Eine Aktivistin von "Reporter ohne Grenzen" bei einer Demo im Berlin.
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Europaparlament verabschiedet Resolution für Pressefreiheit

Die Abgeordneten des EU-Parlaments wollen die Pressefreiheit und Medienvielfalt stärken und haben deshalb eine Resolution verabschiedet. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren in Ländern der Europäischen Union deutlich verschlechtert.

Im Oktober 2017 explodiert in der maltesischen Kleinstadt Bidnija eine Autobombe. Ein gezielter Anschlag, den die Insassin, Daphne Caruana Galizia, nicht überlebt. Ihr Beruf: Journalistin. Im Fokus ihrer Recherchen: Die politische Elite Maltas, Skandale, Vetternwirtschaft. Bis heute ist der Mord nicht vollständig aufgeklärt.

Der Mord an Caruana Galizia ist kein Einzelfall, das zeigt das Beispiel von Ján Kuciak. Als Redakteur einer Nachrichtenwebsite ist er auf Korruption und Steuerdelikte spezialisiert. Genau wie Daphne Caruana Galizia ist auch Kuciak an der Auswertung der Panama Papers beteiligt.

Mit den Enthüllungen über Steueroasen häufen sich für beide auch die Morddrohungen. Im Februar 2018 wird Kuciak in seinem Haus im Westen der Slowakei tot aufgefunden. Neben ihm seine Verlobte, beide mit Schusswunden in Brust und Kopf. Kuciaks Mörder werden schuldig gesprochen, ein vermuteter Drahtzieher kommt überraschend frei.

Europaparlament verabschiedet Resolution

Es handelt sich um Extrembeispiele, die zu trauriger Berühmtheit gelangten. Sie passieren selten, doch stehen sie zugleich für vielfältige Gefahren, denen Journalisten in Europa bis heute ausgesetzt sind – das belegen auch Daten des Europäischen Zentrums für Medienfreiheit.

Die Abgeordneten des Europaparlaments haben deswegen mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet – eine Entschließung mit Symbolwirkung.

Bedrohung und Übergriffe auf Journalisten nehmen zu

Darin verweisen die Parlamentarier auf die steigende Zahl an Vorfällen, in denen Journalisten aufgrund ihres Berufs bedroht oder attackiert werden. Die Abgeordnete Magdalena Adamowicz (EVP, Polen) fordert, sich dieser Entwicklung entschieden entgegenzustellen.

Dafür sei besserer Schutz und die intensivere Verfolgung von Attacken gegen Journalisten notwendig. Besonders besorgt zeigen sich die Abgeordneten über den Stand der öffentlich-rechtlichen Medien in einigen EU-Ländern. Diese seien dort zum "Beispiel für regierungsnahe Propaganda" geworden.

Medienpluralismus soll besonders geschützt werden

Zudem fordern die Abgeordneten die Europäische Kommission auf, Eigentümerstrukturen und private wie staatliche Einmischung in jedem einzelnen Mitgliedstaat zu bewerten. Auch der Medienpluralismus in der Union soll besonders geschützt werden. Staatlich kontrollierte Medien und politische Propaganda dürften nicht mit EU-Geldern versorgt werden.

Es brauche dagegen mehr finanzielle Mittel im langfristigen EU-Haushalt für die Unterstützung der unabhängigen Berichterstattung. Eine verstärkte Zusammenarbeit von Online-Plattformen mit der Justiz soll außerdem dazu beitragen, Hetze und gezielte Desinformationskampagnen zu bekämpfen. Beides hat während der Corona-Pandemie weiter zugenommen.

Barley: Verstöße gegen europäische Grundwerte verfolgen

Für die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), ist die Freiheit der Presse gerade in dieser Krisenzeit von besonderer Bedeutung. Die systematische Untersuchung der Medienfreiheit durch die Europäische Kommission sei daher wegweisend: "Die EU-Kommission sollte den Mut aufbringen, Verletzungen der Medienfreiheit nicht nur zu benennen, sondern diese auch als Verstöße gegen die europäischen Grundwerte zu verfolgen."

Der Entzug der Frequenz eines unabhängigen Radiosenders in Ungarn sei dafür ein Beispiel, erklärt Barley, "hiergegen könnte die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof klagen."

Massive Übergriffe auch in EU-Staaten

Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF, franz.) stellt der EU in ihren jährlichen Analysen ein gemischtes Zeugnis aus. Zwar steht ein Großteil der Mitgliedstaaten an der Spitze der Rangliste der Pressefreiheit, eine uneingeschränkt weiße Weste wird trotzdem keinem Land attestiert.

Länder wie Polen ("Die national-konservative Regierung hat den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht"), Ungarn ("Regierungsnahe Medien haben 'schwarze Listen' mit den Namen unliebsamer Journalisten veröffentlicht") oder Bulgarien ("Besonders gefährlich leben Journalisten, die über Korruption oder zur Veruntreuung von EU-Geldern berichten"), markieren dabei das untere Ende der europäischen Skala.

EP vergibt Daphne-Caruana-Galizia-Journalistenpreis

Bereits im Oktober haben sich die Abgeordneten des Europaparlaments für die Unterstützung des investigativen Journalismus stark gemacht. Im nächsten Jahr ist die erste Verleihung eines neu ins Leben gerufenen Preises zur Würdigung herausragender Journalisten oder Reporterteams vorgesehen.

Der Preis trägt den Namen von Daphne Caruana Galizia – und soll am Tag ihrer Ermordung vergeben werden.

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