Mehrere Migrantinnen und Migranten nehmen an einem Integrationskurs für Zuwanderer des Bundesamtes für Migration (BAMF) teil. Sie sitzen um einen Tisch und schauen in Unterlagen. (Symbolbild)
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Mehrere Migrantinnen und Migranten nehmen an einem Integrationskurs für Zuwanderer des Bundesamtes für Migration (BAMF) teil. (Symbolbild)

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CSU und Migration: Suche nach unverkrampfter Wortwahl

Steigende Flüchtlingszahlen machen den Bayern Sorgen. Die CSU weiß, sie muss das thematisieren. Aber sie tut sich schwer damit, auch wegen schlechter Erfahrungen. Eine Analyse.

Die CSU nimmt für sich in Anspruch, eine klare Sprache zu pflegen. Der jüngste Beleg stammt von Alexander Dobrindt: "Kinder statt Cannabis!" rief der Chef der Bundestags-CSU vor wenigen Tagen in den Hof des Klosters Seeon. Das war der Versuch, die Themen Arzneimangel und Cannabis-Legalisierung in seinem Sinn zu gewichten. Und im September debattierte sogar ein Parteitag über die Frage, ob man "krampfhafte" Wortwahl nicht verhindern müsse. Konkret ging es ums Gendern.

Bei einem anderen Thema tut sich die CSU selbst schwer, die richtigen Worte zu finden. "Wir brauchen eine bessere Kommunikation nach außen", sagt eine Landtagsabgeordnete dazu.

Wie kommuniziert man das Thema Zuwanderung?

Es geht um Zuwanderung, um Migration und Integration. Seit Monaten gewinnt das Thema an Bedeutung. Im vergangenen Jahr waren so viele Flüchtlinge in Bayern wie seit 2015 nicht. Turnhallen dienen mancherorts wieder als Sammelunterkünfte. Kommunen senden Hilferufe, weil sie an der Unterbringung scheitern. Die Rufe richten sich an den Bund, aber auch die Länder, somit an die Staatsregierung. Und in Berlin ging an Silvester ein Mob, der auch aus Migranten bestand, auf Polizisten und Helfer los.

Dobrindt: "Keine Integrationsdebatte"

Alexander Dobrindt weiß all das natürlich. Aber darüber reden mag er nur eingeschränkt: "Wir brauchen keine Integrationsdebatte", sagte er in Seeon zu den Krawallen in Berlin. Er wollte sie ausschließlich als Sicherheits- und Rechtsstaatsproblem betrachten. Die CSU – und nichts zur Integration? Einerseits ist das nachvollziehbar, weil Bayern ja weniger Integrationsprobleme hat als andere Länder. Andererseits ist es bei der inneren Sicherheit genauso: Bayern steht besser da. Warum also prangert Dobrindt das Berliner Sicherheitsproblem an, das Integrationsproblem aber nicht?

Reden ja, aber wie?

Bei solchen Fragen verweisen sie in der CSU gern auf Joachim Herrmann. Er ist ja nicht nur bayerischer Innen-, sondern auch Integrationsminister. Nach der ersten Kabinettssitzung des Jahres nahm er Stellung zu den Berliner Silvesterkrawallen und sagte, Migranten müssten sich "klar zu Deutschland bekennen, zu unserer Verfassung und unseren Werten, zu unserer Sprache und unserer Kultur".

Breit wahrgenommen wurde das offenkundig nicht. "Natürlich brauchen wir auch eine Integrationsdebatte", sagt ein Christsozialer. Das Ergebnis einiger Telefonate ist: Die CSU ahnt, dass sie deutlichere Akzente setzen müsste.

Migration treibt Bayern um

Vor der Integration kommt die Migration. Während Dobrindt sich in Seeon gerade gegen eine "Integrationsdebatte" sträubte, wurden mehr als tausend Menschen für den neuen BR24 BayernTrend nach den wichtigsten Problemen befragt. Das Ergebnis zeigt wenige Tage später: Auf Platz zwei des bayerischen Sorgen-Rankings liegen Migration und Flucht, mit großem Bedeutungszuwachs.

