In einem gepflasterten Weg ist ein Lautsprecher eingelassen, dessen gitterförmige Oberfläche man sieht, daneben ein Stein mit der Aufschrift "Gesprochenes Mahnmal"
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Die Stadt Bayreuth hat ein akustisches Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust errichtet. Es wurde während einer Gedenkstunde enthüllt.

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Einzigartiges akustisches Mahnmal für Opfer der Shoah

Das akustische Denkmal, für das sich Bayreuth entschieden hat, ist ein Novum. Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wurde es nun eingeweiht. Sprecher des akustischen Denkmals ist der Schauspieler Matthias Brandt.

Das Mahnmal würde gar nicht auffallen, wäre da nicht diese Stimme. Es ist eine bekannte Stimme – die des Schauspielers Matthias Brandt. Sie erklingt aus dem Boden, aus einer grauen Lochplatte im Straßenpflaster, dort wo die Bayreuther Opernstraße in den Sternplatz mündet. Dort ist einer der Pflastersteine anders als der Rest. "Akustisches Mahnmal" steht darauf. Neben einem Baum steht eine kleine Tafel, die auf das Mahnmal hinweist. Das ist nicht alles.

Das Besondere: Die Stimme zählt 180 Namen von Bayreuther Jüdinnen und Juden auf. Dazu verrät sie ihr Lebensalter, wohin sie während der Herrschaft der Nationalsozialisten deportiert wurden und wo sie in welchem Jahr ermordet wurden.

Den Opfern des Holocaust eine Stimme geben

Christoph Rabenstein, SPD-Stadtrat und Historiker, steht vor dem Mahnmal und hört zu. Er sei anfangs skeptisch gewesen, ob das akustische Mahnmal die richtige Art zu erinnern sei. Doch mittlerweile überzeuge ihn diese Form des Gedenkens. Nicht nur, weil es einzigartig sei, sondern weil so die Opfer des Holocaust wieder als Menschen greifbar würden, eine Stimme bekämen. "Wir wollten keinen Grabstein", erzählt er, deswegen hätten sie sich im Stadtrat für das akustische Mahnmal entschieden, vor allem um ein Zeichen zu setzen.

Sowohl ein Opfer- als auch ein Täter-Ort

Der Ort des Mahnmals am Sternplatz sei gut gewählt, so Rabenstein, denn hier stand das Waren- und Wohnhaus von Simon Pfefferkorn, einem Bayreuther jüdischen Glaubens, der bereits 1933 enteignet wurde. Für einen Spottpreis musste Pfefferkorn das Anwesen an die NSDAP verkaufen. Die richtete dann unter dem damaligen Gauleiter Hans Schemm hier ihr "braunes Haus", ihre Gauleitung, ein, berichtet der Historiker. So sei der Standort des Mahnmals sowohl ein Opfer-, als auch ein Täterort. Das Haus brannte 1945 nieder. Ob durch einen alliierten Bombenangriff oder weil es die Nazis selbst angezündet hatten, ist unklar.

Ein Schritt zur Aufarbeitung der NS-Zeit

Das Mahnmal ist ein weiterer Schritt der Stadt Bayreuth, ihre Geschichte während der NS-Zeit aufzuarbeiten. Am Richard Wagner-Festspielhaus steht eine Installation unter dem Titel "Verstummte Stimmen" und widmet sich den Künstlerinnen und Künstlern, die Auftrittsverbot erhielten, verfolgt und ermordet wurden. Die Synagoge, die während der Pogromnacht 1938 nicht zerstört wurde, wurde renoviert. Ein jüdisches Kulturzentrum soll dort entstehen. Dazu Gedenktafeln und Hinweise auf jüdisches Leben in Bayreuth.

Die Gedenkstätte für den ermordeten Bayreuther Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner zählt zu den Bayreuther Museen. Außerdem sollen Dokumentationszentren entstehen: in den Wohnhäusern des ehemaligen Gauleiters Hans Schemm und von Houston Stewart Chamberlain, einem der geistigen Wegbereiter von Antisemitismus und Völkermord aus dem Umkreis der Familie Wagner.

Rolle Bayreuths in der NS-Zeit

Dass Bayreuth, neben München und Nürnberg, für die Nationalsozialisten eine der wichtigen bayerischen Städte war, bestätigt auch Ludwig Spaenle, der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung. Bei der Einweihung des Mahnmals wies er darauf hin, dass Adolf Hitler ein steter Gast der Festspiele und der Familie Wagner war. Und Christoph Rabenstein ergänzt, dass vor allem der Gauleiter Schemm versuchte, die Stadt nationalsozialistisch zu prägen. Jener gründete den NS-Lehrerbund mit Sitz in Bayreuth, ließ das Haus der Deutschen Erziehung bauen und plante ein überdimensioniertes Gauforum, das nie verwirklicht wurde.

Mahnmal ein wichtiges Zeichen

Das akustische Mahnmal für die Holocaust-Opfer am Sternplatz ist eher unscheinbar und zurückhaltend. Doch es ist zu hören. Die Ohren kann man nicht verschließen, wegschauen geht in diesem Sinne nicht. Und das sei wichtig, findet Christoph Rabenstein, denn Rassismus und Antisemitismus seien leider immer noch gegenwärtig, immer wieder gebe es Übergriffe. Deswegen habe so ein Mahnmal eine Bedeutung für die Zivilgesellschaft. In Bayreuth sei ein Zeichen gesetzt worden, freut sich Rabenstein.

Ein Mann steht am Rednerpult. Außenherum stehen Menschen. und hören zu.
Bildrechte: BR/Markus Feulner

Das akustische Denkmal in Bayreuth wurde zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust eingeweiht.

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