Corona-Streit: Kommt die Hotspot-Regel in Bayern?
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Symbolbild: Maskenpflicht

    Corona-Streit: Hotspot-Regeln für ganz Bayern?

    In gut einer Woche könnten die Maskenpflicht in vielen Innenräumen sowie 2G und 3G im Freistaat auslaufen. Die Grünen verlangen daher, Bayern zum Hotspot zu erklären. Die Freien Wähler winken ab, Gesundheitsminister Holetschek hat eine andere Idee.

    Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sieht dringenden Handlungsbedarf: Die Zeit sei fast schon abgelaufen, um weiteren Schutz für die Menschen in Bayern über den 2. April hinaus zu sichern, beklagt sie. Die Staatsregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zerrede lieber die Beschlüsse der Bundesregierung, statt ihren Teil zur Pandemiebekämpfung beizutragen. "Das halte ich für grob fahrlässig."

    Laut Schulze sollte der Landtag in der nächsten Plenarsitzung die Anwendung der Hotspot-Regel in Bayern beschließen. Zusammen mit ihrem Parteifreund Thomas Gehring appelliert die Grünen-Fraktionschefin in einem Brief an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), eine entsprechende Abstimmung am Mittwoch auf die Tagesordnung zu setzen. Landtag und Staatsregierung müssten "unverzüglich tätig werden", um "notwendige Schutzmaßnahmen auch nach dem 2. April anordnen und durchsetzen zu können". Insbesondere müsse die Maskenpflicht in Innenräumen gewährleistet werden.

    "Belastung der Kliniken in Bayern extrem hoch"

    Die Übergangsfrist, die den Ländern die Verlängerung der landesweiten 2G- und 3G-Regeln sowie der Maskenpflicht in vielen Innenräumen ermöglicht, endet am 2. April. Danach sollen die meisten Einschränkungen wegfallen – falls die Landesparlamente für konkrete Regionen nicht die "Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage" feststellen. Voraussetzung dafür ist entweder die Ausbreitung einer deutlich gefährlicheren Virusvariante oder eine drohende Überlastung der Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Region.

    Schulze und Gehring sehen Letzteres gegeben: "Die Infektionszahlen sowie die Belastung der Kliniken in Bayern sind extrem hoch – wichtige Operationen werden verschoben, Krankenhausbetten werden gesperrt, regional melden sich Kliniken von der Notfallversorgung ab. Das besorgt uns sehr." SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann hatte von der Staatsregierung schon vor Tagen verlangt, konkrete Vorbereitungen für eine Hotspot-Regelung zu treffen.

    CSU und Freie Wähler lehnen Grünen-Forderung ab

    Die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern (FW) lehnten die Forderung ab. "Die sogenannte Hotspot-Regelung ist rechtlich unklar und nicht rechtssicher anzuwenden", sagte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer auf BR-Anfrage. Daher sei die CSU dagegen, ganz Bayern zu einem Hotspot zu erklären und erneut Maßnahmen anzuordnen. "Die Situation ist gerade durch die Grünen und die anderen Ampel-Parteien verschuldet worden", kritisierte Kreuzer.

    Auch FW-Fraktionschef Florian Streibl beklagte, die Vorgaben der in Berlin mitregierenden Grünen seien realitätsfern und nicht umsetzbar. "Deshalb sollen die Grünen erst einmal aus Berlin fachlich fundierte Gesetze liefern, über die wir dann in Bayern vernünftig diskutieren können." Der parlamentarische Geschäftsführer der FW-Fraktion, Fabian Mehring, bezeichnete es als "Treppenwitz", wenn ausgerechnet die Grünen auf Landesebene versuchten, jene Gesetzeslücken zu füllen, die die Grünen im Bund hinterlassen hätten.

    • Zum Artikel: Holetschek kritisiert "untaugliche Hotspot-Regelung"

    FDP: Hotspot-Voraussetzungen nicht erfüllt

    Auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen stellte sich gegen die Forderung der Grünen, ganz Bayern zum Hotspot zu erklären. "Entweder, sie haben das Infektionsschutzgesetz nicht verstanden, oder sie schätzen die landesweite Corona-Lage falsch ein", twitterte er "Wie auch immer: Nicht mal Söders CSU wird diesem Ansinnen zustimmen. Gut so."

    Hagen betonte, es gebe konkrete Bedingungen für die Anwendung der Hotspot-Regel. Diese seien für die Gebietskörperschaft Bayern nicht erfüllt. "Ein entsprechender Beschluss des Landtags würde vom Verwaltungsgericht schnell gekippt werden."

