Aschaffenburger können diesen Artikel ignorieren, denn in der Mainstadt sind elektrische Leih-Scooter prinzipiell untersagt. Aber in vielen anderen bayerischen Städten stehen oder liegen die E-Scooter vor allem morgens und an den Wochenenden in der Gegend herum: Feiernde haben sie nach der Fahrt achtlos in die nächste Hecke fallen oder mitten auf dem Geh- oder Radweg stehen lassen (sofern sie sie nicht gleich im nächsten Fluss versenkt haben).
"E-Scooter haben nicht die Mobilität verbessert, sondern behindern und gefährden Millionen Menschen" - so sieht das zumindest Roland Stimpel von der Fußgängerlobby Fuss e.V. "Sie werden regelwidrig auf Gehwegen gefahren und rücksichtslos abgestellt."
Bayerns Städte machen mobil
Immer mehr Städte haben dem Abstellchaos inzwischen den Kampf angesagt, andere arbeiten schon an einer Lösung. Vorreiter in Bayern ist Nürnberg: Etwa 6.000 Elektro-Tretroller von fünf Anbietern sind in der Frankenmetropole unterwegs und müssen nach der Fahrt "irgendwo" am Ziel abgestellt werden. Bayerns zweitgrößte Stadt will Ordnung ins Chaos bringen, indem sie etwa 290 Sammelparkplätze einrichtet, in der Innenstadt das Parken an anderen Stellen generell verbietet und zudem die Zahl der E-Scooter begrenzt.
München hat dem Mobilitätsreferat zufolge bereits vergangenes Frühjahr Abstellflächen für E-Tretroller geschaffen, allerdings nur 43. Auch die Stadt Augsburg arbeitet eigenen Angaben nach an einem ähnlichen Konzept.
In Münster gibt's Knöllchen
Nürnberg geht einen vielleicht entscheidenden Schritt weiter als etwa München, indem es nicht allein auf die Eigenverantwortung der Nutzer setzt, sondern die Verleihfirmen in die Pflicht nimmt. Diese benötigen laut Verkehrsplanungsamt künftig eine Sondernutzungserlaubnis. Darin müssen sich diese verpflichten, falsch geparkte Fahrzeuge innerhalb von sechs Stunden zu entfernen. Außerdem müssen sie Gebühren zahlen - und finanzieren so die Sammelparkplätze.
Auch Städte wie Leipzig, Frankfurt und Münster setzen auf eine Sondernutzungserlaubnis. So müssen in Münster die Anbieter für jeden Roller eine Gebühr zahlen und erhalten Strafzettel für falsch abgestellte Fahrzeuge, erläutert Ordnungsamtsleiter Norbert Vechtel. "Wir haben seit dem Frühjahr 2022 eine dramatische Verbesserung der Situation."
Auch die Stadt Frankfurt spricht von deutlichen Erfolgen, will aber noch technisch nachbessern lassen: Denn zu viele Roller landeten wegen des ungenauen Ortungssystems nicht auf, sondern nur in der Nähe der Parkplätze.
Städtetag fordert klare Rechtsgrundlage
Der Deutsche Städtetag sieht Bund und Länder mehr gefordert. "Wir brauchen klare Spielregeln", sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Dafür müssten alle Länder den Städten die Möglichkeit geben, für E-Scooter im öffentlichen Raum eine Sondernutzungsgenehmigung zu verlangen. Denn sonst bestehe für die Städte immer das Risiko, dass die Anbieter die Sondernutzung vor Gericht anfechten. Außerdem müsse der Bund die Straßenverkehrsordnung und die Verordnung für "Elektrokleinstfahrzeuge" anpassen.
Die Verleihfirmen müssen nach Ansicht von Dedy die Fahrerinnen und Fahrer besser kontrollieren. "Den Abstellort ihrer Scooter können die Verleiher meist sehr genau ermitteln", sagt er. Mit technischen Mitteln könnten diese verhindern, dass ein Scooter dort abgestellt wird, wo es verboten ist. Sie könnten sogar deren Geschwindigkeit in Parks und Fußgängerzonen automatisch drosseln - und so zur Verkehrssicherheit beitragen.
Zahl der Unfälle steigt
Zu einer gefährlichen Stolperfalle können die E-Scooter vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen werden. Seit deren Zulassung 2019 habe es zahlreiche Unfälle gegeben, kritisiert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband.
Doch auch während der Fahrt sind diese unfallträchtig. Im vergangenen Jahr kam es nach Angaben des Bundesamtes für Statistik von Januar bis November zu fast 7.800 Unfällen mit E-Scootern, bei denen Menschen verletzt wurden. Neun starben dabei sogar. Im Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 gab es rund 5.500 Unfälle mit Personenschaden. Auch in Bayern ist die Zahl der Unfälle gestiegen.
Betrunken am Lenker - und auf Abwegen
Die meisten der Verunglückten waren demnach relativ jung, waren falsch auf Straßen und Gehwegen gefahren und hatten häufig Alkohol getrunken. Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr ein E-Scooter-Fahrer, der mit 1,54 Promille bei Kahl am Main unterwegs war - auf der Autobahn und entgegen der Fahrtrichtung. Ein anderer düste mit zwei Promille durch ein Kulmbacher Einkaufszentrum. Dabei gelten beim Alkohol dieselben Promillegrenzen wie beim Autofahren, was der ADAC zuletzt als überzogen kritisierte.
Die Rechtslage
Einen E-Scooter darf fahren, wer mindestens 14 Jahre alt ist. Ein Führerschein ist nicht nötig, da die Höchstgeschwindigkeit maximal 20 Kilometer pro Stunde beträgt. Benutzt werden müssen dabei vorrangig Radwege. Wo keine sind, muss die Fahrbahn genutzt werden. Der Gehweg ist verboten. Auf einem E-Scooter darf immer nur eine Person fahren.
Was die Verleihfirmen tun
Auch die Verleihfirmen wollen das Unfallrisiko minimieren. Über die App erinnern sie zum Beispiel an geltende Regeln, heißt es auf der Plattform Shared Mobility, zu der sich drei größere Anbieter zusammengeschlossen haben. In vielen Städten müssen die Fahrerinnen und Fahrer ab dem späten Abend einen Alkohol-Reaktionstest bestehen, bevor sie einen E-Scooter leihen können - und nach der Fahrt mit einem Foto beweisen, dass der Roller ordentlich geparkt ist. Außerdem haben die Anbieter eine zentrale Anlaufstelle für Beschwerden geschaffen.
Mit Informationen von dpa
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