Kleine Salatpflanzen in Anzuchttöpfen
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So ähnlich könnte es eines Tages im Pflanzcontainer der Technikerschule Mindelheim aussehen.

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Diese Unterallgäuer Klimaschule erforscht "Vertical Farming"

Landwirtschaft nach oben: Der Pflanzenanbau der Zukunft könnte in eine ganz andere Richtung gehen als bisher – nämlich vertikal. Die Technikerschule in Mindelheim möchte die Methode testen – und bis nach Uganda bringen.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Versiegelte Flächen, kein Platz und wenig Wasser: Vielerorts muss die Landwirtschaft um ihr Kerngeschäft kämpfen – den Anbau von Pflanzen und Nahrungsmitteln. Eine Lösung könnte "Vertical Farming" (englisch) sein, also das "in die Höhe pflanzen". An der Technikerschule Mindelheim läuft gerade ein Schulprojekt genau zu diesem Thema. Die besondere Herausforderung dabei: Die Schülergruppe will im Sinne der Klimaschule besonders nachhaltig arbeiten.

Schüler: "Wir kriegen ein Platzproblem"

Die Zukunft des Ackerbaus wird in einem Container erforscht, der auf der sogenannten Schwabenwiese in Mindelheim steht. Das elfköpfige Team der Technikerschule will dort ein Pflanzenprojekt hochziehen – wortwörtlich. "Grund und Boden sind nicht vermehrbar, wir werden aber mehr Menschen und kriegen über kurz oder lang ein Platzproblem auf unserem Planeten", erklärt Schüler Michael Anwander den Anlass für das Projekt.

Das Ziel: Pflanzen rund um die Uhr versorgen

Was auf den ersten Blick nicht nach einem Thema für angehende Technikerinnen und Techniker klingt, ist mit hohem technischem Aufwand verbunden. Nikolai Mutter war im Zuge eines Referats auf das Thema "Vertical Farming" gestoßen, ihr Interesse galt vor allem der Technologie dahinter: „"Weil’s halt was Neues ist, was man so davor noch nicht hatte." Aus dem Referat entstand eine Projektarbeit. Das Ziel: Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Pflanzen, ohne dass ein Mensch sich übermäßig einbringen müsste. Um zu testen, wie das geht, gestaltet die Schülergruppe momentan einen ausrangierten Baucontainer um.

Warum es beim Vertical Farming keine Erde gibt

Entkernt ist der Container schon größtenteils, als nächstes muss der feuchte Boden raus und auch die Wände müssen neu gedämmt werden. Künftig sollen in dem Container drei Regalreihen stehen, unter denen Rohre verlegt sind, in denen die Pflanzen wachsen. Erde wird es dort nicht geben, stattdessen stehen die Pflanzen im Wasser. Eigentlich sollte das Projekt zu diesem Thema in eine ganz andere Richtung gehen: "Die ursprüngliche Idee war, dass man für die in Uganda so ne Art Tröpfchenbewässerung macht", erklärt Schüler Alex Martin, "und daraus hat sich die Idee verselbständigt, dass man so einen Container eben bauen könnte. Uns hat die Herausforderung angesprochen, weil es eben nicht so ein übliches Schulprojekt ist."

Bildrechte: BR / Doris Bimmer
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Hier soll die "Vertical Farm" der Mindelheimer Technikerschule entstehen.

Aus dem Unterallgäu nach Uganda

Mit Uganda verbindet die Mindelheimer Technikerschule ein Partnerprojekt, das Lehrer Karl Geller betreut: "Die ganze Sache war so gedacht, dass wir einen Parallelcontainer in Afrika aufbauen und entsprechende Untersuchungen machen, was die Pflanzen anbelangt, weil wir die Unterschiede herausarbeiten wollten, wie Landwirtschaft in Afrika funktioniert und wie Landwirtschaft in Deutschland funktioniert." In Mindelheim entsteht also der Prototyp, der eines Tages möglicherweise in Uganda verwendet wird. "Weil die Umweltbedingungen da nicht ganz so günstig sind wie bei uns", ergänzt Michael Anwander. Mitte Juli will eine 17-köpfige Gruppe der Mindelheimer Schule nach Uganda fliegen und dort entsprechende Vorbereitungen für einen möglichen Pflanzcontainer treffen.

