CSU und Freie Wähler verteidigen Kassenleistungen für Homöopathie
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Globuli zur Behandlung von Krankheiten

    CSU warnt vor "Generalangriff" auf Homöopathie – SPD: Hokuspokus

    In der Debatte über die angespannten Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen wenden sich Gesundheitsexperten von CSU, Freien Wählern und AfD gegen Rufe, die Homöopathie als Kassenleistung zu streichen. Politiker anderer Parteien sind zurückhaltend.

    Angesichts der kritischen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat FDP-Bundesvize Johannes Vogel die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung ins Gespräch gebracht. Homöopathie sei "nachweislich wissenschaftlich nicht wirksam", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das Kollektiv der Beitragszahler meiner Kasse dazu zu verpflichten, das mitzuzahlen, das ist eine Frage, die mit auf den Tisch muss."

    In Bayern stellen sich die Gesundheitsexperten der Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler gegen diesen Vorstoß. "Davon halte ich gar nichts", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Bernhard Seidenath, auf BR24-Anfrage. Und Freie-Wähler-Gesundheitsexpertin Susann Enders spricht von "hilflosem Aktionismus, der am völlig falschen Ende ansetzt". Gesundheitspolitiker anderer Parteien bewerten die Homöopathie zwar überwiegend kritisch, sehen aber kein großes Einsparpotenzial.

    CSU warnt vor Spaltung der Gesellschaft

    Der CSU-Abgeordnete Seidenath warnt vor den Folgen eines "Generalangriffs" auf die Homöopathie. "Im Grunde würde das die Gesellschaft spalten", sagt er. "Ich sehe, dass es viele Menschen gibt die auf Homöopathie schwören." Wenn ihnen die Behandlung helfe, halte er es nicht für richtig, ihnen etwas wegzunehmen.

    Der Wegfall von Leistungen für Homöopathie würde dem CSU-Politiker zufolge die Kassenfinanzen nicht sanieren. Eine solche Entscheidung wäre also "untauglich", um das Ziel zu erreichen, das Vogel vorgebe. In Wahrheit gehe es dem FDP-Politiker nicht ums Einsparungen, sondern um die Homöopathie an sich. "Dann soll er das auch benennen."

    Freie Wähler stehen zur Homöopathie

    Enders stellt klar: "Als Freie Wähler stehen wir nach wie vor zu Homöopathie und Schulmedizin auf Augenhöhe." Jede Vorgehensweise habe ihren Bedarf in der Bevölkerung, ihre Berechtigung im medizinischen Spektrum und ihre Behandlungserfolge vorzuweisen - und sei somit auch zu finanzieren. Nötig wäre laut Enders dagegen eine Reform der Krankenkassen-Landschaft in Richtung "soziale Gesundheitsversicherung".

    AfD: Dem Patienten Wahlfreiheit lassen

    Nach Überzeugung des gesundheitspolitischen Sprechers der AfD-Landtagsfraktion, Andreas Winhart, habe die angespannte Lage bei den Krankenkassen ihre Ursachen nicht in der Homöopathie, "sondern in einer verfehlten Gesundheitspolitik der bisherigen und aktuellen Bundes- und Staatsregierungen" - auch in Zusammenhang mit Corona.

    "Die Wahlfreiheit der Patienten zwischen Schulmedizin und Homöopathie nun zu streichen, wie es die FDP fordert, zeigt wieder mal, dass die FDP mit Freiheit wenig im Sinn hat", sagt Winhart BR24. Die AfD wolle dem Patienten als mündigem Bürger die Entscheidung überlassen, welche Behandlungsform er bevorzuge, zumal die Homöopathie oft auch die kostengünstigere Variante darstelle.

    Grüne: Nur geringer Anteil an Gesamtausgaben

    Der oberfränkische Grünen-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Johannes Wagner teilt zwar grundsätzlich die Kritik an Kassenleistungen für Homöopathie: "Erstattet werden darf nur die medizinische Therapie, die nach wissenschaftlichen Standards wirksam ist. Das ist bei Homöopathie nicht der Fall", teilt er BR24 mit.

