In der Alevitischen Gemeinde in München sitzt die Trauer tief. "Die Gemeinde ist nicht mehr dieselbe seit dem 6. Februar", berichtet Ugur Kör, Vertreter der Münchner Gemeinde. Der Osten und Südosten der Türkei und Syriens ist hauptsächlich von Aleviten und Kurden bevölkert, so haben auch viele Mitglieder seiner Gemeinde Angehörige bei dem Erdbeben verloren. Die Solidarität mit ihnen wurde sehr schnell deutlich: Innerhalb von 24 Stunden hat die Gemeinde zwei 40-Tonner mit Sachspenden in die Erdbebenregion geschickt. Darüber hinaus seien direkt betroffene Mitglieder in die Krisenregion geflogen, "weil sie vor Ort direkt helfen wollten", erzählt Kör.
Seelsorger gehen aktiv auf Betroffene zu
Gemäß der alevitischen Tradition befindet sich auch die Münchner Gemeinde in einer 40-tägigen Trauerzeit. Dabei versucht die Gemeinde Mitglieder, die Angehörige verloren haben, aktiv aufzufangen. "Wir hatten schon von Anfang an zwei gut ausgebildete Seelsorger, die sofort persönlich in der Gemeinde waren", sagt Ugur Kör. Die Alevitische Gemeinde Deutschland hat zudem eine telefonische Seelsorge-Hotline eingerichtet, an die sich Betroffene wenden können.
Kirchen wollen bei Seelsorge unterstützen
Ein Beispiel, wie Hilfe gelingen kann. Und doch: Die Seelsorge-Angebote für Angehörige in Deutschland, die bei dem Erdbeben eine Tante, die Schwester oder den Großvater verloren haben, reichen nicht aus. Die Münchner Aleviten stünden deshalb auch im engen Austausch mit den Kirchen, sagt Ugur Kör, der die Alevitische Gemeinde München im Rat der Religionen vertritt. Die Fachabteilungen, die in München die Seelsorge organisieren, würden sich momentan schon auf Menschen aus dem Erdbebengebiet vorbereiten. Diese sowie deren Angehörigen wolle man dann seelsorgerisch unterstützen, berichtet Kör.
Imam als Anlaufstelle für viele muslimischen Trauernden
Auch in der muslimischen Gemeinde finden viele Trost in der Moschee oder der damit verbundenen Gemeinschaft. So gibt es auch im Münchner Forum für Islam viele Gläubige, die gerade Familienmitglieder verloren haben, sagt Imam Belmin Mehic. "Meine Aufgabe als Iman ist, ihnen zuzuhören, ihre Ängste und Sorgen wahrzunehmen. Und auch mit positiven Botschaften ihnen Kraft und Haltung zu vermitteln."
Trauer durch Anpacken bewältigen
Viele Angehörige packen auch aktiv mit an, um ihre Trauer zu bewältigen. Eine von ihnen ist die 26-jährige Ezgi Tirik. Die Münchnerin mit türkischen Wurzeln hat selbst Verwandte bei dem Erdbeben verloren. Schon direkt nach dem Unglück flog sie in die Türkei, um gemeinsam mit ihren Verwandten Betroffene im Krisengebiet zu unterstützen. In der Region Hatay verteilten sie Spenden wie Hygieneprodukte und warme Kleidung, die sie aus Deutschland mitgebracht hatten. Ezgi Tirik beteiligte sich aber auch aktiv an der Suche nach Verschütteten. Wieder zurück in Deutschland fühlte sie sich hilflos. "Mir ging es unten besser, weil ich mich nützlicher gefühlt habe. Aber ich versuche auch von hieraus das Beste daraus zu machen", sagt sie.
Gedenkveranstaltung zu Ehren der Opfer
Auch wenn das Erdbeben aus den meisten Schlagzeilen verschwunden ist: Für die Betroffenen und ihre Angehörigen wird es noch lange dauern, bis Normalität einkehrt. Die Alevitische Gemeinde München will weiterhin Beistand leisten und veranstaltet deswegen am Sonntag, den 12. März, eine Gedenkveranstaltung für alle Opfer und Verletzte des Erdbebens. Anwesend sein werden unter anderem Justizminister Georg Eisenreich und die dritte Bürgermeisterin der Stadt München, Verena Dietl.
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