Das Rathaus von Langenzenn
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Der Langenzenner Bürgermeister soll bei der Vermietung einer Wohnung falsche Angaben gemacht haben. Das Sozialamt hat Anzeige erstattet.

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Bürgermeister angezeigt: Flüchtlingswohnung falsch abgerechnet?

Noch immer sind Helfer und Kommunen händeringend auf der Suche nach Wohnungen für geflüchtete Ukrainer. Die Not ist groß – das nutzen manche Vermieter aus. So wie offenbar der Bürgermeister von Langenzenn. Das Fürther Landratsamt hat ihn angezeigt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Jürgen Habel ist seit 2008 Erster Bürgermeister von Langenzenn im Landkreis Fürth, einer Kleinstadt mit gut 10.000 Einwohnern. Zweimal wurde der 42-jährige CSU-Politiker in der Vergangenheit wiedergewählt. Das Vertrauen, das Habel in der Bevölkerung genießt, scheint groß zu sein. Doch nun hat das Landratsamt Fürth in Zusammenhang mit einer Wohnungsvermietung an ukrainische Geflüchtete die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

  • Zum Artikel: "Angespannter Wohnungsmarkt – das können Mieter tun"

Bürgermeister vermietet Kellerwohnung

Jürgen Habel hat in seinem Haus in Langenzenn eine Kellerwohnung vermietet. Seit März dieses Jahres wohnen eine ukrainische Frau mit ihren beiden kleinen Kindern sowie eine Mutter und ihre erwachsene Tochter darin. Dem Sozialamt des Landkreises, das zu Beginn die Mietkosten übernahm, legte Habel Mietverträge vor, aus denen sich eine Wohnungsfläche von 110 Quadratmetern ergibt – eine aus Sicht der Behörden angemessene Größe für fünf Menschen. Tatsächlich ist die Zwei-Zimmer-Wohnung nach Informationen des Bayerischen Rundfunks aber nur etwa 70 Quadratmeter groß – und eines der Zimmer ein Durchgangszimmer ohne Heizung.

70-Quadratmeter-Wohnung: Zu klein für fünf Menschen

Auf Dauer ist diese Wohnung also viel zu klein für fünf Personen. Für die Wohnung bekommt Jürgen Habel Miete für drei Bedarfsgemeinschaften – eine ist die Mutter mit ihren beiden Kindern, die anderen beiden sind die Mutter und deren erwachsene Tochter. Zusammengerechnet erhält der Bürgermeister monatlich 1.170 Euro "Kosten der Unterkunft", wie es im Behördendeutsch heißt, plus 198 Euro Heizkosten.

Kleine Wohnung: Kein Problem für Jobcenter

Seit dem 1. Juni übernehmen allerdings nicht mehr die Sozialämter, sondern die Jobcenter in Deutschland die Kosten der Unterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Als BR24 das Jobcenter Fürth-Land darauf aufmerksam macht, dass die Wohnung im Haus des Bürgermeisters augenscheinlich viel zu klein für fünf Personen ist, schreibt die Behörde: "Richtig ist, dass die angemessene Wohnfläche nicht unterschritten werden sollte. Dies ist jedoch rechtlich nicht bindend."

Bürgermeister kassiert hohen Quadratmeterpreis

Das Jobcenter verweist auf den angespannten Wohnungsmarkt – durch die Kann-Vorschrift sei es möglich, schneller Wohnraum zu finden. 1.170 Euro zahlt das Jobcenter dem Langenzenner Bürgermeister. Das ergibt fast 17 Euro pro Quadratmeter – laut diverser Online-Vermietungsportale ist in Langenzenn jedoch lediglich ein Quadratmeterpreis zwischen acht und zwölf Euro üblich.

Jobcenter wollte Wohnung überprüfen

Ob die Wohnung so groß ist, wie von Jürgen Habel angegeben, hat die Behörde nicht überprüft. In einer E-Mail an BR24 erklärt das Jobcenter, am 23. Juni habe ein Mitarbeiter die Wohnung im Beisein von Habel besichtigt – allerdings seien sie nicht in der Wohnung gewesen, weil die Mieter nicht geöffnet hätten. Im Übrigen habe das Sozialamt des Landkreises der Vermietung im März 2022 zugestimmt – es sei für das Jobcenter daher kein Neubezug.

Sozialamt: Mietverträge waren zunächst unverdächtig

Doch auch das Sozialamt des Landkreises Fürth hat die Wohnung im März nicht vor Ort überprüft. Hausbesuche seien nur in begründeten Einzelfällen möglich und gegen den Willen des Vermieters oft nur schwer durchsetzbar, schreibt das Landratsamt. Allerdings hätten die vorgelegten Mietverträge zunächst auch keinen Anlass für eine Überprüfung gegeben – schließlich ging man davon aus, dass die Wohnung deutlich größer ist. Auch die Miethöhe erschien angemessen.

Sozialamt schaltet Staatsanwaltschaft ein

Als das Landratsamt im Juni durch die Recherchen von BR24 von dem Verdacht erfährt, dass die Wohnung im Haus des Langenzenner Bürgermeisters in Wirklichkeit viel kleiner ist, werden sofort Nachforschungen angestellt – die nun in einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gemündet sind. Zur Begründung schreibt das Landratsamt auf Anfrage von BR24, wenn der zur Verfügung stehende Wohnraum "die in den Mietverträgen vereinbarte Fläche wesentlich unterschreitet oder gar ganze Wohnungsteile nicht zur Verfügung stehen, kann je nach Fallgestaltung ein Mietmangel bis hin zu einem nichtigen und möglicherweise strafbaren Scheingeschäft vorliegen." Ob sich der Bürgermeister strafbar gemacht hat, muss nun die Staatsanwaltschaft überprüfen.

Bürgermeister widerspricht Landratsamt

Jürgen Habel selbst widerspricht auf Anfrage von BR24 den Vorwürfen des Landratsamtes. Er behauptet, er habe den geflüchteten Ukrainerinnen eine Wohnung mit 110 bis 120 Quadratmetern vermietet. Zwei Verbindungstüren seien mit Schränken verstellt, um der Mutter mit ihrer erwachsenen Tochter einen eigenen Schlafraum zu ermöglichen – dies sei zwar nicht optimal, aber dem Wunsch nach Privatsphäre geschuldet. Dieser Raum werde durch eine Fußbodenheizung geheizt. Die getrennten Mietverträge für zwei Parteien erklärte Habel damit, dass die beiden Frauen möglicherweise bald ausziehen wollten. Für den Fall, dass sie länger bleiben, habe er einen Umbau der Wohnung vorgesehen. Unter anderem solle ein Schwedenofen eingebaut werden.

Hinweis: In einer ersten Version des Artikels hieß es, die vom Bürgermeister vermietete Wohnung sei 50 Quadratmeter groß. Dies beruhte auf einem Missverständnis. Richtig ist, dass die Wohnung nach BR-Informationen 70 Quadratmeter groß sein soll.

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