Der Unterricht in einem Klassenzimmer der Mittelschule Rödental-Oeslau unterscheidet sich an diesem Tag in vielen Punkten vom normalen Schulalltag. Es wird gesprochen, gelacht, die Tische sind zusammengeschoben und überall piepsen Smartphones. Auch die Altersstruktur in der Klasse ist eine andere als sonst: Die Schülerinnen und Schüler sind zwischen Mitte 70 und 84 Jahre alt. Hier lernen Seniorinnen und Senioren, ihre Smartphones zu bedienen und somit auch die Vorzüge des Internets. Das Lehrpersonal ist bis zu 70 Jahre jünger: Schülerinnen und Schüler der achten Klasse vermitteln ihr Wissen an die ältere Generation.
Sicherer Umgang mit dem Smartphone für den Notfall
Ursula Hartle ist 79 Jahre alt und seit einem halben Jahr Besitzerin eines Smartphones. Ihre Tochter hat sie auf den gemeinsamen Kurs des Seniorenbüros und der Mittelschule aufmerksam gemacht. Jetzt sitzt sie im Klassenzimmer und ihr Smartphone klingelt. Fragend schaut sie zu Samantha, die neben ihr Platz genommen hat. Das sei ein Gruppenanruf bei Whatsapp, erklärt die 13-jährige Schülerin. Doch schon ist der Anruf vorbei und die beiden können sich weiter mit dem Gerät befassen.
Ohne Smartphone fühle sie sich inzwischen manchmal aufgeschmissen. Im Dezember ist sie bei Glatteis gestürzt, erzählt die Seniorin. Zum Glück habe sie ihr Smartphone dabeigehabt und bedienen können, so habe sie selbst den Notarzt rufen können.
Aufmerksame Schülerin – geduldige Lehrerin
Samantha erklärt ihrer 79-jährigen aufmerksamen Schülerin mit Ruhe und langsam das Smartphone. Das sei am Anfang gar nicht so einfach gewesen, aber im Laufe der Zeit habe sie gelernt, dass sie geduldig erklären müsse, berichtet die 13-Jährige. Tik-Tok, Instagram, Whatsapp, Samantha ist wie viele ihrer Generation ein Profi am Smartphone. Im Handykurs geht es allerdings erst mal um die Grundlagen.
Sie sei stolz und freue sich, wenn Frau Hartle nach dem Unterricht etwas gelernt habe und zum Beispiel ein Bild verschicken könne. Außerdem sei der Unterricht mit den älteren Menschen eine gute Übung, da sie nach der Schule Altenpflegerin werden wolle. Ursula Hartle ist sehr angetan von der Art und Weise, wie geduldig Samantha ihr das Gerät erklärt. Schritt für Schritt lernt sie ihr Smartphone besser kennen.
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70 Jahre Altersunterschied – im Kurs kein Problem
Am Nebentisch sitzt das Smartphone-Nachhilfe-Tandem Werner Mechtold und Schüler Eric. Mechtold ist mit 84 Jahren der älteste Teilnehmer des Kurses, sein Lehrer Eric ist mit seinen 13 Jahren mehr als 70 Jahre jünger. Doch das ist kein Problem, sagen beide. So ein Smartphone habe schon viele Vorteile, zum Beispiel den Kontakt zu den Stammtischbrüdern zu halten, erzählt Werner Metchold. Eric sei ein guter Lehrer, der ihm sehr geduldig zeige, wie man eine Nachricht und ein Bild schicke oder das Wetter am Smartphone einstellt. Der 13-Jährige hat sichtlich Spaß, sein Wissen weiterzugeben, auch wenn er mit Herrn Mechtold anders und langsamer rede als mit seinen Kumpels aus der Klasse. Außerdem könne er ja auch noch viel lernen, da sein Schüler ja deutlich mehr Lebenserfahrung habe.
Smartphone-Kurse ausgebucht
Für Beate Speyerer sind die kostenlosen Kurse ein voller Erfolg. Die Leiterin des Seniorenbüros in Rödental hatte die Idee dazu, das Fachwissen der jungen Generation in Sachen Smartphones zu nutzen und sie mit der älteren Generation zusammenzubringen. Mit dem Konzept, dass Schülerinnen und Schüler älteren Menschen Smartphone- und Internetfähigkeiten vermitteln, rannte sie an der Mittelschule offene Türen ein.
Und auch bei den Seniorinnen und Senioren traf sie ins Schwarze: Die Nachfrage war so groß, dass sie eine Warteliste führen musste und zwei Kurse zustande kamen. Für April ist ein weiterer Kurs geplant, so Speyerer. Das Erfolgsprojekt bereitet allen Beteiligten viel Freude und es sei schön zu beobachten, wie Alt und Jung zusammenkommen und voneinander lernen.
"Wow, wie weit sind die jetzt mittlerweile gekommen, das Wissen ist echt angekommen." Beate Speyerer, Leiterin Seniorenbüro Rödental, über Sprachnachrichten von Seniorinnen und Senioren
Klassenlehrer gibt Struktur
Fabian Friedrich ist Lehrer an der Mittelschule Rödental-Oeslau und hat als Klassenlehrer das Projekt im vergangenen Schuljahr mit geplant und umgesetzt. Dabei ging es weniger um die Inhalte des Smartphone-Kurses, sondern darum, wie die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen an die Frau und den Mann bringen können, erzählt er. Mit einer Checkliste habe man den Jugendlichen etwas an die Hand gegeben, das sie zusammen mit den Seniorinnen und Senioren abarbeiten konnten.
Friedrich ist stolz auf die Schülerinnen und Schüler. Besonders freue es ihn, dass die jungen Menschen ihr Wissen erfolgreich vermitteln konnten. Es sei auch gut für das Selbstbewusstsein der Jugendlichen, wenn sie zeigen könnten, was sie alles draufhaben und helfen können, so Friedrich. Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Forchheim: Dort geben Schülerinnen und Schüler Senioren Handy- und Computernachhilfe.
Smartphone-Kurse für alle ein Erfolg
Nach zwei erfolgreichen Smartphone-Kursen ist das Fazit bei allen Beteiligten gleich: Das Projekt ist ein voller Erfolg. Jung und Alt kommen zusammen, tauschen sich aus und lernen voneinander. Auch Rödentals Bürgermeister Marco Steiner (Freie Wähler) hat die Kurse immer wieder besucht und findet nur lobende Worte für die Beteiligten. Besonders stolz mache ihn das Engagement der Schülerinnen und Schüler, der Lehrer und des Seniorenbüros. Nur gemeinsam könne ein solches Projekt so gewinnbringend umgesetzt werden. Neben den Smartphone-Kursen soll das Konzept des generationenübergreifenden Lernens noch weiterentwickelt werden. Bald schon sollen auch Tablet-Kurse angeboten werden.
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