Roswitha Stöpfel bei der Weichselernte an der Weichselallee bei Veitriedhausen.
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Roswitha Stöpfel bei der Weichselernte an der Weichselallee bei Veitriedhausen.

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Die Schwäbische Weinweichsel: Selten gewordene Köstlichkeit

Die Schwäbische Weinweichsel: Selten gewordene Köstlichkeit

Klein, fein, dunkelrot, saftig und sauer: Das ist die Schwäbische Weinweichsel. Eine Sauerkirschart, die es immer seltener gibt. Dabei schmeckt sie ausgezeichnet und ist vielseitig verwendbar. Wenn man weiß, wie.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Heute ist Weichselernte: Mit einem Eimer in der Hand läuft Roswitha Stöpfel zielstrebig auf einen der vielen Weichselbäume an der Straße zwischen Veitriedhausen und Gundelfingen im Landkreis Dillingen zu. Dabei hat sie außerdem einen Haken, um den Eimer an den Baum zu hängen – und Einmalhandschuhe: Die dunkelroten Weichseln sind prall gefüllt, der Fruchtsaft färbt stark ab. Die Bäume hängen voll: Die Kirschernte aller Arten fällt heuer bayernweit sehr unterschiedlich aus. Hier in Nordschwaben hängen viele Bäume voll mit den roten Früchten – auch die Schwäbischen Weinweichseln.

Weichselbäume werden zur Ernte versteigert

Jetzt hat Roswitha Stöpfel Baum Nummer 29 erreicht: In diesem Jahr ist das ihr Baum. Sie hat ihn ersteigert. Jedes Jahr Ende Juni, Anfang Juli, versteigert der örtliche Gartenbauverein, der sich um die Pflege der vielen Weichselbäume an der Straße zwischen Veitriedhausen und Gundelfingen kümmert, die Bäume. Oder besser gesagt: Die Früchte auf den Bäumen. Neun Euro hat ihr Baum gekostet. "Das ist billig", sagt Roswitha Stöpfel lächelnd und pflückt und pflückt. Oder "brockt", wie man im Schwäbischen sagt.

Hier, im Schwäbischen, ist die Schwäbische Weinweichsel nämlich heimisch. Ganz besonders viele dieser Sauerkirschbäume gab es früher im Landkreis Dillingen. Als Kind habe ihre Mutter in der Erntezeit jeden Nachmittag bei den Bäumen verbracht, erzählt Roswitha Stöpfel. "Die hatte eine Glocke dabei, und nach der Schule ist sie zu den Weichseln. Da hat sie sogar ihre Hausaufgaben gemacht. Und wenn die Stare kamen, hat sie die Glocke geläutet, um sie zu vertreiben".

Schwäbische Weinweichsel immer seltener

Roswitha Stöpfel würde sich freuen, wenn wieder mehr Menschen die Schwäbische Weinweichsel in ihren Gärten anbauen würden. Die Böden im Schwäbischen Donautal seien dafür ideal, die Weichsel gedeihe hier vorzüglich, sagt sie. Etwa 30.000 Bäume dieser Sauerkirschen-Art gab es hier noch vor Jahrzehnten, inzwischen aber ist die Schwäbische Weichsel fast schon eine Seltenheit geworden. Dabei schmecken diese besonderen Kirschen nicht nur den Staren gut.

Sie sind zwar klein, haben nicht so viel Fruchtfleisch wie Süßkirschen, sind außerdem recht sauer, aber sehr saftig, und vor allem vielseitig verwendbar. Saft, Rumtopf, Marmelade, Likör, Weichselnudeln: Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Dennoch: Die Verarbeitung braucht Zeit, schon das Pflücken dauert, und im Rohzustand schmecken Süßkirschen dann wohl doch vielen besser. Das könnte ein Grund sein, warum es immer weniger Schwäbische Weinweichseln gibt.

Roswitha Stöpfel setzt sich für den Erhalt dieser Obstart ein, die sie so liebt. Als "Botschafterin der Weinweichsel" versteht sie sich. Ihr Gästehaus am Ortsrand von Veitriedhausen heißt deshalb "Haus der Weichsel", im Haus finden sich überall Fotos von Weichseln, die Gäste können sich auf selbst eingemachte Weichselmarmelade oder ein Weichsellikörchen freuen. Für ihren Weichsellikör hat Roswitha Stöpfel sogar schon mal einen Preis gewonnen.