    AfD: "Kein Hotspot der Verbote"

    Die AfD-Fraktion fordert schon lange die Aufhebung der meisten Corona-Maßnahmen in Bayern. Ihr Gesundheitsexperte Andreas Winhart rief die Staatsregierung und den Landtag Mitte der Woche auf, sich von "freiheitsfeindlichen grünen Rufen nach neuen Verboten zu distanzieren". Ministerpräsident Söder sollte seiner Meinung nach lieber dafür sorgen, dass Bayern ein "Hotspot für Freiheit und Bürgerrechte" werde und "kein Hotspot der Verbote".

    Holetschek: Übergangsregel verlängern

    Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) verlangt vom Bund, bei der Konferenz der Gesundheitsminister am Montag endlich für Klarheit zu sorgen. "Die Zeit drängt. Die Hotspot-Regelungen müssen rechtssicher anwendbar sein. Das ist weiterhin nicht der Fall." Bayern habe deshalb die Bundesregierung gemeinsam mit dem Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg aufgefordert, die für den Vollzug unklaren Rechtsbegriffe umgehend klarzustellen.

    Es sei nach wie vor offen, an welchen Schwellenwerten und Kriterien sich eine Überlastung des Gesundheitssystems festmachen lasse, kritisiert der CSU-Politiker. Angesichts der Infektionslage benötigten die Länder aber robuste Befugnisse für die erforderlichen Schutzmaßnahmen. "Deshalb fordern wir, dass die aktuelle Übergangsregelung um mindestens vier Wochen verlängert wird", sagte Holetschek dem BR. In einem solchen Fall könnte die Staatsregierung auch ohne Landtagsbeschluss für ganz Bayern die aktuell gültigen Schutzmaßnahmen bis Ende April weiterlaufen lassen.

    • Zum Artikel: Bayern drängt auf Verlängerung der Corona-Beschränkungen

    Mecklenburg-Vorpommern zum Hotspot erklärt

    Landesregierung und Landtagsmehrheit in Mecklenburg-Vorpommern schätzen die Rechtslage dagegen offenbar anders - es ist das erste Bundesland, das von der neuen Hotspot-Regelung Gebrauch macht. In einer Dringlichkeitssitzung stellte der Landtag am Donnerstag auf Antrag der Landesregierung die Gefahrenlage für alle Landkreise und kreisfreien Städten fest.

    Damit sollen im ganzen Bundesland bis 27. April weiterhin strengere Beschränkungen gelten: die Maskenpflicht im Innenbereich, das Abstandsgebot von mindestens 1,5 Metern, die 3G-Regeln sowie die Pflicht zu Hygienekonzepten.

    Lauterbach will sich mit Ländern abstimmen

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält das Vorgehen Mecklenburg-Vorpommerns für beispielhaft. Überall dort, wo eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe, könne der Landtag Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung zu schützen, sagte er in Berlin. "Und das sollte jetzt auch geschehen - wie es jetzt in Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen ist". So wie dort das Gesetz angewendet werde, sei es aus seiner Sicht korrekt.

    Die Kriterien für eine drohende Überlastung des Gesundheitswesen liegen laut Lauterbach auf der Hand: Ein mögliches Indiz sei, wenn sich Krankenhäuser von der Notfallversorgung abmelden müssten, weil sie zu viele Corona-Patienten hätten oder zu viel Personal fehle. Auch wenn Krankenhäuser planbare Eingriffe absagen oder in andere Kliniken verlegen müssten oder wenn "Pfleguntergrenzen unterschritten" würden, seien das Kriterien, mit denen "man arbeiten kann". Lauterbach kündigte an, über diese Kriterien am Montag mit den Gesundheitsministern der Länder zu sprechen.

    "Von einem Freedom Day kann keine Rede sein"

    Einmal mehr appellierte Lauterbach an die Ministerpräsidenten, die Hotspot-Regel zu nutzen. "Die gegenseitigen Vorwürfe bringen uns im Moment überhaupt nicht weiter." Bund und Länder müssten vielmehr zusammenarbeiten.

    Von einem Freedom Day könne angesichts der Infektionslage keine Rede sein, "ganz im Gegenteil, betonte der SPD-Politiker. "Jetzt kommt die Zeit, wo wir in einigen Regionen sogar noch einmal nachschärfen müssen, wo es also um mehr geht als vorher, weil wir können es so nicht laufen lassen."

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