"Migration steuern und begrenzen"

"Das Thema müssen wir sicherlich besetzen", sagt der Landtagsabgeordnete Wolfgang Fackler. Aber viel zu hören ist von der CSU auch dazu nicht. Zwar beschlossen die Abgeordneten in Seeon ein Papier mit dem CSU-Klassiker "Migration steuern und begrenzen". Die Ampel dürfe keine weiteren Anreize für Zuwanderung schaffen, heißt es da. Migration müsse "auf ein sozialverträgliches Niveau" begrenzt werden. Was das genau heißt, bleibt aber offen. Seine Warnung davor, die Staatsbürgerschaft zu "verramschen", wiederholte Dobrindt nicht. Eine Festlegung wie die Horst Seehofers von Anfang 2016, höchstens 200.000 Flüchtlinge pro Jahr einzulassen, käme der CSU derzeit nicht in den Sinn.

Zwischen Verdrängung und Zuspitzung

Was also tun? Verdrängt die CSU das Thema, überlässt sie es der AfD. Jazzt sie es hoch, könnte sie Erinnerungen an ihre frühere Scharfmacher-Rhetorik wecken. Markus Söder etwa sprach 2018 von "Asyltourismus". Das trug damals zum schlechten Landtagswahlergebnis bei, eine "politische Nahtoderfahrung", wie der CSU-Chef heute sagt. Das Wort würde er nach eigenem Bekunden nicht wieder verwenden. Inzwischen überlässt die CSU die arg zugespitzten Formulierungen lieber dem Chef der Schwesterpartei. Und CDU-Chef Friedrich Merz füllt die Lücke aus, sprach unlängst von "kleinen Paschas", warf Ukrainern "Sozialtourismus" vor.

Bedeutungszuwachs der AfD

Verdrängen oder hochjazzen – beide Wege der CSU würden der AfD nutzen. Vom Thema profitiert sie bereits: 13 Prozent im Bayerntrend, das ist ihr bester Wert überhaupt. Ebenso viele Menschen halten die AfD in der Asyl- und Flüchtlingspolitik inzwischen für die kompetenteste Partei. Das ist zwar weit weniger Zuspruch als für die CSU. Aber mehr, als die Bayern SPD, FDP und Freien Wählern zutrauen. Was zugleich die Frage aufwirft, ob die AfD immer noch als bloße Protestpartei abzutun ist. Für die CSU jedenfalls unangenehm.

Die Frage nach dem Wie

Intern ist die Partei, ihrem Anspruch gemäß, auf der Suche nach unverkrampften Worten zu einem heiklen Thema. Nächste Gelegenheit, eine Kommunikations-Strategie zu präsentieren, wäre kommende Woche: Die Landtagsfraktion trifft sich zur Klausur in Banz. Doch im Programm und in den Entwürfen der Beschlusspapiere spielen weder Migration noch Integration eine Rolle. Dem BR sagt Fraktionschef Thomas Kreuzer zu den Flüchtlingszahlen auf Nachfrage: "Wir müssen Gegenmaßnahmen ergreifen." Die Ampel dürfe die deutsche Staatsbürgerschaft nicht "verschenken". Und mit den Nachbarländern müsse Deutschland sich abstimmen, "damit diese starken Flüchtlingsbewegungen so nicht mehr nach Europa kommen können". Man stellt also Forderungen an Berlin.

Integrationsbegleiter und Streetworker?

Der Abgeordnete Fackler indes hätte auch ein paar Voschläge für die bayerische Regierung. Sie könnte Personalmittel zur Verfügung stellen für "Integrationsbegleiter und Streetworker" in den Kommunen. Und für mehr Sprachkurse. Ideen gibt es also. Eine unverkrampfte Sprache dazu sucht die CSU noch.

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