Ein Arzt unterschreibt eine Krankmeldung
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Elektronische Krankmeldung: Warum sie ihr Ziel noch verfehlt

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Elektronische Krankmeldung: Warum sie ihr Ziel noch verfehlt

Seit dem 1. Januar müssen Arbeitgeber Krankmeldungen ihrer Mitarbeitenden digital bei der Krankenkasse erfragen. Das System soll für weniger Bürokratie und mehr Transparenz sorgen. In der Praxis ist bislang häufig das Gegenteil der Fall.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Der "Gelbe Schein" hat ausgedient: Wer wegen Krankheit nicht zur Arbeit erscheinen kann, musste bisher die offizielle Krankmeldung an Arbeitgeber und Krankenkasse schicken. Mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) soll sich das ändern. Sie soll digital vom Arzt an die Krankenkasse übermittelt werden, wo der Arbeitgeber sie dann abrufen kann.

Seit Januar für Arbeitgeber verpflichtend

Dieser Vorgang ist seit dem 1. Januar nun auch für Arbeitgeber verpflichtend. Und tatsächlich werden laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bereits über 80 Prozent der AU-Bescheinigungen digital übermittelt.

Fast alle Arztpraxen nutzen demnach das System und auch in Firmen wird die Möglichkeit zunehmend umgesetzt: Dieses Jahr wurden bereits über 21 Millionen digitale Krankmeldungen von Arbeitgebern abgerufen, im März waren es 13 Prozent mehr als im Februar. Ziele der digitalen Lösung sind der Abbau von Bürokratie, Vermeidung von Papier sowie die Schaffung von mehr Transparenz.

Ziel verfehlt? Jährlich eine Million Stunden mehr Bürokratie

In der Praxis scheint das aber nur bedingt zu klappen: Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) wurden sämtliche Ziele zur Bürokratieentlastung in Arztpraxen verfehlt. Im Gegenteil hätte sich der bürokratische Aufwand durch die eAU sogar merklich erhöht.

Grund sei das aufwändige elektronische Signaturverfahren, mit dem Ärzte die herkömmliche Unterschrift ersetzen müssen. Zudem kommt es vermehrt zu technischen Problemen. Laut dem Goldbacher Hausarzt Joachim Lentzkow, Regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB, hätten deutlich über 50 Prozent der unterfränkischen Praxen Probleme mit der Software.

Bei einem fehlgeschlagenem Digitalversand muss dann noch immer eine papiergebundene Ersatzbescheinigung ausgestellt werden. Der Bürokratieindex für 2022 hat ergeben, dass jeder Vorgang zur Erstellung einer AU somit 50 Sekunden länger dauert. Im Jahr bedeute das ein Mehr von 1,25 Millionen Stunden Bürokratie in deutschen Praxen.

"eAU liegt nicht vor": Übermittlung teils mehrere Tage verzögert

Auf Arbeitgeberseite sieht es häufig kaum anders aus. Wenn sich ein Mitarbeiter krankmeldet, müssen Unternehmen nun proaktiv bei der zuständigen Krankenkasse nachfragen, ob tatsächlich eine Bescheinigung vorliegt. Bei der "Vogel Communications Group" in Würzburg stellt Sachbearbeiterin Anita Kempe täglich solche Anfragen. Dass daraufhin noch am selben Tag eine Übermittlung der eAU erfolgt, sei aber die Ausnahme, sagt sie.

Meist gebe es nur die Fehlermeldung "eAU liegt nicht vor". Teilweise komme es zu einer Verzögerung von bis zu fünf Tagen oder einem generellen Fehlen der Übermittlung. Immer wieder muss Kempe die Anfrage deshalb erneut stellen: "Im Gegensatz zu früher ist es schon fast der doppelte Aufwand."

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Gerhard Zall von der "Vogel Communications Group Würzburg" gleicht die übermittelten Daten mit bereits vorliegenden Krankmeldungen ab.

Mischprozess: Papierscheine weiterhin im Einsatz

Das Problem sei, dass der Fehlerursprung bei einer fehlenden eAU kaum ermittelt werden kann. "Wir wissen nicht: Liegt es an unserer Technik, der Kasse oder wurde vom Arzt gar nichts übermittelt?", so Gerhard Zall, Leiter der Personalabteilung bei der Vogel Communications Group. Auch wenn lediglich ein falscher Krankheitszeitraum abgefragt wurde, erscheine nur die Fehlermeldung ohne weitere Hinweise. "Da bleiben einfach zu viele Fragen", so Zall. Im schlimmsten Fall wird dann ein Mitarbeitender zu Unrecht einer unentschuldigten Fehlzeit beschuldigt.

Auch Lohnfortzahlungen können in Gefahr sein, da die Krankmeldung gesetzlich spätestens zum vierten Tag der Abwesenheit vorliegen muss. Die Vogel-Personalabteilung hat deswegen beschlossen, dass Mitarbeitende auch weiterhin auf freiwilliger Basis einen Durchschlag der AU einreichen können.

Digitale Lösung bisher nur für gesetzlich Versicherte

Papierlos funktioniert auch das neue System also noch lange nicht. Hinzu kommt, dass ohnehin nicht alle Arbeitnehmer an dem Verfahren der eAU teilnehmen können. Ausgeschlossen sind unter anderem privat Versicherte, Studierende und Schülerinnen und Schüler. Auch wenn Behörden, wie beispielsweise die Agentur für Arbeit, im Spiel sind, braucht es weiterhin die Bescheinigung in Papierform.

Zudem erhält ohnehin jeder Arbeitnehmer noch immer einen Durchschlag der AU für seine Unterlagen. Dies könnte erst mit einer Aufnahme der AU in die elektronische Patientenakte vermieden werden.

Der "Gelbe Zettel" soll eigentlich seit diesem Jahr ausgedient haben. (Symbolbild)
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Der "Gelbe Zettel" soll eigentlich seit diesem Jahr ausgedient haben. (Symbolbild)

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