Eine SMS, an die sich niemand erinnert: Söder und die Masken
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Ministerpräsident Söder im Bayerischen Landtag

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Eine SMS, an die sich niemand erinnert: Söder und die Masken

"Keine Weisungen", keine Erinnerung an Details - wer sich von Söders Auftritt im Masken-Ausschuss neue Erkenntnisse versprochen hat, wird enttäuscht. Trifft der Filz-Vorwurf zu? Die Antwort liegt ein Stück weit im Auge des Betrachters. Eine Analyse.

Die "süßen Augen" seines Wackeldackels Wastl, seine vielen Lieblingstassen, sein Glaube an Gott - als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Mitte der Woche bei einer Tasse Tee auf Instagram Rede und Antwort stand, ging es vorweihnachtlich-gemütlich zu. Bei seinem Auftritt im Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags heute Vormittag wollte die Opposition für ein raueres Klima sorgen - und Söder mit kritischen Fragen zu Geschäften mit Schutzausrüstung in die Enge treiben. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn stellte vorab einen "Showdown" in Aussicht.

Die Befragung des Ministerpräsidenten hatte sich der Untersuchungsausschuss für den Schluss aufgehoben - er war als letzter von rund 150 Zeugen geladen. Musste Ex-Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Montag noch neun Stunden lang ausharren, darf Söder schon nach drei Stunden wieder gehen - und lässt die Opposition enttäuscht und etwas ratlos zurück. Viele Fragen seien an Söder einfach abgeperlt, konstatiert der FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser. Und mit den Fragen versuchte der Ministerpräsident, auch die gesammelten Filz-Vorwürfe der Opposition einfach abtropfen zu lassen.

Söder: "Falsch, bewusst unehrlich und wahrheitswidrig"

Söder traf am Morgen ein paar Minuten zu früh ein - und war perfekt vorbereitet. Gleich mit den ersten Sätzen seiner Aussage bemühte er sich, den Eindruck zu zerstreuen, er sei gekommen, um sich vor den Abgeordneten für irgendetwas zu rechtfertigen: Die Ladung in den Ausschuss nannte er eine "Gelegenheit zum Austausch" und holte zu einem einem fast 20-minütigen Grundsatzmonolog über die Corona-Zeit aus, der an eine Regierungserklärung erinnerte - und über weite Strecken wenig mit dem eigentlichen Thema zu tun hatte: mit Masken-Geschäften, die über CSU-Kanäle bei der Staatsregierung gelandet waren.

Als er dann doch auf die Beschaffung von Schutzausrüstung zu sprechen kam, versicherte Söder: Von ihm habe es nie eine Weisung gegeben, ein bestimmtes Geschäft abzuschließen. Als Ministerpräsident habe er sich nicht um Details gekümmert, sondern um die großen Linien der Corona-Bekämpfung. Vorwürfe der Vetternwirtschaft kritisierte er als "falsch, bewusst unehrlich und auf jeden Fall wahrheitswidrig".

"Alle haben sich unter Druck gefühlt"

Die Opposition stützt ihren Vorwurf unter anderem auf ein Masken-Geschäft in Millionenhöhe, das auf Vermittlung des damaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) zustande gekommen war: Das Angebot des Unternehmer aus Scheuers Heimat Passau sei wegen des direkten politischen Drahts bevorzugt behandelt worden.

Die Akten zeigen, dass das Gesundheitsministerium das Geschäft wegen Zweifeln an der Qualität der Masken eigentlich ablehnen wollte, die Staatskanzlei sich einschaltete, Beamte dies als Druck von oben empfanden und dass dann doch ein Vertrag unterschrieben wurde. Dazu könne er nichts sagen, betonte Söder. "Alle haben sich unter Druck gefühlt."

Die SMS zu den Scheuer-Masken: "Müsst Ihr nehmen"

In einer E-Mail wurde sogar eine Söder-SMS zu den Scheuer-Masken erwähnt - mit dem Wortlaut: "Müsst ihr nehmen." Der Ministerpräsident zuckte mit den Schultern. Nachdem sich vergangene Woche bereits der Empfänger, Ex-Staatssekretär Gerhard Eck (CSU), nicht erinnern konnte, die Nachricht bekommen zu haben, hat nun Söder "keine Kenntnis", sie geschrieben zu haben. "Ich schreibe sehr viele SMS und ich lösche sie übrigens auch immer wieder", schilderte der CSU-Chef. Selbst wenn er eine solche Nachricht auf seinem Handy suchen würde, "würde ich keine finden".