Wissenschaft: Vertical Farming auf der ganzen Welt

Wie sinnvoll Vertical Farming ist, erforscht unter anderem die Technische Universität (TU) München. Wissenschaftler Asseng Senthold erklärt, warum die Methode eigentlich überall angewendet werden kann: "Man kann die Sachen hinbauen, wo man viel billige, nachhaltige Energie produzieren kann." Das erleichtert es, nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben und sogar mehr Biodiversität zu erzeugen. Erprobt wird "Vertical Farming" zum Beispiel seit rund zehn Jahren in der Stadt Singapur, weil dort die Anbauflächen fehlen.

Wo Vertical Farming künftig eine Rolle spielt

Künftig könnte die Methode auch für den arabischen Raum interessant werden, so Senthold. Dort müssen ukrainische Getreidelieferungen ersetzt werden und es gibt eine Menge Solarenergie. Wasser ist wiederum Mangelware. Beim Vertical Farming wird aber nur ein Bruchteil des Wassers wie im herkömmlichen Landbau benötigt, weil es zirkuliert und wiederaufbereitet wird.

Auch in dem Pflanzcontainer in Mindelheim soll das eines Tages so funktionieren. Das Wasser wird mit einem eigens konstruierten Filter gereinigt und mit Dünger versetzt. Die notwendige Energie will das junge Team – sie sind zwischen 22 und 26 Jahre alt – mit einer Solaranlage erzeugen, die Solarmodule dafür haben sie geschenkt bekommen.

So funktioniert die "Vertical Farm" in Mindelheim

Was künftig in den Container kommt, haben die Schülerinnen und Schüler in der Zwischenzeit im Schulkeller als Modell aufgebaut. In handelsübliche Kunststoff-Röhren haben sie alle paar Zentimeter ein Loch gebohrt und ein Pflanzenkörbchen eingesetzt. Durch das Rohr fließt Wasser – und sonst nichts. "Wir sind letztlich doch beim Wasser geblieben, weil es keinen Dreck macht, es umweltfreundlich ist, weil wir dadurch einen geringen Wasserverbrauch haben und anscheinend funktioniert es auch. Wir waren auch skeptisch am Anfang, aber nach mehreren Versuchen und durch unseren Dünger funktioniert's."

Michael kümmert sich vor allem um das Bewässerungssystem und den Wasserfilter, Dunja und Nikolai um die Pflanzen. "Das war komplett neu. Wir haben alle technische Berufe gelernt, Industriemechaniker, Produktdesigner, Zerspanungsmechaniker", erinnert sich Michael, "wir hatten von Pflanzen, vielleicht außer im privaten Bereich, keine Ahnung." Nach anfänglichen Rückschlägen dauert es drei Monate, bis in der Anlage tatsächlich etwas wächst – zum Beispiel der Spinat.

Welche Vorteile das nachhaltige Schulprojekt bringt

"Vertical Farming" als Schulprojekt, das bietet einen entscheidenden Vorteil gegenüber einem kommerziellen Versuch – zum Beispiel in einem profitorientierten Startup, erklärt Lehrer Alexander Baum: "Es ist natürlich unwahrscheinlich teuer. (…) Und mit der Aktion ist es eben genau andersherum. Wir haben ein sehr kleines Budget." Nichtsdestotrotz sind die Schülerinnen und Schüler hochmotiviert – und das auch, obwohl sie wissen, dass das Projekt nicht in ihrer Zeit an der Technikerschule zum Abschluss kommen wird.

Nachfolgende Jahrgänge werden die "Vertical Farm" vollenden und schließlich betreiben. Entscheidend ist für sie vor allem die Relevanz ihres Projekts, erklärt Dunja: "Es ist wichtig für die Zukunft. Weil wir weniger Fläche haben und irgendwann keine Nahrungsmittel mehr haben, wenn wir es nicht umsetzen werden." Und Michael ergänzt: „Nachhaltigkeit muss einfach sein, weil der Mensch ist bequem.“

  • Zum Artikel: Global Food Summit: Warnung vor Hungersnöten

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