"Im ersten Moment war die Aufregung richtig groß, mittlerweile hat es sich ein bisschen beruhigt", sagt die Geschäftsstellenleiterin der Verwaltungsgemeinschaft Seeg, Carolin Chilian. Bei den Mitarbeitern im Rathaus herrsche aber immer noch eine große Betroffenheit und Verunsicherung, seitdem der Erste Bürgermeister der Gemeinde vor drei Wochen verhaftet wurde.
Seeg bemüht sich um normales Tagesgeschäft
Die Amtsgeschäfte führt nun der Zweite Bürgermeister Lorenz Schnatterer. Im Gegensatz zum hauptamtlichen Ersten Bürgermeister muss Schnatterer allerdings nebenher seinem normalen Vollzeit-Beruf bei einem Maschinenbau-Unternehmen nachgehen.
"Es ist natürlich eine Doppelbelastung", meint er. "Aber das hat Vorrang." Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde bemüht sich Schnatterer, das Tagesgeschäft weitgehend normal laufen zu lassen.
Anfeindungen gegen Mitarbeitende der Gemeinde
Dabei ist die Belastung auch für die anderen Mitarbeitenden hoch. Vor allem in den ersten Tagen nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe waren sie Anfeindungen ausgesetzt. "Wir haben in der ersten Woche auch viele Drohanrufe bekommen", erzählt Geschäftsstellenleiterin Chilian.
Sie betont deshalb, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Gemeinde, sondern gegen den Bürgermeister als Privatperson richten. "Keiner von uns hat über den Sachverhalt Bescheid gewusst, keiner von uns war da in irgendeiner Art und Weise beteiligt. Wir sind da genauso die Leidtragenden des Ganzen. Wir arbeiten jetzt auf." Momentan laufe der Betrieb im Rathaus, wie wenn der hauptamtliche Bürgermeister im Urlaub oder länger krank wäre.
Bürgermeister und Leiter des Caritasheims festgenommen
Der Erste Bürgermeister Markus Berktold (CSU) war nach einer Razzia im Caritasheim und im Rathaus am 11. Januar festgenommen worden. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: gewerbsmäßiger Pflegebetrug in Millionenhöhe. Berktold ist neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister auch Geschäftsführer von mehreren Gesellschaften, die für Betrieb und Pflege rund um das Caritasheim verantwortlich sind.
Ebenfalls festgenommen wurde der frühere Leiter des Caritasheims und der Ulrichspflege. Gemeinsam sollen beide laut Staatsanwaltschaft von der Pflegekasse über 1,1 Millionen Euro unberechtigt erhalten haben. Das Geld sollen sie als Mehraufwendungen über den Corona-Pflegerettungsschirm abgerechnet haben, obwohl diese nicht angefallen sind. Der Einrichtungsleiter soll außerdem durch Scheinrechnungen über 110.000 Euro an Firmengeldern zu seinen Gunsten veruntreut haben.
Betrieb im Caritasheim läuft normal weiter
Im Caritasheim mit seinen beiden ambulant betreuten Wohngruppen und der Ulrichspflege läuft der Betrieb unterdessen weiter. "Wir hatten nach den Untersuchungen der Kripo keine Einschränkungen", sagt Verwaltungsleiter Harry Behne. Er ist seit November im Dienst. Die Betrugsvorwürfe richten sich gegen seinen Vorgänger. "Die Bewohner sind gut umsorgt, und das Personal ist nach wie vor motiviert, die Pflege weiterzuführen", betont Behne.
Außerdem liefen derzeit auch Gespräche unter anderem mit dem Diözesan-Caritasverband über eine tragfähige Lösung für die Zukunft der Pflege in Seeg. "Wir können in die Zukunft schauen", sagt der Verwaltungsleiter. "Natürlich mit einigen Fragezeichen. Aber trotzdem mit großer Hoffnung und Zuversicht."
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