Vergangenes Jahr sind in Augsburg immer wieder Bäume umgefallen oder haben große Äste verloren. Manchmal war daran die Trockenheit schuld. Wenn in der Stadt demnächst neue Bäume gepflanzt werden, dann wird der Erde Technik beigemischt: Sensoren, die den Wassergehalt des Bodens messen. Wird es zu trocken, geht eine Meldung an die Zentrale. Darin wird übermittelt, wie viele Liter Wasser der jeweilige Baum benötigt. Dann wird für das Gießfahrzeug eine Route zusammengestellt – zu allen Bäumen, deren Sensoren "Durst" gemeldet haben.
Mit diesem "digitalen Gießmanagement" sollen insgesamt 920 neu zu pflanzende Bäume ausgestattet werden: 70 bis 100 in der Innenstadt und 850 im neuen "Innovationspark", einer früheren landwirtschaftlichen Nutzfläche. Ein Baum kostet in der Innenstadt rund 15.000 Euro. Denn neben der Sensorik braucht es Leitungen, für die das Pflaster aufgebrochen werden muss. 9,5 Millionen Euro kostet das Projekt insgesamt, mit acht Millionen Euro zahlt der Bund den größten Teil.
Stadt-Bäume fallen einfach um - oft ohne ersichtlichen Grund
Es ist ein Anfang. Aber wenn man so will, auch nur ein Tropfen auf den heißen Baum. Denn um mehr Bäume mit dem System auszustatten, brauche es auch mehr Geld, sagt Augsburgs Umweltreferent Reiner Erben von den Grünen. Zur Einordnung: Rund 70.000 Bäume hat die Stadt inzwischen digital erfasst. Insgesamt dürften es bis zu 120.000 sein. Die knapp 1.000 bewässerten Bäume werden das Problem also nicht lösen – ein Problem, das immer augenscheinlicher wird.
Im vergangenen Sommer stürzten an einem beliebten Ruder-See gleich mehrere Bäume um: wegen der langen Trockenheit, erklärte die Stadt, deren Baumkontrolleure einen zunehmend schwierigen Job haben. Bei Phänomenen wie dem Grünastbruch reißen bei großer Hitze plötzlich große, waagerecht abstehende Äste ab – ohne dass die Kontrolleure dies im Vornhinein erkennen könnten. Bei einer umgestürzten Robinie konnten selbst Experten nicht eindeutig sagen, warum der Baum umfiel. Auch die Untersuchung im Anschluss förderte keine Krankheitszeichen zutage.
Expertin befürchtet in Zukunft "Steppensommer"
In ganz Bayern gibt es wohl niemanden, der sich mit solchen Problemen so intensiv beschäftigt wie Susanne Böll. Bei der Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) leitet sie den Arbeitsbereich "Urbanes Grün". Grundsätzlich bewertet sie Bewässerungssysteme wie in Augsburg als guten Schritt. Doch es ist nur ein Aspekt von vielen.
Auf die Bäume und Sträucher in Bayerns Städten sieht Böll enorme Herausforderungen zukommen: "Was 2015 ein Jahrhundertsommer war, wird Normalität werden. Wir werden 'Steppensommer' haben, mit weniger als rund 300 Millimetern Niederschlag pro Quadratmeter in der Vegetationsphase."
Grünstreifen als Überlebensversicherung für die Bäume
Das ist gewissermaßen das Problem von oben. Doch es gibt auch ein Problem von unten: die Pflanzgrube. "Die Bäume, die dem Ökosystem am meisten bringen, sind die großen Bäume. Doch damit ein Baum groß werden kann, brauchen auch seine Wurzeln Platz", so Böll. Und zwar viel mehr, als sie in den Städten üblicherweise haben.
Wenn neue Bäume gepflanzt würden, seien die Gruben meist viel zu klein. Und selbst wenn Platz gewährt werde, sei der Untergrund durch angrenzende Gebäude und Straßen oft so verdichtet, dass die Wurzeln kaum Spielraum haben. "Das ist wie ein Blumentopf", kritisiert Böll. Ganz entscheidend sei deshalb, den Bäumen zumindest einen Grünstreifen zu gewähren, so dass die Wurzeln wenigstens in zwei Richtungen frei wachsen können.
Ein unerwarteter Nebeneffekt: In den Kronen von Bäumen, die auf einem Grünstreifen gepflanzt wurden, finden sich viele Insekten, darunter sogar Wildbienen. Der Grund: Ein Grünstreifen bietet am Boden unversiegelten Grund, in dem die Tiere beispielsweise Nistplätze finden.
Konkurrenz um Stadt-Flächen
"Wir brauchen nicht drumherum reden. Es gibt eine Flächenkonkurrenz", sagt Augsburgs Umweltreferent. Aber inzwischen werde es leichter, Raum für die Natur einzufordern. "Alle merken, dass durch das Aufheizen der Städte mehr Raum für Bäume nötig ist. Aber wir sind da immer noch am Anfang der Diskussion. Dabei müssen wir jetzt handeln."
Letztlich geht es immer darum, Bäumen Lebensraum zu verschaffen. Flächen müssten entsiegelt werden, damit auch Regenwasser ins Erdreich einsickern kann und dort auch gegebenenfalls gespeichert wird – etwa durch so genannte Rigolen, so Böll. Das sind unterirdische Wasser-Reservoirs. Denn Gießsysteme seien das eine. "Das andere ist die zunehmende Wasserknappheit. Die Städte müssen beides in den Griff bekommen", sagt Böll. In Augsburg wollen sie für die Gießfahrzeuge gesammeltes Regenwasser oder Grundwasser verwenden.
Warum jede Region eine Baumschule haben sollte
Und noch einen Tipp hat die Forscherin: Jede Stadt solle am besten eine eigene Baumschule betreiben. "Wir stellen fest, dass sich Jungbäume auch in Deutschland je nach Standort anders entwickeln. In Würzburg haben sie zum Beispiel deutlich dickere Stämme als in Kempten. Weil die Bäume erkennen, dass es in Würzburg trockener ist als in Kempten." Diese heimisch aufgezogenen Bäume sind also resistenter und melden seltener Durst ans intelligente Gießsystem.
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