Prozess Corona-Hilfen
Bildrechte: BR

Prozess Corona-Hilfen

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Corona-Hilfen-Betrug: Ehepaar soll 550.000 Euro kassiert haben

Ein ehemaliger Rechtsanwalt und seine Ehefrau müssen sich seit heute wegen vorsätzlichem Subventionsbetrug vor Gericht verantworten – sie sollen mehr als 550.000 Euro Corona-Hilfen ergaunert haben. Der Prozess begann mit vielen Verzögerungen.

Über dieses Thema berichtete Frankenschau aktuell am .

Der 63-jährige Angeklagte betrat den Gerichtssaal betont selbstbewusst. Weiße Turnschuhe, hautenge Jeans, offenes weißes Hemd, graues Jackett und lange weiße Haare – er wirkte gepflegt und etwas extravagant. Als er seine mitangeklagte Ehefrau erblickte, lief er auf sie zu, küsste sie und musste von den Beamten der Justizvollzugsanstalt mehrfach gebeten werden, Platz zu nehmen. Der Angeklagte aber wollte nicht. Nach acht Monaten Gefängnis wolle er nur seine Frau küssen, sagte er.

Verteidigung fordert Prozesseinstellung

Dann nahm er Platz, mit zwei zentimeterdicken Ordnern und diversen Gesetzesbüchern – der ehemalige Rechtsanwalt, der seit November 2019 aufgrund eines Berufsverbots nicht mehr als solcher arbeiten darf, war vorbereitet.

Normalerweise starten Prozesse in Deutschland dann mit dem Verlesen der Anklageschrift gegen die Angeklagten durch den Staatsanwalt. Bevor dieser aber beginnen konnte, ergriff einer der Verteidiger das Wort: Er forderte die sofortige Prozesseinstellung, unter anderem, weil es nach Aussage des Verteidigers keine Voraussetzung für einen Prozess gebe.

Angeklagter will "Waffengleichheit" mit Staatsanwalt

Der Verteidiger begründete dies damit, dass eine wichtige Zeugin – ebenfalls Rechtsanwältin – zum Zeitpunkt ihrer Aussage vom Angeklagten von ihrer Schweigepflicht entbunden hätte werden müssen. Sie war damals bei dem 63-Jährigen angestellt. Die Entbindung sei aber nicht erfolgt, deshalb dürften alle Erkenntnisse aus der Befragung nicht verwendet werden.

Außerdem habe der Angeklagte sich auf den Prozess nicht ausreichend vorbereiten können. Der Angeklagte forderte "Waffengleichheit" zwischen sich und dem Staatsanwalt. Seine Akteneinsicht sei deutlich eingeschränkt gewesen, die Zustände währenddessen "untragbar". Die Staatsanwaltschaft wies dies und die angeblich fehlende Prozessgrundlage zurück. Der Angeklagte hätte in den acht Monaten seiner Untersuchungshaft angemessen Zeit gehabt, sich auf den Prozess vorzubereiten. Der Vorsitzende Richter unterbrach daraufhin zur Klärung den Prozess. Eine Stunde später wies er die Anträge der Verteidigung zurück, der Prozess startete richtig, der Staatsanwalt verlas die Anklage.

Staat mutmaßlich um mehr als 550.000 Euro geprellt

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: vorsätzlicher Subventionsbetrug. Das Ehepaar soll Corona-Hilfen von mehr als 550.000 Euro zu Unrecht beantragt und falsch verwendet haben. Der ehemalige Rechtsanwalt und seine Frau sollen eine ihrer Firmen reaktiviert haben, einzig mit dem Zweck, die Überbrückungshilfe des Staates wegen zurückgegangener Umsätze zu erhalten – und das, obwohl die Firma seit 2019 nicht mehr am Markt tätig gewesen war.

Dazu sollen sie im Antrag auf die finanziellen Hilfen unrichtige Angaben gemacht haben. Tricksereien wie die Meldung von Mitarbeitenden, die gar nicht bei der Firma beschäftigt waren stehen im Raum. Auch gab das Ehepaar an, die Firma habe coronabedingte Umsatzeinbrüche gehabt – dabei hatte sie laut Staatsanwaltschaft seit 2019 gar nichts mehr verdient. Nachdem das Geld ausbezahlt worden war, sollen die Angeklagten die Überbrückungshilfe in die eigene Tasche gesteckt haben.

  • Zum Artikel: Betrug im Gesundheitswesen: 100 neue Verfahren dank Meldesystem

Ehefrau: "Ich habe mich immer auf meinen Mann verlassen"

Nach der Mittagspause kam die angeklagte Ehefrau zu Wort. Die 58-jährige erklärte, dass sie "aus allen Wolken gefallen" sei, als sie erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert worden sei. Ihr 63-jähriger Ehemann habe ihr immer nur die letzten Seiten aller Verträge zur Unterschrift vorgelegt und ihr nicht gesagt, worum es gehe. Sie bestreitet, wissentlich getäuscht zu haben.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war die Frau jedoch als Strohfrau eingesetzt, indem sie Geschäftsführerin mehrerer Firmen ihres Mannes war. Sie gesteht, dass sie "zu naiv" gewesen sei, zu wenig nachgefragt habe, was sie eigentlich unterschreibe und ihrem Mann "einfach blind vertraut" habe. Sie habe sich in ihrer Ehe in finanziellen Dingen immer auf ihren Mann verlassen. Die Frage, die das Gericht nun klären muss, ist, ob die Frau wissentlich gehandelt hat oder nicht.

Weitere Straftaten ermittelt: Es geht um Millionen

Ihr Ehemann äußerte sich heute zwar zu einer Vielzahl von Firmen. Der Vorsitzende Richter stellte aber klar, dass es in dem Prozess nur um eine einzige Firma geht, für die Überbrückungshilfen ausbezahlt wurden. Es könnten aber auch noch mehr Prozesse werden: Wie der Staatsanwalt ausführte, stehen noch weitere Straftaten des Ehepaars im Raum. Insgesamt werde in 14 weiteren Fällen gegen den Ex-Anwalt ermittelt, mit weiteren 1,5 Millionen Euro Schaden. Diese sind aber nicht Gegenstand dieser Verhandlung.

Für den nächsten Verhandlungstermin am 19. Oktober kündigte der Angeklagte eine Aussage an. Allerdings machte er heute schon deutlich, dass er alle Anschuldigungen von sich weist. Insgesamt fünf Verhandlungstage sind angesetzt. Der Prozess dauert bis zum 14. November.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!