Der "Marsch für das Leben" ist umstritten. Dennoch versammelten sich am Samstag etwa 3.900 Teilnehmer für die Kundgebung am Münchner Königsplatz, wie die Polizei dem BR am Abend mitteilte. Rund 4.000 Teilnehmer hatten die Veranstalter angemeldet.
Unweit des Königsplatzes, an der Katharina-von-Bora-Straße, fand eine Gegendemonstration statt, die das "Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung München" organisiert hat. 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren angemeldet, laut Polizei kamen 100 Personen.
Religiöse Vereine werben bei "Marsch fürs Leben"
Um gegen die Abtreibung zu demonstrieren, waren Menschen aller Altersgruppen, darunter auch viele Familien mit Kindern, auf dem Königsplatz zusammengekommen. "Wir setzen ein fröhliches Zeichen für eine Kultur des Lebens, das heißt für den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende", so die Organisatoren über das Motto der Veranstaltung.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hielten Transparente in den Händen, auf denen beispielsweise stand: "Mutter werden - mehr Frau sein geht nicht". Es gab zudem mehrere Informationsstände, wo auch für religiöse Vereine und Zeitschriften geworben wird. Ein Teilnehmer der Demo verteilte Flyer, "um Jesus besser kennenzulernen".
Demonstrantinnen wollen sich für "Ungeborene" einsetzen
Insgesamt verlief die Demonstration weitgehend störungsfrei, das Sicherheitsaufgebot mit 370 Einsatzkräften der Polizei war hoch. An den Eingängen standen zudem mehrere Kommunikationsteams der Polizei, um beispielsweise Fragen der Demo-Teilnehmenden zu beantworten.
"Wir sind hier, um uns für die Ungeborenen einzusetzen, weil sie sich selbst noch nicht einsetzen können und weil jedes Kind ein Recht auf Leben hat", sagte eine junge Frau. Und ihre Begleiterin ergänzte: "Wir sind die Stimme der Stillen, weil die ungeborenen Babys noch nicht reden können, sich noch nicht einsetzen können für ihr Recht auf Leben. Deshalb machen wir das jetzt. Wir wollen auch die Mütter, die Familien und die Väter stärken, sich für das Leben zu entscheiden und dass sie auch wissen, dass sie Unterstützung bekommen, wenn sie Hilfe brauchen oder in Schwierigkeiten sind."
- Zum Artikel: Schwangerschaftsabbrüche in Bayern immer noch schwierig
Lebensschutz-Aktivisten bei "Marsch für das Leben"
Beim "Marsch für das Leben" treffen sich radikale Lebensschutz-Aktivisten, die sich "gegen Abtreibung, Euthanasie und alle anderen Angriffe gegen das menschliche Leben" stellen – so steht es auf der Webseite des Veranstalters, dem Verein "Stimme der Stillen".
Der Verein will "für eine Kultur des Lebens eintreten", sagte Vereinsvorsitzende Silja Fichtner auf BR24-Anfrage. "Es werden sich sicherlich aber auch viele Menschen einfinden, um konkret gegen die Bestrebungen der Bundesregierung zur Legalisierung der Abtreibung zu demonstrieren."
Ministerin gegen § 218 und für "reproduktive Selbstbestimmung"
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat vor Kurzem das Vorhaben der Ampel-Regierung bekräftigt, Paragraph 218 im Strafgesetzbuch abzuschaffen, wonach Abtreibung (außer den im Absatz a gelisteten Ausnahmefällen) "mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe" bestraft wird.
Der Ministerin geht es mit der geplanten Abschaffung "um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung und um das Recht über den eigenen Körper zu entscheiden".
Der Verein "Stimme der Stille" lehnt die Forderung der Bundesfamilienministerin ab. "Wir halten es für einen Skandal, dass eine Bundesfamilienministerin unsere Rechtsordnung derart angreifen möchte, indem bestimmte Taten gegen das Leben legalisiert werden sollen", so die Vorsitzende Silja Fichtner. Weil aber "das Töten Unschuldiger" nicht erlaubt sei, sei auch Abtreibung "zu recht" rechtswidrig, ausnahmslos.
"Verbot verhindert Schwangerschaftsabbrüche nicht"
Demgegenüber sagte Rita Klügel vom Verein "Donum Vitae": "Aus langjähriger Beratungserfahrung heraus können wir sagen, dass Schwangerschaftsabbrüche durch ein striktes Verbot nicht verhindert werden." Der bundesweite Verein "Donum Vitae" betreibt in Bayern 20 staatlich anerkannte Beratungsstellen für Schwangere und lehnt den "Marsch für das Leben" entschieden ab: wegen dessen "einseitiger Orientierung".
Mit Schlagworten wie "Euthanasie" oder "Angriffe gegen das menschliche Leben" werden laut Klügel "Betroffene in einer Krisensituation, in der Entscheidungssituation des Schwangerschaftskonfliktes nicht erreicht".
Erzbistum beteiligt sich nicht am "Marsch für das Leben"
Hervorgegangen ist "Donum Vitae" um die Jahrtausendwende aus dem Konflikt der Katholischen Kirche in Deutschland mit dem Vatikan. Streitpunkt war die Frage, ob "Donum Vitae" als damals kirchliche Einrichtung den so genannten Beratungsschein ausstellen darf, der nach gesetzlicher Regelung notwendig ist, um abzutreiben. Der Vatikan sagte: nein. Seither ist "Donum Vitae" mit seiner "doppelten Anwaltschaft für Mutter und Kind", wie der Verein es nennt, keine kirchliche, aber christlichen Werten verpflichtete Anlaufstelle für Schwangere in Konfliktsituationen – und stellt den Beratungsschein aus.
Das tun die Beratungsstellen des Münchner Erzbistums nicht. Allerdings beteiligt sich das Erzbistum offiziell auch nicht am "Marsch für das Leben", wiewohl die katholische Kirche Abtreibung strikt ablehnt. Für Aufsehen sorgte zuletzt Papst Franziskus, als er Abtreibung im vergangenen Sommer mit Auftragsmord verglich. Auf Anfrage teilte das Bistum ohne Angaben von Gründen mit: "An der Organisation oder Durchführung des 'Marsches für das Leben', der am Samstag in München stattfand, ist die Erzdiözese nicht beteiligt." Der Gottesdienst, der am Morgen in einer katholischen Pfarrei stattfand, sei auch nicht mit dem Bistum abgesprochen.
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