Kompott, Saft, Marmelade, Likör

Inzwischen hat Roswitha Stöpfel ihren Eimer voll. Heute will sie daraus Weichselkompott machen. Der Vorteil: Dafür muss man die kleinen Kirschen nicht mal entkernen. Ist das für andere Zubereitungen, wie etwa als Marmelade, nötig, drückt man die Kerne am besten mit den Fingern aus der Kirsche. Sammelt man die Kerne, lassen sich daraus Kirschkernkissen zubereiten. Erwärmt sind die nützlich, etwa bei Bauchweh als eine Art Wärmflasche. Heute aber bleiben die Kerne drin: Die Weichseln werden lediglich gewaschen, Stiele und Blätter entfernt.

Während Roswita Stöpfel die Stiele abzupft, kocht auf dem Herd ein Topf mit Zuckerwasser. "Ich nehme dafür Einmachzucker, der ist etwas gröber, und zwar regionalen. Zum Glück haben wir ja in Rain am Lech ein Zuckerwerk", sagt Roswitha Stöpfel und rührt einmal kurz im Topf. Wie viel Zucker für wie viele Früchte steht auf der Packung, sie nimmt fürs Kompott meist gut halb so viel Zucker wie Früchte. "Der Zucker hat ja auch was mit der Haltbarkeit zu tun. Zu wenig Zucker ist deshalb auch nicht gut", sagt die erfahrene "Weichselverarbeiterin".

Geheimtipp: Eine Messerspitze Bourbonvanille ins Kompott

Die gewaschenen Weichseln füllt sie dann in Gläser, gibt eine Messerspitze gemahlene Bourbonvanille dazu und gießt das heiße Zuckerwasser über die Früchte. Ein kleiner Rand sollte oben noch sein, denn beim Erhitzen dehne sich das ja alles aus, sagt sie – und hat noch einen Tipp: "Früher habe ich oben den Rand immer ganz sauber abgeputzt, wenn ein bisschen Zuckerwasser dran war. Das ist etwa bei Marmelade schon wichtig, aber hier macht es gar nichts, wenn noch ein bisschen Zucker dran klebt. Spart man sich schon wieder Arbeit".

Sie verwendet übrigens Schraubgläser, die Gläser sowie die Deckel hat sie vorher gründlich ausgekocht, damit sie auch möglichst steril sind. Die Kirschen in den Gläsern werden dann im Weckautomat für etwa 30 Minuten bei 90 Grad eingekocht. Das geht auch im Backofen: Dafür die fest verschlossenen Gläser in ein Wännchen mit Wasser stellen und ebenfalls einkochen.

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Roswitha Stöpfel mit ihrem Weichselkompott

Das Obst ist so mindestens zwei Jahre haltbar. "Die Erfahrung zeigt, eigentlich sogar länger", sagt Roswitha Stöpfel, "vorausgesetzt, man hat das Kompott nicht schon aufgegessen, weil es so lecker ist". Am liebsten mag sie das Weichselkompott mit Schokopudding. Es schmeckt aber auch pur oder zu Eis.

Und noch einen Tipp hat die schwäbische Weichselspezialistin: Wer ein bisschen was drumherum mag, sollte Weichselnudeln probieren. Auch für die muss man die Kerne nicht entfernen. Deshalb heißen sie auch Spucknudeln. Einfach einen Hefeteig ansetzen, kleine Portionen abstechen und sieben bis acht Weichseln in die Mitte, zuklappen und backen.

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Reife Weinweichseln

    Rezept-Tipp von Roswitha Stöpfel: Weichselnudeln
  • 500 g Mehl
  • 1 Würfel frische Hefe
  • 75 g Zucker
  • knapp 250 ml Milch
  • 80 g zimmerwarme Butter
  • 2 Eier
  • 1 Prise Salz
  • 1 Vanillinzucker
    Alles gut verkneten, 1 Stunde gehen lassen. Gibt je nach Größe 8-12 Weichselnudeln. Teig abstechen, in die Mitte 7-8 Weichseln setzen, oben wieder schließen. Die Nudeln in eine vorher eingefettete Auflaufform setzen, danach mit etwa 1 EL zerlassener Butter bestreichen und etwas Zucker darüber streuen, mit Eigelb und Wasser bestreichen. 180 Grad bei Ober- und Unterhitze backen. Beim Essen aufpassen und die Kerne ausspucken.

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