BR-Korrespondent Julian von Löwis berichtet aus dem Landtag vom letzten Tag des Masken-Untersuchungsausschusses.
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BR-Korrespondent Julian von Löwis berichtet aus dem Landtag vom letzten Tag des Masken-Untersuchungsausschusses.

Opposition kritisiert Erinnerungslücken

Vertreter der Opposition zeigen sich fraktionsübergreifend verärgert über Söders Auftritt. "Er hatte große Erinnerungslücken", beklagt der AfD-Abgeordnete Gerd Mannes. Ausschuss-Vize-Chef Florian Siekmann von den Grünen betont: "Immer wenn es um seine persönliche Involvierung ging, hat Markus Söder heute mit Erinnerungslücken geglänzt." Der FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser konstatiert, Söder habe sich immer genau an den Stellen nicht erinnern können, "wo es gefährlich werden könnte". SPD-Fraktionschef von Brunn findet es "wenig glaubhaft", dass Söder von der SMS nichts wisse.

Erinnern kann sich Söder nach eigenem Bekunden im Zusammenhang mit den Scheuer-Masken einzig an den Termin am Münchner Flughafen, wo er zusammen mit Parteifreunden eine große Lieferung medienträchtig in Empfang nahm. "Ich habe mich gefreut wie ein Schnitzel", schilderte er. Denn diese Lieferung sei angesichts des extremen Masken-Mangels ein "optimistisches" Signal" an die Bevölkerung gewesen. "Da war ich mal für ein paar Stunden erleichtert in dem ganzen Schlamassel."

Angebot von Söders Frau

Auch im Fall der letztlich gescheiterten Verhandlungen mit der Nürnberger Baumüller-Gruppe seiner Frau Karin Baumüller-Söder wies Söder den Vorwurf politischer Einflussnahme entschieden zurück. Ja, seine Frau habe an einem Morgen mit ihm über eine mögliche Masken-Lieferung gesprochen - und er habe daraufhin die Weitergabe ihrer Nummer veranlasst. "Ansonsten habe ich mich dann nicht mehr eingemischt." Letztlich habe es kein Geschäft, keinen Vertrag und auch kein Geld gegeben. Für den Ministerpräsidenten ein Beleg dafür, "dass es keine Verquickung und keinen Einfluss gegeben hat".

Die Opposition zieht andere Schlüsse: Allein der Hinweis auf ein mögliches Angebot von Söders Frau habe ausgereicht, dass sich die Leiterin der Task-Force Beschaffungen im Gesundheitsministerium persönlich mit dem Fall befasst habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon das Landesamt für Gesundheit für Masken-Käufe zuständig gewesen sei. Siekmann sieht darin einen weiteren Beweis dafür, dass im Einzelfall Angebote über wichtige politische Kontakte klar priorisiert worden seien.

Spezlwirtschaft oder nicht?

Unstrittig ist: Über die bereits vorher bekannten Provisionszahlungen an die CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein hinaus hat der Ausschuss keine weiteren Fälle aufgedeckt, in denen sich Parlamentarier persönlich bereichert haben. Laut Bausback ist der "Pauschalverdacht" der Opposition gegen Verantwortungsträger wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Mehrere Minister versicherten im Ausschuss, alle Angebote seien geprüft worden, egal, woher sie gekommen seien.

Auch wenn sich niemand bereichert hat, deuten die Akten zugleich aber schon darauf hin: Der direkte Draht zu einem politischen Entscheidungsträger war zumindest hilfreich, dass Angebote schneller geprüft wurden, dass öfter nach dem aktuellen Stand gefragt wurde. Für die Opposition war damit eine Spezlwirtschaft gegeben - auch wenn kein Geld geflossen sei, auch wenn es möglicherweise nur darum gegangen sei, vor anderen zu glänzen. Muss sich die Staatsregierung also Filz-Vorwürfe gefallen lassen, obwohl sie im März 2020 in einer absoluten Notlage unter Zeitdruck handeln musste? Die Antwort auf diese ethische Frage liegt ein Stück weit im Auge des Betrachters.

Söder meldete sich am Nachmittag noch einmal auch via Instagram zu Wort. "Der Untersuchungsausschuss Maske hat belegt, dass Bayern in der Coronazeit nach Recht und Gesetz gehandelt hat", schrieb er. Dazu postete er mal wieder ein Tassen-Foto: weiße Tasse mit blauer Schutzmaske. So wird sogar der Masken-Ausschuss ein Fall für die Wohlfühlplattform.

Das BR24live zum Masken-Ausschuss zum Nachschauen:

Markus Söder mit FFP2-Maske
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Markus Söder

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