Symbolbild Patient in Krankenbett
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Symbolbild Patient in Krankenbett

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Corona-Tote in Friedberger Klinik: ein Bericht mit Lücken

117 infizierte Mitarbeiter und Patienten, mehrere Todesfälle: So die Bilanz des Corona-Ausbruchs im Friedberger Krankenhaus vor zwei Jahren. Die Klinik hat keine Fehler gemacht, sagt nun das Landratsamt. BR-Recherchen ziehen das in Zweifel.

Im Spätherbst 2020 beginnt es. Am Friedberger Krankenhaus werden immer mehr Patienten und Personal positiv auf Corona getestet. Am Ende werden es 63 Mitarbeiter und 54 Patienten sein. Es kommt zu Todesfällen. Ein alter Mann wird zum Beispiel zu einem schwer hustenden Patienten ins Zimmer gelegt. So berichtet es eine Angehörige. Wie sich zeigt, hat der hustende Zimmergenosse Corona.

Das alles passiert in einer Klinik, die als sogenanntes "Non-Covid-Krankenhaus" galt und somit auch keine Covid-Station hatte. Nur spärlich werden die Information über den Ausbruch öffentlich. Intern laufen die Drähte jedoch heiß. Das Landesamt für Gesundheit (LGL) schickt eigene Prüfer, um die Lage in der Klinik zu bewerten. Diese listen in einem internen Zwischenbericht gravierende Mängel auf.

Die Behörden versprechen Aufklärung

Zu diesem Zeitpunkt sind bereits einige Patienten verstorben. Und die Angehörigen treibt eine Frage um: Haben sich die Verstorbenen in der Klinik infiziert? Rund zwei Monate dauert der Ausbruch, die zuständigen Behörden versprechen Aufklärung. Nun, mehr als zwei Jahre später, präsentiert das Landratsamt einen Abschlussbericht.

Das Fazit des Berichts: Es gab keine Fehler innerhalb der Klinik. Zumindest keine, die als Ordnungswidrigkeit zu werten seien. Die Testung der Mitarbeiter auf freiwilliger Basis sei rechtmäßig gewesen. Anders als vom LGL behauptet, habe es genug Hygiene-Fachkräfte gegeben. Und die Verwendung nicht ordnungsgemäß beschrifteter Desinfektionsmittel sei kein vorwerfbares Verhalten. Das sind die Ergebnisse, die dem Werksausschuss des Kreistags präsentiert wurden.

Kritikpunkte, die unter den Tisch fallen

Dem BR liegen jedoch exklusiv Dokumente vor, die mehr Kritikpunkte offenbaren. Vorwürfe, die in dem Abschlussbericht des Landratsamts nicht erwähnt werden. Vor allem geht es um das, was die Prüfer des LGL in ihrem fachlichen Abschlussbericht herausgefunden haben. Ihre Erkenntnisse wurden dem Landratsamt übermittelt.

Laut dem Bericht der Prüfer sei innerhalb der Klinik die Kommunikation zwischen den Stationsärzten und der Hygieneabteilung "fehlerhaft" gewesen – ebenso wie die Absprachen zwischen der Klinik und dem Gesundheitsamt des Landkreises Aichach-Friedberg - also jener Behörde, die nun den Abschlussbericht zusammengestellt hat.

Der Frage, inwieweit sich Menschen in der Klinik mit Corona infiziert haben, sei nicht ausreichend nachgegangen worden, bemängelt das LGL: "Übertragungen über Mitarbeiter wurden nicht hinterfragt bzw. nicht erkannt", heißt es wörtlich in dem LGL-Bericht. Ein früheres internes Schreiben wird noch deutlicher: Beispielsweise sei die Infektion einer Ärztin damit begründet worden, "dass diese Kinder habe und wahrscheinlich deshalb positiv getestet wurde". Geprüft worden sei der Fall nicht.

"Hygienekonzepte fehlerhaft, weil veraltet"

Mangelhaft waren laut dem LGL-Bericht auch Hygienekonzepte und Dienstanweisungen: Von den 17 überprüften Dokumenten "waren die meisten nicht auf dem aktuellen Stand und zum Teil auch fehlerhaft, weil veraltet". Die Überarbeitung der Dokumente im Abstand von drei Jahren scheine im Rahmen einer Pandemie "nicht angemessen".