    Mit Blick auf die Argumentation des FDP-Politikers ist er dennoch skeptisch: "Die Kosten für homöopathische Mittel machen nur einen geringen Anteil an den Gesamtausgaben der Krankenkassen aus." Es sei deswegen "nicht ganz ehrlich" zu suggerieren, dass damit die Löcher der GKV substanziell gestopft werden könnten.

    SPD: "Hokuspokus" mit Placebo-Wirkung

    Die SPD-Gesundheitsexpertin im Landtag, Ruth Waldmann, mahnt zu einer differenzierten Betrachtung. Studien belegten, dass homöopathische Präparate "keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus" hätten. Diese Mittelchen seien "Hokuspokus". Daher sei es wichtig, Aufklärung zu betrieben. Bei der homöopathischen Behandlung an sich sehe es anders aus: "Dass man den ganzen Menschen und die Lebensumstände in Blick nimmt, dass man sich Zeit nimmt - da hat die normale Medizin tatsächlich Defizite. Deswegen suchen so viele Menschen solche Ärzte oder Heilkräfte auf."

    Waldmann weist zugleich darauf hin, dass Krankenkassen ihre Leistungen für Homöopathie freiwillig anbieten - in der Hoffnung, Kunden zu binden. "Sie werden nicht gezwungen." Die Frage sei, was Vogels Vorstoß bewirken solle. "Man kann den kassenärztlichen Vereinigungen und Kassen nicht einfach etwas verbieten." Wer einen solchen Vorschlag mache, müsse auch darlegen, welche Kosten damit eingespart werden könnten. "Was ich so lese, ist der Kostenanteil relativ gering." Das gelte es vorurteilsfrei zu prüfen.

    FDP: "Grundsätzliches Problem nicht gelöst"

    Gegen Kassenleistungen für Globuli ist auch der FDP-Gesundheitsexperte im Landtag, Dominik Spitzer. "Wir brauchen keine Homöopathie, die keine Wirkung bringt." Aus medizinischer Sicht sei es unabhängig von der aktuellen Diskussion nicht sinnvoll, "dass das finanziert wird". Homöopathische Leistungen sollten diejenigen selbst zahlen, "die das haben wollen". Allerdings sei es keine Riesensumme, die sich einsparen ließe: Eine solche Maßnahme wäre "ein sehr kleiner Baustein, der sicher Sinn macht, aber mehr auch nicht", betont er.

    Richtig Geld sparen ließe sich Spitzer zufolge, "wenn man eine Krankenhausstrukturreform auf den Weg bringt", statt eine Vielzahl von Häusern beizubehalten, "ohne dass es einen Mehrwert bringt". Das Gesundheitssystem solle durchforstet werden, um überflüssige Maßnahmen und Institutionen benennen zu können. Langfristig müsste seiner Meinung nach der Hebel auch bei der Prävention angesetzt werden, um gesundheitsschädigenden Lebensverhältnissen durch Übergewicht, Nikotin und Alkohol vorzubeugen und Folgekosten zu reduzieren.

    Welche Kosten entstehen?

    Die Angaben dazu, wie hoch die Ausgaben der Kassen für Homöopathie sind, unterscheiden sich nach Quelle und Berechnungsgrundlage. 2019 sagte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass die gesetzlichen Kassen bei Arzneimittelausgaben von rund 40 Milliarden Euro im Jahr etwa 20 Millionen für Homöopathie zahlten. Das entspricht einem Anteil von 0,05 Prozent.

    Nach Zahlen des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) betrugen die GKV-Ausgaben für homöopathische Arzneimittel im Jahr 2020 6,7 Millionen Euro - bei einem Gesamtvolumen von 45,01 Milliarden Euro: "Dies entspricht lediglich 0,03 Prozent der GKV-Arzneimittelausgaben." Diese liege auch am niedrigeren durchschnittlichen Preisniveau dieser Produkte.

    Laut dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) haben rund drei Viertel aller gesetzlichen Krankenkassen einen speziellen Vertrag mit der Managementgesellschaft des DZVhÄ geschlossen, "um ihren Versicherten die Homöopathie ohne Mehrkosten zu ermöglichen".

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