Bei der stufenweisen Rückkehr zur Normalität in der Corona-Krise geht Bayern in diesen Tagen zwei große Schritte nach vorn. Das bayerische Kabinett beschloss am Dienstag deutliche Lockerungen - die ersten gelten ab heute, zahlreiche weitere ab Montag.
Katastrophenfall aufgehoben
Fast auf den Tag genau vor drei Monaten hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wegen der Corona-Krise den Katastrophenfall im Freistaat ausgerufen - um der Staatsregierung im Kampf gegen die damals rasche Corona-Ausbreitung schnelle Eingriffsmöglichkeiten zu sichern. Seit heute ist er aufgehoben. "Wir stehen stabil in Bayern", begründete Söder die Entscheidung.
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Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht
Im Gegensatz zum Nachbarland Thüringen hält Bayern an allgemeinen Kontaktbeschränkungen mit der Pflicht zu einem Mindestabstand und dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten öffentlichen Räumen (unter anderem Busse und Bahnen, Geschäfte, Freizeit- und Kultureinrichtungen) fest. Aber es gelten weitere Erleichterungen.
Im öffentlichen Raum: Seite heute dürfen sich wieder bis zu zehn Personen aus mehreren unterschiedlichen Haushalten treffen. Bisher waren Treffen nur mit Angehörigen des eigenen Haushalts, direkten Familienangehörigen und Personen eines weiteren Haushalts erlaubt.
Im privaten Raum: Bei privaten Treffen zu Hause gilt jetzt keine grundsätzliche Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Anzahl von Menschen mehr. Entscheidend ist stattdessen, wie viele Menschen sich unter Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern im jeweiligen Raum aufhalten können.
Grundsätzlich gilt: In geschlossenen Räumen soll für ausreichend Belüftung gesorgt werden.
Aktuelle Regeln und der weitere Fahrplan:
Einzelhandel, Dienstleister und Freizeiteinrichtungen
Bisher dürfen Geschäfte, Museen und Freizeiteinrichtungen wie Zoos maximal eine Person pro 20 Quadratmeter Fläche hineinlassen. Ab Montag (22. Juni) reichen zehn Quadratmeter pro Kunden oder Besucher aus - damit können doppelt so viele Menschen gleichzeitig einen Laden oder eine Einrichtung besuchen.
Maskenpflicht für Kassierer und Gäste
Neben Kunden und Besuchern müssen gegenwärtig auch alle Mitarbeiter von Geschäften, Hotels, Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Zumindest im Kassen- und Thekenbereich fällt diese Pflicht für die Beschäftigten am Montag weg, sofern sie durch transparente Schutzwände geschützt werden, die insbesondere in vielen Geschäften schon angebracht sind. Sogenannte Face-Shields genügen laut Söder aber nicht, weil sie kein gleichwertiger Ersatz seien. Für Kunden und Besucher bleibt die Maskenpflicht grundsätzlich bestehen.
Bäder, Wellness, Saunen
Seit 8. Juni dürfen in Bayern unter bestimmten Voraussetzungen Freibäder wieder geöffnet haben, am nächsten Montag kann auch der Betrieb in Hallenbädern, Thermen-Innenbereichen und Hotelschwimmbädern wieder starten - einschließlich der Wellness- und Saunaangebote. Die genauen Hygieneregeln werden noch erarbeitet.
Gastronomie
Gegenwärtig dürfen Speiselokale in Bayern - also Restaurants, Cafés und Biergärten - abends bis maximal 22 Uhr geöffnet sein. Ab Montag dürfen bis 23 Uhr Kunden bedient werden. Durch die bereits in Kraft getretene Lockerung der Kontaktbeschränkungen sind dabei ab sofort wieder auch Essen mit mehreren Freunden oder Stammtisch-Treffen möglich. Weiterhin gilt: Wer nicht am Tisch sitzt, muss eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, also zum Beispiel beim Betreten des Lokals oder beim Toilettengang.
Private Feiern
Private Feiern sind derzeit nur mit nur Angehörigen der engeren Familie erlaubt, ab Montag können Hochzeiten, Geburtstage und Beerdigungen, aber auch Schulabschlussfeiern, Vereinssitzungen und Betriebsversammlungen wieder etwas größer gefeiert werden: mit bis zu 50 Menschen in Innenräumen und bis zu 100 im Freien. Eine weitere Anhebung dieser Obergrenzen könnte laut Ministerpräsident Söder im Juli folgen.
Großveranstaltungen
Größere Veranstaltungen und öffentliche Feste bleiben bis 31. August grundsätzlich verboten. Söder wirbt dabei für einer Verlängerung dieses Verbots auf Bundesebene. Eine konkrete Dauer wollte er nicht nennen.
Kunst und Kultur
Kinos, Theater und Konzertsäle dürfen unter strengen Auflagen seit Anfang der Woche wieder Besucher empfangen - zunächst maximal 50 in Innenräumen oder bis zu 100 unter freiem Himmel. Nächsten Montag wird diese Zahlen auf 100 beziehungsweise 200 verdoppelt - bei "zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen". Die Maskenpflicht wird weiterhin gelten.
