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Bundestagswahl: Was Bayerns Parteien hoffen - und befürchten

Alle wollen ein möglichst gutes Ergebnis - und wohl niemand hätte etwas gegen eine Regierungsbeteiligung im Bund. Ansonsten unterscheidet sich die Ausgangslage für die Parteien in Bayern vor der Bundestagswahl aber deutlich. Eine Analyse.

An diesem Sonntag ist Bundestagswahl. Auch in Bayern hoffen die Parteien natürlich auf ein möglichst gutes Ergebnis. Die genauen Ziele unterscheiden sich aber deutlich. Direktmandate, Zweitstimmen, Regierungsoptionen im Bund und ihre Auswirkungen: Die Ausgangslage und Erwartungshaltung für die bayerischen Parteien im Überblick.

CSU: Hoffen auf Direktmandate und Regierungsbeteiligung

Die CSU blickt zurück auf einen nicht ganz einfachen Wahlkampf. Nach dem Ringen von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur gab es bei vielen Christsozialen Unmut über Laschet - erst im Wahlkampfendspurt versammelte sich die CSU auf ihrem Parteitag nach außen demonstrativ hinter dem gemeinsamen Kandidaten. Eine konkrete Zahl als anvisiertes Ergebnis nannte die Parteispitze um Markus Söder zuletzt nicht. Noch im Frühsommer hatte Söder für die Union allerdings ein bundesweites Ergebnis von "deutlich über 30 Prozent" gefordert.

2017 erzielte die CSU in Bayern bei der Bundestagswahl 38,8 Prozent. Im jüngsten BR-BayernTrend lag die Partei knapp unter 30 Prozent. Das würde die Christsozialen bundesweit dieses Mal womöglich unter die Fünf-Prozent-Hürde bringen. Weil die Partei aber mehr als die für den Parlamentseinzug benötigten drei Direktmandate gewinnen dürfte, wird sie auch im neuen Bundestag vertreten sein. Überhaupt, die Direktmandate: Bei der Wahl 2017 konnte die CSU alle 46 Wahlkreise in Bayern gewinnen. Dieses Mal könnte es besonders in einigen städtischen Wahlkreisen eng werden - auch verlorene Direktmandate würden am Nimbus der in Bayern fast alles dominierenden Partei kratzen.

Wichtiger als die Frage, ob die CSU-Landesgruppe im Bundestag künftig aus 40 oder 50 Abgeordneten besteht, ist für Söder & Co eine mögliche Regierungsbeteiligung. Sollte die Union erstmals seit 2005 nicht mehr Teil der Bundesregierung sein, hätte das auch auf die Politik in Bayern große Auswirkungen. Denn zur Machtstruktur der CSU gehört auch eine starke Rolle in Berlin. Dort nicht mehr am Kabinettstisch und in den Ministerien vertreten zu sein, würde Söders bundespolitisches Gewicht schmälern - genau wie die Durchsetzungsfähigkeit der Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern auf Bundesebene.

Andererseits: Wenn die CSU nicht in einer komplizierten Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen um Kompromisse ringen müsste, könnte sie schwungvoller in den Landtagswahlkampf 2023 starten. Und die Landtagswahl ist für die CSU wichtiger als diese Bundestagswahl.

SPD: Dank Scholz-Beliebtheit doch Richtung 20 Prozent?

Hinter der Bayern-SPD liegen schwierige Jahre. 15,3 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl, 9,7 Prozent bei der Landtagswahl, 9,3 Prozent bei der Europawahl: Lange schien die zentrale Frage, ob die SPD in Bayern am 26. September über oder unter zehn Prozent landet. Mit dem bundesweiten Aufschwung machen sich die Genossen in Bayern inzwischen aber Hoffnungen, am Ende doch besser abzuschneiden als zwischenzeitlich befürchtet. Im BR-BayernTrend zur Bundestagswahl erreichte die SPD im Freistaat vor gut zwei Wochen 18 Prozent.

