Drei Musiker*innen auf der Bühne.
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Für Karyna Potapkina, Katerina Shmatkova und Andrii Miehuriw (v. l.) spielt die Musik eine große Rolle in ihrem Leben.

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Ersatz-Opa inklusive: Ukrainische Musiker finden neue Heimat

Nach Kriegsausbruch flohen zwei junge Musikerinnen und ein Musiker aus der Ukraine nach Deutschland – ohne ihre Eltern. Im mittelfränkischen Dinkelsbühl fühlen sie sich mittlerweile zuhause, Hilfe bekommen sie bis heute von Rentner Paul Röseler.

Seit rund drei Jahren kennen sich Katerina Shmatkova (21), Karyna Potapkina (19) und Andrii Miehuriw (17). In ihrem Heimatort in Cherson in der Ukraine haben sie gemeinsam die "Cherson Music School" besucht. Doch seitdem hat sich viel geändert. Nun sitzen sie in der Dachgeschosswohnung eines Wohnhauses in der Dinkelsbühler Altstadt, ihrer WG. Neben ihnen auf der kleinen Couch sitzt der 79-jährige Paul Röseler.

Gastschulstatus an Berufsfachschule für Musik

"Wenn wir unter uns oder auf Ukrainisch sprechen, dann sagen wir Opa", sagt Katerina und alle lachen. "Das ist mir eine Ehre", antwortet Paul Röseler. "Das Alter passt ja auch", ergänzt er schmunzelnd. Im Frühjahr 2022 sind die drei nach Deutschland geflüchtet. Das Schicksal brachte sie schließlich von Nürnberg nach Dinkelsbühl. Hier bekamen alle drei einen Platz als Gastschülerinnen und Gastschüler an der Berufsfachschule für Musik. Karyna singt, die anderen beiden spielen unter anderem Gitarre. Ein Jahr werden sie im Gastschulstatus dort nun umfassend musikalisch ausgebildet, bei besonderer Begabung kann die Ausbildung um ein weiteres Jahr verlängert werden.

Katze durfte auch einziehen

Als Paul Röseler von ihnen hörte, boten er und seine Frau direkt eine ihrer Wohnungen an und die drei zogen ein. "Das tat meiner Seele gut, dass ich das machen konnte und vor allem, dass sie zusammenwohnen können", sagt der 79-Jährige. Er organisierte Fahrräder für die drei, führte sie in Dinkelsbühl herum, stellte sie überall vor. Die Unterstützung war enorm: Bei einem befreundeten Optiker durften sich die jungen Frauen neue Brillen aussuchen. Schließlich konnte der Vermieter auch zu Katze Alfonsina nicht nein sagen, die ebenfalls aus der Ukraine mitgebracht wurde.

Krieg trennte Familien

Die gemütliche Wohnung in der Altstadt ist neben der Musikschule der neue Lebensmittelpunkt der drei Geflüchteten. Sie kamen ohne ihre Familien nach Deutschland. Die Eltern von Andrii sind nach Dublin geflüchtet, die Eltern von Katerina harren im Krisengebiet aus. Den wohl größten Einschnitt brachte der Krieg für Karyna: Ihre Eltern gingen nach Russland, zusammen mit der jüngeren Schwester. Das Verhältnis ist seitdem schwierig, Kontakt haben sie nur selten.

Ein älterer Mann sitzt mit drei jungen Menschen auf einer Couch.
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Rentner Paul Röseler sitzt mit den jungen Musikerinnen und Musikern in ihrer Wohnung in Dinkelsbühl zusammen.

Freunde und Familien fehlen sehr

"Wir sind wie eine Familie", sagt Katerina und lächelt. Die drei sind eng zusammengewachsen. Vor einigen Monaten kam dann auch ihr Bruder Nazar nach. Er lebt in der WG unter der Wohnung, ebenfalls vermietet durch Paul Röseler. Die Liste der Dinge, die sie vermissen sei lang, sagt Katerina: "Unsere Familien, unsere Freunde. Mein Lieblingsorchester und den Chor. Und meinen Kontrabass und viele andere Sachen." Andrii fehlt der Fluss Dnipro ganz besonders. "Ich habe neben diesem Fluss gewohnt und jetzt habe ich kein Haus mehr", sagt er und zeigt Fotos, die er vor dem Krieg am Fluss gemacht hat. Jetzt würden kaum noch Menschen dort ausharren, es sei zu gefährlich, erklären die jungen Ukrainer.

Erinnerungen an eigenes Schicksal

Paul Röseler berührt das Schicksal der jungen Menschen ganz besonders, da auch er den Krieg als Kind hautnah erlebt hat. Auch er musste kurzzeitig flüchten, denn die Front verlief zeitweise nur wenige Kilometer von seinem damaligen Wohnort bei Görlitz entfernt. "Es ist schon schwer", sagt er. "Aber die schaffen das! Und sie sind ja zu dritt, da kann einer den anderen immer wieder hochziehen."

Pläne für Zukunft in Deutschland

Die drei geben einander Kraft, unterstützen sich, wo sie nur können. Und sie schmieden Pläne für die Zukunft: Nach dem Abschluss an der Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl möchten sie gerne an einer deutschen Hochschule Musik studieren – vielleicht in Nürnberg. "Das ist klar für uns, wir wollen hierbleiben, wir wollen Deutsch lernen und Musik machen!" Ein Ziel, das sie mit ihrer Ausbildung und Begabung sicherlich erreichen können.

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