Laien-Chöre
Seit Monaten müssen Laien-Chöre auf Proben verzichten - ab Montag dürfen sie wieder starten. Die Hobby-Sänger müssen aber mindestens zwei Meter Abstand zu einander halten, zwischendurch regelmäßig lüften und nur eine begrenzte Zeit proben.
Tourismus
Das Verbot von Gruppenreisen ist ebenfalls ab nächsten Montag aufgehoben. Für Reisebusunternehmen sollen dann zudem die gleichen Regelungen gelten wie für öffentliche Verkehrsmittel. Unter Einhaltung der Maskenpflicht dürfen wieder alle Plätze im Bus besetzt werden. Campingplätze dürfen gemeinschaftlich genutzte Sanitäranlagen wieder öffnen - damit wird beispielsweise auch ein Aufenthalt mit einfachen Zelten wieder möglich.
Kirchen, Synagogen und Moscheen
Gottesdienste dürfen seit 4. Mai wieder gefeiert werden - zwischen den Gläubigen muss aber ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden, sie müssen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, und der Gottesdienst darf nicht länger als 60 Minuten dauern. Ab Montag dürfen etwas mehr Menschen gleichzeitig in die Kirche, Synagoge oder Moschee: Der Mindestabstand wird auf 1,5 Meter verringert.
Sport
Die feste Obergrenze von 20 Teilnehmern beim Sport und Training gilt nur noch bis Sonntag. Von Montag an sind für eine Begrenzung die räumlichen Rahmenbedingungen entscheidend - also die Größe der Halle oder des Felds sowie Belüftungsmöglichkeiten im Innern.
Kinderbetreuung und Schulen
In den vergangenen Wochen wurde in Kindergärten, Krippen und Horten zunächst die Notbetreuung stufenweise ausgebaut - ab 1. Juli sollen wieder alle Kinder in ihre Betreuungseinrichtungen können. Auch an die Schulen kehren in dieser beziehungsweise der nächsten Woche die letzten Jahrgangsstufen zurück - vorerst noch in halber Klassenstärke im wöchentlichen Wechsel zwischen Präsenzunterricht und "Lernen zu Hause". Ab September soll bei der Kinderbetreuung und in den Schulen möglichst der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden - unter Beachtung von Hygienekonzepten.
Hochschulen und Universitäten
Die Hochschulen und Universitäten in Bayern müssen vorerst weitgehend auf "Online-Lehre" setzen. Beim Wissenschaftsministerium ist von einer "digitalen Durchführung des Sommersemesters 2020" die Rede. Seit Montag könnten die Hochschulen aber im Einzelfall entscheiden, "kleinere Seminare mit bis zu 30 Teilnehmern zuzulassen, soweit dies zur Ergänzung der Online-Lehre erforderlich ist". Dabei müssten alle allgemeinen Vorgaben und Empfehlungen zur Hygiene und zum Infektionsschutz beachtet werden. Seit Ende April ist die "Durchführung von bestimmten Praxisveranstaltungen, die besondere Labor- oder Arbeitsräume an den Hochschulen erfordern" im Einzelfall unter strengen Hygienemaßnahmen möglich.
Besuche in Pflege- und Seniorenheimen
In Alten- und Pflegeheimen sind Besuche derzeit nur unter sehr strengen Auflagen erlaubt - von einer festen Kontaktperson unter Einhaltung strikter Hygiene- und Schutzmaßnahmen. "Wir erlauben jetzt aber mehr Personen, mehr Besuchszeit und Besucher am Zimmer", kündigte Ministerpräsident Söder an. Das solle in jeder Einrichtung individuell geregelt werden, "im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt". Einen konkreten Termin dafür nannte Söder nicht-
Clubs, Diskotheken, Schausteller und Schankwirte müssen warten
Trotz der zunehmenden Lockerungen bleibt die Zukunft für bestimmte Einrichtungen weiter unklar. Das gilt nicht nur für die Veranstalter von großen Festivals, Pop- und Rockkonzerten, sondern auch für Betreiber von Diskotheken und Clubs sowie für Schausteller, die von Erlösen auf Volksfesten, Kirchweihen oder großen Vereinsfesten leben.
Auch reine Schankwirtschaften wie Bars und Kneipen, die keine Speisen anbieten, müssen sich noch gedulden. Während Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ein Konzept in den nächsten zwei Wochen in Aussicht stellte, dämpfte Söder Hoffnungen auf eine rasche Öffnung. Denn in Kneipen sei es schwierig, Abstand zu halten - noch dazu, wenn Alkohol fließe.
Größere Parteitage und große Mitgliederversammlungen dürfen laut Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) vorerst nur virtuell stattfinden - oder nur mit maximal 50 Teilnehmern in einem geschlossenen Raum bzw. 100 Menschen im Freien.
Auch zu den Chancen, dass große Weihnachtsmärkte stattfinden können, wollte sich Söder nicht äußern: "Schau'mer mal. Kann ich heute nicht einschätzen."
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