Ob es für eines der 46 bayerischen Direktmandate reicht, wird sich zeigen, vor allem in den vier Münchner Wahlkreisen liegen die Kandidatinnen und Kandidaten eng beieinander. Aber Bayerns Sozialdemokraten haben derzeit ohnehin eine ungleich größere Hoffnung - dass mit Olaf Scholz zum ersten Mal seit Gerhard Schröder ein SPD-Politiker Bundeskanzler werden könnte. So oder so ist aus bayerischer SPD-Sicht klar: Die Zeit der Großen Koalition im Bund soll enden. Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn betonte zuletzt, es gäbe in seiner Partei "keine große Begeisterung" über eine Neuauflage. Ob eine weitere Regierungsbeteiligung die gebeutelte Bayern-SPD dauerhaft stabilisieren würde? Das hänge von den Regierungsinhalten ab, ist aus der Partei zu hören.

AfD: Keine konkrete Zielvorgabe - vor vier Jahren 12,4 Prozent

Die AfD erzielte in Bayern bei der Bundestagswahl 2017 ein Ergebnis von 12,4 Prozent. Für dieses Mal hat Spitzenkandidat Peter Boehringer keine konkrete Zahl als Ziel genannt. Ohnehin ist aber klar, dass die AfD keine Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat - die anderen im Bundestag vertretenen Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Ähnlich isoliert wie im Bund ist die AfD auch im Bayerischen Landtag, wo die Fraktion überdies zerstritten und gespalten ist.

Laut Boehringer kann die fehlende Koalitionsmöglichkeit bei der Bundestagswahl auch eine Chance für seine Partei sein. Dem BR sagte er zuletzt: "Es ist vielleicht ein bisschen leichter, weil wir dann wirklich keine Rücksicht auf koalitionstaktische Fragen nehmen müssen, keine Abstriche an inhaltlichen Aussagen machen müssen."

FDP will besser abschneiden als 2017

Die FDP in Bayern setzt laut Martin Hagen, Chef der Landtagsfraktion, auf ein besseres Abschneiden als bei der Bundestagswahl vor vier Jahren. Damals erreichten die Liberalen im Freistaat 10,2 Prozent. Im BR-BayernTrend lag die Partei zuletzt bei 12 Prozent. Fast schon traditionell schneiden die Liberalen in Bayern bei Bundestagswahlen besser ab als bei Landtagswahlen: Mit 5,1 Prozent schaffte die FDP den Wiedereinzug in den Landtag vor drei Jahren nur denkbar knapp.

Auch für die Arbeit der Landtags-FDP ist wichtig, ob und in welcher Konstellation die Partei künftig im Bund mitregiert. Beispiel Jamaika: Hierdurch würde die Abgrenzung zur CSU in Bayern schwieriger werden, mit der die FDP genau wie die Freien Wähler vornehmlich um Stimmen konkurriert. Beispiel Ampel: Ein solches Bündnis aus SPD, FDP und Grünen würde die Liberalen wiederum angreifbarer machen für die CSU. Unabhängig von derlei Gedankenspielen ist aus der bayerischen FDP zu hören, dass die Partei gewillt sei, im Bund mitzuregieren. Für die anstehenden Sondierungen sei man deutlich besser aufgestellt als nach der Bundestagswahl 2017 - damals kam man im Bund aus der außerparlamentarischen Opposition.

Grüne hoffen auf Direktmandate und Platz zwei

Bayerns Grüne waren noch nie Teil der Staatsregierung, haben aber im Freistaat zuletzt aus ihrer Sicht erfreuliche Ergebnisse verzeichnet. Bei der Landtagswahl 2018 erreichte die Partei 17,6 Prozent, bei der Europawahl vor zwei Jahren 19,1 Prozent. Im Wahlkampf damals erlebte Grünen-Bundeschef Robert Habeck nach eigenen Angaben den "fantastischsten Abend" seiner politischen Karriere - in einem Bierzelt im Münchner Umland, das ihm als feindliches Revier angekündigt worden sei. Stattdessen gab es, so erinnert sich jedenfalls Habeck, eine "Explosion der Leidenschaft".

