Seit etwa einem Jahr ist eine neue Marke in Bayerns Medienlandschaft aufgetaucht: Die Mediengruppe Bayern. Unter diesem Dach arbeiten die Passauer Neue Presse, der Donaukurier und die Mittelbayerische Zeitung. Insgesamt meldet dieses Haus, die frühere Verlagsgruppe Passau, eine Gesamtauflage seiner Tageszeitungen von 330.000 Exemplaren mit 850.000 Lesern täglich zwischen Regensburg und Berchtesgaden, Ingolstadt und Passau.
Vor einem Jahr hat die damalige Inhaberfamilie Esser die Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg an die Mediengruppe verkauft. Als Herausgeberin nennt die Mittelbayerische Zeitung seither Simone Tucci-Diekmann, Gesellschafterin der Verlagsgruppe Passau. Der Bayerische Rundfunk hat die Stimmung bei der Mittelbayerischen gut ein Jahr nach der Übernahme untersucht.
"Die Zeitung ist jetzt klar Niederbayern-orientiert"
Für die Redakteure war die Übernahme der Mittelbayerischen Zeitung kein Schock. "Sicher ist richtig: Die Zeitung ist jetzt klar Niederbayern-orientiert. Passau will den Ton angeben." Da klingt durch: Der Lokalstolz der Mittelbayerischen Zeitung ist geknickt. Immerhin hatte das 1945 gegründete Blatt an Wochenenden einmal rund 150.000 Exemplare Auflage, derzeit sind es rund 95.000 – und zwar in der ganzen südlichen Oberpfalz mit Regensburg, Schwandorf und Amberg sowie im Raum Kelheim.
Dämpfend auf die Stimmung wirkt auch: Eine eigene überregionale Sportberichterstattung*, etwa über Bayern München und ein eigenes Landtagsbüro in München, gibt es nicht mehr. Ein neues Berliner Büro der Mediengruppe Bayern gilt da nicht als Ersatz – zu weit weg von den regionalen Themen.
Früher "Online first" - nun wieder "Print first"
Betriebsratsvorsitzende Susanne Wiedamann testete diese Woche die Stimmung bei einer Betriebsversammlung mit knapp 60 Mitarbeitern. Wiedamanns Eindruck: Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen vor allem mit der neuen Redaktions-Technik. Immerhin sei nach Unternehmensangaben die Zahl der Mitarbeiter seit der Übernahme nicht gesunken, freie Stellen würden wieder besetzt. Wiedamann schätzt, dass rund ein Dutzend Redaktionsmitarbeiter, vor allem junge, das Unternehmen verlassen haben.
Mitarbeiter sagen dazu im Hintergrundgespräch: "Früher galt: Online First. Ihr schreibt zunächst für die Online-Ausgabe, daraus entsteht dann die Zeitung. Seit der Übernahme durch die Passauer gilt wieder Print first. Das hat vielleicht auch manchen jüngeren Kollegen zur Kündigung veranlasst."
Weniger Homeoffice, weniger Fernsehaktivitäten
Dazu kommt, dass die Zentrale in Passau sehr strikte Forderungen nach Präsenz am Arbeitsplatz erhoben hat. Der Mittelbayerische Verlag sei kulanter gewesen bei der Genehmigung von Homeoffice oder Mobile Office, heißt es.
Ein Blick von außen auf die Entwicklung der Zeitung zeigt: die Twitter-Kanäle der Passauer Neuen Presse und der Mittelbayerischen ähneln sich inzwischen stark und die Fernsehaktivitäten der Mittelbayerischen im Online-Auftritt der Zeitung wurden eingestellt. Hier war die Mittelbayerische sehr aktiv: Auf Mittelbayerische.de gab es Livestreams von Pressekonferenzen, Live-Diskussionen von Redakteuren mit Politikern und vieles mehr. Auffällig ist, dass vor allem die Landkreisteile der Zeitung wieder mehr Lesestoff bieten.
Zu viele Seiten, zu wenig Beiträge
"Inhaltlich wird im Mantel natürlich viel von Passau 1:1 übernommen, also vor allem in den Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Vermischtes. Wir im Lokalen scheinen hier auf der Insel der Seligen zu leben. Früher hieß es: So-und-so-viel Seiten habt ihr. Das ist es. Es muss gespart werden. Jetzt haben wir manchmal so viel Seiten zur Verfügung, dass wir gar nicht wissen, wie wir sie füllen sollen", berichtet ein Redakteur dem Bayerischen Rundfunk.
Er ergänzt: "Früher, wenn es in einem Dorf keinen Berichterstatter gab, dann hat man halt gesagt: Schickts was, wenn ihr was in der Zeitung haben wollt. Jetzt wurden Mitarbeiter reaktiviert, die schon sechs oder sieben Jahre nichts mehr geliefert haben."
Folgen für den Inhalt der Zeitung sichtbar
Das hat Folgen für den Inhalt der Zeitung, denn die Lokalredaktionen werden angehalten, nicht nur Vereinsberichterstattung zu liefern. Es erscheinen wieder Lesestücke. Zurückgekehrt ist auch der langjährige MZ-Schreiber Helmut Wanner: Er portraitiert langjährige Geschäftsinhaber, Kellnerinnen vom Kneitinger, Standlfrauen oder den Sparkassenchef.
Und noch etwas stellt der Beobachter von außen fest: Das Layout der Mittelbayerischen war vor der Übernahme ambitionierter. Es gab Fotos über zwei Seiten, freie Fläche und große Textblöcke mit pro und contra. Die neue Mittelbayerische ist hausbackener und durch die neue Spaltenbreite schwerer zu lesen.
Wie geht es weiter mit der Mittelbayerischen Zeitung?
Wie geht es weiter mit dem aufgekauften Traditionsblatt? Die Chefredaktion der Mittelbayerischen verweist auf die Kollegen in Passau. Dort erwidert Chefredakteur Ernst Fuchs auf Fragen nach der Entwicklung der Auflage, der Ausweitung der Lokalteile und der Investitionskosten für die dann eingestellten Fernsehaktivitäten in Regensburg: "Wir bitten aber um Verständnis, dass wir dazu gegenwärtig nichts sagen wollen."
(*in einer ersten veröffentlichen Fassung des Artikels fehlte das Wort "überregional", worauf uns ein Leser dankenswerter Weise hingewiesen hat.)
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