Zwei Leopardgeckos auf einer Hand in der Reptilienauffangstation München
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Tiere wie diese landen in der Reptilienauffangstation in München: Zwei Leopardgeckos. Unklar, ob deren Haltung in Zukunft erlaubt wäre.

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Exotische Haustiere: Wird die Haltung bald eingeschränkt?

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will die Haltung exotischer Haustiere einschränken. Begründung: Die Tierheime seien überlastet. Experten und Betroffene sehen das anders – und vermuten Vorurteile gegen die Tierhalter.

Die Angst geht um unter Haltern exotischer Tiere in Bayern: Was, wenn das bisher erlaubte und geliebte Haustier plötzlich illegal ist? Ausgelöst hat diese Furcht der Bundeslandwirtschaftsminister. Vergangene Woche kündigte Cem Özdemir (Grüne) in einem Interview an, sich für eine Positivliste für Haustiere einzusetzen, mit erlaubten Arten.

Diese Ankündigung allein ist es aber nicht, die den Tierhaltern Angst macht – sondern die Sätze davor: "Manche Menschen legen sich Tiere zu, die aus meiner Sicht in privaten Haushalten nichts zu suchen haben", sagte Özdemir der Südwest Presse, "warum braucht jemand etwa anspruchsvoll zu haltende exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause?"

Wie schwer die Haltung exotischer Tiere wirklich ist

Tierarzt Hermann Kempf aus Augsburg ist einer der wenigen, die sich auf Exoten spezialisiert haben. 10.000 bis 20.000 Tiere betreut er im Jahr. Die Pauschalaussage von Özdemir über Schlangen und Chamäleons führt er auf Unkenntnis zurück. "Es gibt Schlangen, die sind nicht so leicht zu halten, es gibt aber auch welche, die sehr leicht zu halten sind", sagt Kempf. Gleiches gelte für Chamäleons – und Hunde.

Özdemirs Begründung: Die Tierheime würden solche Tiere nicht mehr los, der Aufwand und die Kosten seien hoch. Eine Aussage, die Markus Baur, der Leiter der Reptilienauffangstation München, nicht nachvollziehen kann.

Die Verweilzeiten der Tiere in der Auffangstation würden zwar immer länger. Doch der Großteil der Tiere könnte aus seiner Sicht auf einer Positivliste stehen: Griechische Landschildkröten, Kornnattern, Bartagame, eine Leguanart. "Das sind genau die Tiere, die zu uns kommen", sagt Baur, "Tiere, die in Massen nachgezogen werden. Tiere, die supereinfach zu halten sind, wenn man ehrlich ist."

Platzmangel ja – aus anderen Gründen

Viel eher hätten der Krieg in der Ukraine und die dadurch gestiegenen Energiekosten dazu geführt, dass weniger Tiere aus der Station von anderen Haltern aufgenommen werden.

Viele von ihnen sind nach Özdemirs Aussage verärgert. So etwa Michael Lauber. Er ist Vorsitzender der Stadtgruppe München bei der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde – einem Zusammenschluss von Forschern und Haltern von Reptilien und Amphibien. Er kann die Diskussion nicht nachvollziehen.

"Man muss sich bei jeder Tierhaltung mit dem Tier beschäftigen und es artgerecht halten. Jemand, der Tierhaltung ernst nimmt, der wird das auch tun", sagt Lauber. Viele in der Gesellschaft würden sich ekeln, Schlangen hätten einen schlechten Ruf. Die meisten Halter, die er kenne, würden sich regelmäßig weiterbilden, über die Lebensumstände in freier Wildbahn informieren und sich darum kümmern, diese nachzubilden.

Exotische Haustierhaltung – nicht mehr mit früher vergleichbar

Auch Markus Baur von der Reptilienauffangstation sieht Vorurteile gegenüber den Haltern. So leisten diese einen Beitrag zur Biodiversität, sorgen dafür, dass auch seltene Arten nicht aussterben. Die Zeiten, in denen exotische Tiere überwiegend nicht artgerecht gehalten werden, seien vorbei.

"Wir hatten früher sehr häufig Menschen, die aus allen Wolken gefallen sind, weil ihnen gar nicht klar war, wie groß ein Krokodil wird. Das hat sich völlig geändert." Markus Baur, Leiter der Auffangstation für Reptilien München e.V.

Wer heute über die Haltung eines Chamäleons nachdenke, wisse, welche Lebensansprüche die Tiere haben. Außerdem gebe es genug Literatur, um sich zu informieren. Eine Liste erlaubter oder nicht erlaubter Tiere würde schwarze Schafe nicht davon abhalten. Stattdessen würde sich die Pflege der Tiere dann in die Grauzone verlagern. Ohne tierärztliche Betreuung, so Baurs Befürchtung.

Auch Tierarzt Hermann Kempf betreut vorübergehend Tiere, die ihren Haltern zu viel wurden oder die von den Behörden beschlagnahmt wurden. "Wir haben eigentlich sehr gute Gesetze im Tier- und Artenschutz", sagt Kempf, "die Problematik ist der Vollzug." Den zuständigen Behörden mangele es oft an finanziellen Mittel.

Positivliste: Mehr Schaden als Nutzen

Offen ist sowohl für Kempf als auch für Markus Baur von der Reptilienauffangstation: Welche Tiere sollen überhaupt auf die Liste kommen – und welche nicht? Wer soll sich wo um die Tiere kümmern, die nicht auf einer etwaigen Positivliste stehen? Plötzlich illegal, nicht vermittelbar, außer etwa an Zoos. So wird ein Ara, der klassische Papagei aus Kinderbüchern, auch einmal 100 Jahre alt. Wer soll die Versorgung für 95 Jahre zahlen, wenn man ein junges Tier beschlagnahmen muss?

Markus Baurs Befürchtung: Viele Tiere kommen auch auf die Reptilienauffangstation. "Dann sind die Kapazitäten aber schnell erschöpft", sagt er. Das Platzproblem wäre nicht gelöst – sondern noch verschärft.

Auf Anfrage teilt das bayerische Umweltministerium mit: Man warte ab, ob ein Gesetzentwurf von der Bundesregierung kommt und wie dieser aussieht. Aktuell sei die Haltung exotischer Tiere grundsätzlich erlaubt. Hauptsache gemäß dem Tierschutz und artgerecht. Und das gilt, da sind sich Halter und Experten einig, nicht nur für Schlangen und Chamäleons. Sondern auch für Hunde und Katzen.

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