Der ehemalige Bewohner José Luis vor dem Haus im Würzburger Stadtteil Grombühl.
Bildrechte: BR/Alisa Wienand

Der ehemalige Bewohner José Luis vor dem Haus im Würzburger Stadtteil Grombühl.

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Ein Jahr nach Räumung in Würzburg: Wie geht es den Mietern?

Vor einem Jahr mussten die Bewohner eines Mietshauses im Würzburger Stadtteil Grombühl ausziehen. Für sie bestand dort laut Gericht "Gefahr für Leib und Leben". Die Wohnungen stehen weiterhin leer. Einigen Mietern geht es heute besser.

José Luis steht vor einem Haus im Würzburger Stadtteil Grombühl und betrachtet die schmutzige weiße Fassade. Ein Jahr lang hat er hier gelebt – in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung, ganz oben im Dachgeschoss. Auf seinem Arbeitsweg kommt er auch heute noch jeden Tag hier vorbei – und wird daran erinnert. Dabei will er das am liebsten einfach vergessen. "Diese Zeit war nicht gut für mich", sagt der 36-Jährige heute. Die Wohnung war damals zwar nur eine Notlösung für ihn. Aber als er erfahren hat, dass er ausziehen muss, war er trotzdem schockiert. Die Stadt Würzburg hat seine Wohnung vor einem Jahr geräumt, genauso wie 50 andere in dem Haus.

Verwaltungsgericht: "Gefahr für Leib und Leben"

Für die Bewohner der 51 Wohnungen bestand laut Verwaltungsgericht Würzburg "Gefahr für Leib und Leben". Vor allem Brandschutz-Mängel wie fehlende Fluchtwege haben zur Räumung geführt. Aber auch, dass "die winzigen Wohnparzellen nicht die Anforderungen an Aufenthaltsräume" erfüllten, heißt es laut Gericht in der Nutzungsuntersagung der Stadt.

Wohnungen stehen weiterhin leer

Heute stehen die betroffenen Wohnungen laut Stadt Würzburg weiterhin leer. Die Türen sind nach wie vor versiegelt. Bevor sich daran etwas ändern kann, muss der Vermieter erst einen genehmigungsfähigen Bauantrag vorlegen. Im vergangenen Jahr hatte der Vermieter zwar einen Bauantrag bei der Stadt eingereicht. Dieser sei aber später wieder zurückgezogen worden. "Wohnraum in Würzburg ist eng. Natürlich wünschen wir uns gerade in dieser angespannten Situation, dass jeder Wohnraum, der vorhanden ist, auch genutzt wird. Und so gilt das auch für dieses Haus", sagt Christian Weiß, Pressesprecher der Stadt Würzburg.

Stadt Würzburg: "Uns blieb nichts Anderes übrig"

Rückblickend habe es für die Räumung der Wohnungen aus Sicht der Stadt keine Alternative gegeben: "Die Wohnungen an sich waren – was ja auch das Gericht mehrfach bestätigt hat – nicht sicher. Und somit blieb uns eigentlich nichts Anderes übrig." In den Wochen vor der Räumung hatte die Stadt Beratungsangebote für die Mieter geschaffen. Die Räumung selbst sei ruhig verlaufen. Nur ein Bewohner ist in einer Obdachlosenunterkunft untergekommen.

Bessere Wohnsituation für einige Mieter

José Luis hatte damals Glück: Kurz vor der Räumung konnte er in seine neue Wohnung der städtischen Wohnungsgesellschaft Stadtbau ziehen. Für etwa 40 Quadratmeter zahlt er jetzt 340 Euro warm. Das sind 50 Euro weniger als für die deutlich kleinere Ein-Zimmer-Wohnung, die seit einem Jahr leer steht. Zuvor hatte der 36-Jährige monatelang verzweifelt nach einer Wohnung gesucht. Heute sagt er: "Ich fühle mich gut. Das ist eine super Wohnung. Besser als meine alte Wohnung." Worüber er sich besonders freut, ist seine große Küche.

Ähnlich geht es einem anderen ehemaligen Bewohner. Auch er hat gerade noch rechtzeitig eine neue, deutlich größere Bleibe gefunden. "Ich bin sehr zufrieden", sagt er heute gegenüber dem BR.

Pläne für Wohnungen unbekannt

Was der Vermieter mit den 51 leerstehenden Wohnungen vorhat, ist unklar. Auf BR-Anfrage war bisher nur zu erfahren, dass sich die zuständige Immobilienfirma derzeit umstrukturiert: "Das Unternehmen befindet sich in einer Phase der Umorganisation", heißt es in einer Mail.

Kurz vor der Räumung Anfang März 2022 hatte der Vermieter vorgeschlagen, Geflüchtete aus der Ukraine in den Wohnungen unterzubringen. Die entsprechende E-Mail an die Stadt liegt dem BR vor. Zu diesem Angebot heißt es von der Stadt nur: "Solange die Wohnungen nicht sicher sind, können wir sie generell nicht nutzen. Egal für wen." Weil sich der Vermieter nicht um Ersatzwohnraum für die Bewohner gekümmert hatte, sei ihm laut Stadt ein Zwangsgeld auferlegt worden.

Trotz Verbots: Wohnungen wurden weiter vermietet

Die Stadt hatte die Nutzung von 51 Wohnungen in dem Haus bereits 2019 untersagt. Viele davon waren baurechtlich nie genehmigt. Zwei Jahre später bestätigte das Würzburger Verwaltungsgericht die Entscheidung der Stadt in einer Verhandlung – mit der Begründung, dass in dem Haus "Gefahr für Leib und Leben der Bewohner" besteht. Das Urteil ist rechtskräftig. Im September 2021 berichtete der BR darüber, dass trotz des Verbotes weiterhin Menschen in den Wohnungen leben. Daraufhin war das Haus in Grombühl mehrfach Thema im Würzburger Stadtrat.

Unzumutbare Wohnbedingungen

Über die unzumutbaren Wohnbedingungen in dem Mietshaus hatte der BR schon im Februar 2020 berichtet. Ein ehemaliger Mieter hatte sich gemeldet und auf die Zustände aufmerksam gemacht: "Ich glaube, hier wird auf eine menschenunwürdige Art und Weise Geld verdient, auf dem Rücken derjenigen, die es sich nicht anders leisten können." Die Bewohner im Haus erzählten damals von viel zu kleinen Wohnungen, Schimmel und Wasser, das aus der Decke kam. Außerdem berichteten Mieter von defekten Brandschutztüren und kaputten Heizungen.

Neun Wohnungen in dem Haus sind auch heute noch vermietet. Sie sind nicht von der Nutzungsuntersagung betroffen.

In dieser Ein-Zimmer-Wohnung hat José Luis gelebt.
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In dieser Ein-Zimmer-Wohnung hat José Luis gelebt.

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