Kurz vor dem Start des Festzugs: die lange als verschollen geglaubte Wallburgglocke auf einem festlich geschmückten Handkarren.
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Kurz vor dem Start des Festzugs: die lange als verschollen geglaubte Wallburgglocke auf einem festlich geschmückten Handkarren.

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Die Rückkehr der verschollenen Wallburgglocke von Eltmann

Am Sonntag war ein großer Tag für Eltmann, denn da ist eine fast 600 Jahre alte Glocke wieder zurück an ihren ursprünglichen Ort gekommen. Sie galt lange als verschollen und wurde jetzt vom lokalen Heimatverein wiederentdeckt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Mit der Rückkehr der Wallburgglocke in den alten Glockenturm der ehemaligen Wallburg findet eine verrückte Heimatgeschichte ihren feierlichen Abschluss. In einem bunt geschmückten Festzug wurde die Wallburgglocke auf einem Handkarren hinauf zur Wallburg in Eltmann (Lkr. Haßberge) gezogen. Im Schlepptau die Feuerwehr, die Blaskapelle und die Kindergartenkinder in historischen Kostümen. Im September 2017 hat die verrückte Suche nach der Glocke ihren Anfang genommen.

Wo ist eigentlich die Glocke abgeblieben?

Damals, am Tag des Denkmals, trafen sich die Mitglieder des Heimatvereins auf der Wallburg zu einem kleinen Umtrunk. Und aus dieser Bierlaune heraus ist die Frage aufgekommen, was denn eigentlich aus der alten Wallburgglocke geworden ist. Die Glocke ist ein Phantom, das man kennt, ohne sie je gesehen zu haben.

Es gibt sogar einen Roman über sie: "Das Irrglöcklein der Wallburg" von den beiden Eltmanner Bürgern Hans Seibold und Theodor Wanke aus dem Jahr 1979. Nach dem Umtrunk war das Interesse für die alte Geschichte neu geweckt. "Wir haben überall nachgeforscht, im Internet und so weiter", erzählt Rainer Reitz vom Heimatverein. "Bis wir auf ein altes Buch aus dem Jahr 1920 gestoßen sind, den sogenannten deutschen Glockenatlas. Und im Glockenatlas steht diese Glocke drin von 1448. Eigentlich das älteste greifbare Geschichtsstück vom Landkreis Haßberge."

Glocke ist schon fast 600 Jahre alt

Gegossen wurde die Wallburgglocke damals von Magister Albertus Eulensmit aus Kulmbach, der eine Gießerei in Forchheim betrieb. In Auftrag gegeben vom damaligen Burgherren der Wallburg als Signalglocke für Feuer, Sturm, Krieg, Tod oder Geburt. Diese Burg war ein Amtssitz des Bistums Würzburg und diente damals der Steuererhebung für Eltmann und Umgebung. 1777 wurde die Wallburg als Amtsburg aufgelöst und das alte Gemäuer den Bürgern von Eltmann als Steinbruch zur Verfügung gestellt.

Deshalb steht von damals nur noch der Glockenturm. Die Wallburgglocke selbst startete damals ihre jahrhundertelange Odyssee. Sie kam zunächst in die Stadtpfarrkirche, passte aber klanglich überhaupt nicht zum restlichen Geläut und wurde eingemottet. Nach weiteren Stationen landete sie als Totenglocke auf dem Friedhof und irgendwann in der Kriegergedächtniskapelle.

Jahrzehntelang verschollen, immer wieder vergessen

Immer wieder geriet sie in Vergessenheit, auch weil niemand in Eltmann Aufzeichnungen besitzt. "Das ist vielleicht auch bedingt durch den Zweiten Weltkrieg, weil Eltmann das Kugelfischer-Werk hatte. Deshalb hat man alle wichtigen Dokumente und Urkunden nach Würzburg ausgelagert, damit sie nicht beschädigt werden", erzählt Rainer Reitz. "Man ging nämlich davon aus, dass Eltmann schwer bombardiert wird. Leider war das Gegenteil der Fall: Würzburg ist schwer bombardiert worden, Eltmann ist nahezu verschont geblieben. Jetzt ist natürlich alles, was mit der Wallburg zu tun hat, vernichtet worden."

Lange ist unklar, ob die Glocke überhaupt noch existiert. Die Heimatforscher wühlten sich durch ein paar wenige verbliebene Dorfchroniken und machten sich auf die Suche. Irgendwann kletterten sie in den engen Turm der Kriegergedächtniskapelle und wurden fündig.

Entdeckung in Kriegergedächtniskapelle

Die fast 600 Jahre alte Wallburgglocke existierte tatsächlich und funktionierte sogar noch. Zur Freude von Bürgermeister Michael Ziegler, dem heutigen Eigentümer. "So etwas erlebt man nur einmal im Leben eines Bürgermeisters. Da sind wir schon wirklich stolz darauf, ich habe gar nicht gewusst, dass sie überhaupt noch existiert. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass wir eine Wallburgglocke hatten. Deswegen war es für mich total überraschend und wirklich eine tolle Geschichte", sagt der Bürgermeister. Damit die 85 Kilogramm schwere Wallburgglocke wieder so schön und hell erklingt, war einiges an Restaurierungsmaßnahmen nötig. Arbeiten, für die der Heimatverein viele ehrenamtliche Kräfte mit Sachverstand und handwerklichem Geschick verpflichten konnte.

Ehrenamtliche Hilfe von Handwerkern aus Eltmann

Eine Reparatur in einer professionellen Glockenwerkstatt hätte den kleinen Verein 8.000 Euro gekostet. "Wir haben viele Handwerker in unserem näheren Umkreis, die echt stolz darauf waren, diese Glocke herrichten zu dürfen" so Rainer Reitz vom Heimatverein. "Die haben das wirklich für einen Apfel und ein Ei gemacht. Vom Schlosser, vom Schweißer, derjenige, der die glasperlengestrahlt hat, der das Joch gebaut hat, der den Klöppel wieder hergerichtet hat." Außen am Turm wurde die Glocke dann mit einem Flaschenzug und viel Muskelkraft 28 Meter in die Höhe gezogen und dort abgestellt. Bis sie dort dann auch wieder läuten kann, werden aber vermutlich noch einige Jahre vergehen, denn der Glockenturm ist noch besetzt.

Glockenturm ist noch besetzt

"Wir können sie noch nicht läuten, weil ganz oben im Wallburgturm noch eine Art Technikzimmer ist", erklärt der Vorsitzende vom Heimatverein. "Das ist noch von der Telekom mit Funk und Digitalfunk für Feuerwehr und Polizei belegt. Der Mietvertrag läuft erst 2027 aus. Dann können wir den Wallburgturm wieder so rekonstruieren, wie er früher eigentlich war. Und dann kann man auch die Glocke in einen richtigen Glockenstuhl einbauen und läuten." Diese Wartezeit ist zwar nicht optimal, passt aber irgendwie zu der verrückten Geschichte der Wallburgglocke.

Zukünftiges Ausflugsziel

Ein lange vergessenes Stück Zeitgeschichte, das der Heimatverein von Eltmann wieder ausgegraben und aufpoliert hat. Die Wallburg will der Heimatverein in den nächsten Jahren zu einer touristischen Attraktion ausbauen. Mit Führungen, einem alten Brunnen, Imbiss und eben auch mit der historischen Glocke.

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