Ob es aus bayerischer Grünen-Sicht bei der Bundestagswahl viel zu jubeln gibt, wird sich zeigen. Immer wieder liegen sie in Umfragen besser als bei der eigentlichen Wahl. Bei der Kommunalwahl 2020 reichte es nicht für die erhofften Oberbürgermeister-Posten, aber auch dieses Mal blickt die Partei erwartungsvoll auf die Städte - und hofft vor allem in München auf eines oder mehrere Direktmandate. Bei den bayernweiten Zweitstimmen setzen die Grünen auf ein deutlich besseres Ergebnis als vergangenes Mal - damals waren es 9,8 Prozent. Lange sah es in Umfragen so aus, als würde es dieses Mal im Freistaat für Platz zwei hinter der CSU reichen, durch den jüngsten Aufschwung der SPD ist das aber wieder fraglich.

Die Landtags-Grünen würde ein Bündnis mit der Union in der nächsten Bundesregierung übrigens vor große Herausforderungen stellen. Zwar war die größte Oppositionsfraktion in den Grundzügen der Corona-Politik meist näher an Söders Linie als dessen Koalitionspartner, die Freien Wähler. Ansonsten aber und besonders beim Klimaschutz sind die Grünen im Duden-Wortsinn die Opposition zur CSU: eine Partei, deren Angehörige die Politik der herrschenden Gruppe ablehnen. Gleichzeitig würden die Grünen in Bayern ab 2023 gerne mitregieren - der Weg dorthin führt aber aus heutiger Sicht nur über ein Bündnis mit den Christsozialen.

Linke: Ähnliches Ergebnis wie 2017?

Bayerns Linke stehen vor Bundestagswahlen vor einer besonderen Herausforderung: Weil sie nicht im Landtag vertreten sind, fehlt ihnen die parlamentarische Bühne, um ihre Positionen im Freistaat zu vertreten und bekannt zu machen. Landeschef Ates Gürpinar nennt auf BR-Anfrage für das Ergebnis in Bayern die vergangene Bundestagswahl als Maßstab: 6,1 Prozent holten sie damals.

Falls es rechnerisch für eine rot-grün-rote Bundesregierung mit SPD und Grünen reicht, rechnet Gürpinar in jedem Fall mit Sondierungen. Er sagt aber auch, dass eine Ampelkoalition ohne die Linkspartei für den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wohl einfacher wäre. Was hieße das alles für Bayern? "Wie sich die Regierungsfrage im Bund auf unsere Arbeit auswirkt, kann ich nur schwer einschätzen", sagt Gürpinar. Mit Blick auf die Landtagswahl 2023 brauche seine Partei im Freistaat vor allem mehr Mitglieder, um überall vor Ort präsent sein zu können. Zuletzt galt für die Linken in Bayern das gleiche wie für die FDP: Bei Bundestagswahlen schnitt man einige Prozentpunkte besser ab als bei Landtagswahlen.

Freie Wähler: Bayern-Bonus für die große Überraschung?

Die Freien Wähler mit ihrer bayerischen Machtzentrale Hubert Aiwanger haben das Ziel ausgerufen, erstmals in den Bundestag zu kommen. Dafür brauchen sie bundesweit mindestens drei Direktmandate oder fünf Prozent der Zweitstimmen, Umfragen zufolge kein leichtes Unterfangen. Aiwanger versprüht dennoch seit Monaten Optimismus - und sähe seine Freien Wähler am liebsten in einer Bundesregierung mit Union und FDP.

Besonders Bayern ist bei der Bundestagswahl für die Freien Wähler zentral: Hier sind sie kommunal verwurzelt und mittlerweile Teil der Staatsregierung, hier müssten sie ein besonders gutes Ergebnis erzielen, um Chancen auf den Bundestagseinzug zu haben. Bei der Bundestagswahl 2017 holten die Freien Wähler im Freistaat 2,7 Prozent - im BR BayernTrend lagen sie zuletzt bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl in Bayern bei 7 Prozent.

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  • Auch der BR-Kinderpodcast "Frag mich! Die Nachrichten und ich" beschäftigt sich mit der Bundestagswahl. Mehr dazu hier
BR-Wahlexperte Andreas Bachmann
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