Milchtankstellen boomen in Bayern. Gab es 2016 noch 111 Stück, zählte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft im letzten Jahr bereits 243 Milchtankstellen - also mehr als doppelt so viele wie vor sechs Jahren. Gerade für viele Milchviehbetriebe sind sie eine wichtige Einnahmequelle. Vor allem in Stadtnähe können Landwirte mit Milchtankstellen stattliche Umsätze erzielen.
Vorzeige-Milchtankstelle in Aubing
Das motiverte auch Georg Koch in Aubing. Zusammen mit seiner Frau Steffi betreibt er den letzten Milchviehbetrieb im Münchner Stadtgebiet. Während in den letzten Jahren immer mehr Milchviehbetriebe in der Region aufgaben, gingen die Kochs bewusst in die Offensive. 2015 investierten sie über 1,5 Millionen Euro in einen neuen Kuhstall nach modernsten Standards - inklusive Hofladen und eben einer Milchtankstelle.
"Die Kunden, die Milch holen, kaufen auch im Hofladen ein. Es läuft auch sehr gut", sagt Georg Koch. Die Milchtankstelle ist direkt mit dem Frischmilch-Kühltank verbunden und bildet ein geschlossenes Kühl- und Reinigungssystem. Hygienischer geht es kaum. Die Behörden lobten die Milchtankstelle der Kochs bei der Inbetriebnahme als Vorzeigemodell. Doch jetzt wird sie zu einem Problem für den Landwirt.
Landwirt Georg Koch fürchtet um seine Milchtankstelle
Seit Anfang des Jahres gilt die Eichpflicht
Der Grund dafür ist die Eichpflicht. Die gilt nach einer fünfjährigen Ausnahmeregelung seit 2023 auch für Milchtankstellen. Bis 31. Dezember 2023 haben die Betreiber jetzt noch Zeit, ihre Anlagen in einen eich- und messrechtskonformen Zustand zu versetzen. Dann endet die finale Übergangsfrist.
Bis zum Ablauf der Frist finden keine gezielten Kontrollen von Milchtankstellen statt. Dann prüft das zuständige Eichamt im Zweijahresrhythmus. Zusätzlich verlangt das Eichrecht dann auch Belegdrucker für Milchtankstellen. Mit denen können sich Verbraucher dann Kassenbons ausstellen lassen. Neuere Modelle haben den Bon-Drucker in der Regel bereits integriert, ältere Modelle müssen jedoch oft nachgerüstet werden. Das kann abhängig vom Hersteller mehrere Tausend Euro kosten.
Gerade die Kassenbonpflicht stellt Georg Koch vor Probleme: "Ich würde gerne nachrüsten, wenn ich könnte. Es geht aber leider nicht. Ich habe auch nochmal mit dem Hersteller telefoniert." Ohne Belegdrucker ist die ehemalige Vorzeige-Milchtankstelle der Kochs nicht mehr rechtskonform. "Für uns ist die Milchtankstelle dann so nicht mehr zu betreiben." Eine neue koste zwischen 12.000 und 15.000 Euro, sagt der Landwirt. "Ich finde es schade, dass wir durch ein EU-Gesetz hier so ausgebremst werden."
Hoffnung auf Ausnahmeregelungen
Er hofft auf eine Ausnahmeregelung für seine Milchtankstelle. Dafür sammelt er bei seinen Kunden Unterschriften gegen die Eichpflicht. Über tausend kamen binnen drei Wochen schon zusammen. Rückendeckung bekommt Georg Koch auch vom Bayerischen Bauernverband. Der fordert: "Die Eichpflicht für Milchautomaten sollte in jedem Fall für die älteren Automaten, für die die Übergangsregelung Ende 2023 ausläuft, aufgehoben werden."
Der Bauernverband befürchtet, einige Betreiber der älteren Automaten könnten wegen der Bonpflicht aus der Direktvermarktung aussteigen. Darum will auch der BBV auf EU-Ebene eine pauschale Ausnahme für ältere Automaten erreichen. Jedoch teilt das Bayerische Wirtschaftsministerium auf BR-Anfrage mit, "generelle Ausnahmeregelungen entgegen der bundesrechtlichen Regelung sind nicht möglich".
Da viele Hersteller die Nachrüstung mit Belegdrucker kostenlos anbieten, sei auch keine staatliche Unterstützung der betroffenen Betriebe vorgesehen. Sollte Georg Koch seine Milchtankstelle also ohne Belegdrucker weiter betreiben, drohen ihm neben der Stilllegung auch empfindliche Bußgelder.
Kommen Einzelfalllösungen?
Ob Milchtankstellenbetreiber der Eichpflicht ab 2024 nachkommen, muss dann das Bayerische Landesamt für Maß und Gewicht (LMG) kontrollieren. Dort scheint man davon aber selbst wenig begeistert. "Das Bayerische Landesamt für Maß und Gewicht kann diese Entscheidung des Gesetzgebers nicht einfach ignorieren", schreibt die für die Kontrollen zuständige Behörde.
Das LMG sei sich bewusst, dass man über die Sinnhaftigkeit der Belegdrucker im Fall der Milchabgabeautomaten unterschiedlicher Auffassung sein könne. Darum werde das Landesamt die "rechtlich zur Verfügung stehenden Spielräume nutzen, um für jeden Einzelfall eine angemessene Lösung zu finden".
Wie eine solche Einzelfalllösung bei Georg Koch und seiner Milchtankstelle in Aubing konkret aussehen könnte, bleibt jedoch unklar. Stand heute muss sich der Landwirt in wenigen Monaten entscheiden: Zusperren oder erneut viel Geld in eine neue Milchtankstelle investieren.
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