Das Landratsamt erklärt, alle Kritikpunkte seien von drei verschiedenen Mitarbeitern unvoreingenommen und intensiv geprüft worden. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine mangelhafte Kommunikation. Laut der Klinik gebe es "weit mehr Hygienekonzepte und Dienstanweisungen als die 17 genannten Dokumente. Deren Übersendung erfolgte in zufriedenstellender Form", so das Amt gegenüber dem BR.

Ein bedeutendes Dokument ist noch immer unvollständig

Bleibt die wichtige Frage, inwieweit Übertragungen im Krankenhaus selbst nachgegangen worden ist. Das dafür vorgeschriebene System wurde erst nach dem Ausbruch eingeführt, so das Landratsamt. Es habe aber Excel-Listen gegeben, mit denen die Infektionen dokumentiert worden seien.

Warum das LGL diese nie erwähnt und ob sie aus fachlicher Sicht ausreichend sind, bleibt unklar. Die vorgesehene Dokumentation über die sogenannte "Linelist" ist jedenfalls bis heute nicht vollständig, räumt das Landratsamt ein.

Wie viele Patienten gestorben sind

Insgesamt 53 positiv getestete Patienten seien unter die Lupe genommen worden, so die Klinik in ihrer eigenen Untersuchung. 15 davon hätten sich im Krankenhaus mit Corona angesteckt, wovon fünf verstorben seien. Bei 16 Patienten wurde die Infektion als "unklar" bewertet. Von diesen seien sieben Patienten verstorben, so die Auswertung der Klinik. Das LGL kann die Zahlen in einigen Fällen "nicht nachvollziehen".

Auch die Fälle von 60 infizierten Mitarbeitern wurden von der Klinik untersucht. Das Ergebnis: Alle Infektionen wurden als "unklar" bewertet, in keinem Fall sieht das Krankenhaus eine Infektion im Krankenhaus belegt. Das Landratsamt begründet dies mit unterschiedlichen Definitionen, wann eine Infektion als inhäusig gilt.

Etliche Strafanzeigen gegen die Klinik

Etliche Angehörige haben nach den Infektionen und Todesfällen Strafanzeige gestellt. Dem BR liegen dazu Ermittlungsunterlagen der Augsburger Kriminalpolizei vor. Mehrere Patienten und Angehörige berichten unabhängig voneinander, dass Ärzte und Pfleger ohne Maske in der Klinik unterwegs gewesen seien oder dass die Hygiene mangelhaft gewesen sei.

Der Leiter der Kliniken an der Paar, zu denen auch das Friedberger Krankenhaus gehört, hat alle Vorwürfe stets bestritten. Über eine Anwaltskanzlei erklärte er, dass Pflegerinnen und Ärzte "natürlich Maske getragen haben". Sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen bzw. von den einschlägigen Fachgesellschaften empfohlenen Schutzmaßnahmen seien "durchgängig zur Anwendung gekommen, um eine Infektion von Patienten mit dem Corona-Virus nach Möglichkeit zu vermeiden".

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Bereits im Frühjahr 2020 – also gleich zu Beginn der Pandemie – sei ein durchgängiges Corona-Schutzkonzept entwickelt und etabliert worden. Das Tragen von FFP2-Masken sei dabei durchgesetzt worden – obwohl das durchgängige Tragen zu der Zeit als unzulässig eingestuft worden sei. Eine absolute Sicherheit könne es bei viralen Infekten trotz aller Schutzmaßnahmen nicht geben.

Die Staatsanwaltschaft hat alle Ermittlungsverfahren eingestellt. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht, der eine Anklage rechtfertigen würde. Auch das Landratsamt betont dies immer wieder. Die Staatsanwaltschaft stellte jedoch auch klar, dass es bei ihren Ermittlungen nur um strafbares Handeln gegangen sei, das bei Virus-Infektionen schwer nachzuweisen sei. Ob es in der Klinik zu Fehlern gekommen ist, sei damit nicht abschließend geklärt. Die Tochter eines Verstorbenen fordert die Staatsanwaltschaft auf, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Ein entsprechender Antrag wurde eingereicht.

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