

Genauer zu bestimmen, wie viele Frauen jedes Jahr einen Platz brauchen, war Ziel eines Antrags der Freien Wähler im Landtag. Sie versuchten 2018, die Staatsregierung dazu zu bekommen, die Zahl der abgelehnten und weitervermittelten Frauen in einer Statistik zu registrieren. Der Antrag im Landtag wurde aber mit den Stimmen der CSU abgelehnt. Die Landtags-Grünen hatten den Antrag unterstützt, sich aber selbst auch schon seit 2017 für einen Ausbau der Frauenhäuser eingesetzt, der sich am Bedarf in den verschiedenen Regionen orientiert. Der Landtag stimmte im vergangenen September zu: Bis Ende 2018 sollte die Staatsregierung ein Programm für den Ausbau entwickeln.

Sozialministerin Kerstin Schreyer kündigte im Juni einen Drei-Stufen-Plan an. Im ersten Nachtraghaushalt 2018 wurden erstens die Haushaltsmittel um 1,5 Mio. Euro erhöht. Dieses Geld soll zum einen die Betreuung der Kinder verbessern, indem mehr Personal für die Beratung und Betreuung in den Frauenhäusern zur Verfügung steht. Zudem soll es die Prävention in den Notrufteams und Fachberatungsstellen stärken.

Zweitens will sich die CSU-Ministerin für mehr Geld einsetzen – auch, um mehr Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Und drittens kündigte Schreyer an, ein umfassendes Gesamtkonzept zu entwickeln. Das steht noch aus.

Fazit

Ja, die Frauenhäuser in Bayern weisen jedes Jahr nach Einschätzung von Wissenschaftlern bis zu 2.000 Frauen ab. Die Sozialministerin steckte zuletzt zusätzliches Geld in die Betreuung der Kinder der Betroffenen und kündigte ein umfassendes Gesamtkonzept an.