Habeck vor Blockheizkraftwerk
Bildrechte: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Pläne aus Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium zur rückwirkenden Abschöpfung von Stromerlösen alarmieren vor allem die Biogasbranche.

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Bremst Habecks Strompreisbremse die Erneuerbaren aus?

Die Bundesregierung will für die Strompreisbremse so genannte Übergewinne bei Stromproduzenten abschöpfen. Erste Umsetzungspläne alarmieren vor allem Biogasanlagen-Betreiber. Aber auch für Windkraft und Photovoltaik sind sie nicht unproblematisch.

Über dieses Thema berichtete BR24 am .

Auf EU-Ebene hat man sich bereits Ende September darauf geeinigt: Es soll eine europaweit koordinierte Strompreisbremse geben. Und um die Vergünstigungen für Stromverbraucher zu bezahlen, sollen Stromproduzenten einen Beitrag leisten, indem sogenannte Übergewinne abgeschöpft werden. Ihre Einnahmen sollen künftig bei 180 Euro pro Megawattstunde gedeckelt werden. Die genaue Umsetzung bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen.

Die Biogasbranche ist alarmiert

Die Bundesregierung arbeitet derzeit daran. Erste bekannt gewordene Ideen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, wie die Ampelregierung bei den Stromproduzenten Geld einsammeln will, haben die Erneuerbare-Energien-Branche alarmiert. Vor allem im Biogasbereich. "Wenn die Vorschläge so umgesetzt werden, bedeutet es das Aus für unzählige Bioenergieanlagen", warnt etwa der Präsident des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner. Ähnlich äußern sich der Fachverband Biogas und der Verein Landwirtschaft schafft Verbindung.

Es geht um die Art und Weise, wie das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium an die sogenannten Übergewinne heranwill. Von den Erlösen für den Strom, die einen bestimmten Betrag pro Kilowattstunde überschreiten, sollen nach ersten Plänen 90 Prozent abgegeben werden – und zwar rückwirkend bis März dieses Jahres.

Für Biogasanlagen ist das jedoch besonders problematisch. Aus mehreren Gründen: Sie produzieren teurer als Wind- und Sonnenkraftwerke. Denn Biogasbetreiber müssen für ihren Rohstoff, zum Beispiel Mais, bezahlen. Und die Kosten dafür sind zuletzt deutlich gestiegen. Außerdem sollen Biogasanlagen ihren Strom idealerweise dann einspeisen, wenn Energie am knappsten und die Preise am höchsten sind – von diesen Erlösen würde dann besonders viel einbehalten. In vielen Fällen haben die Anlagenbetreiber das seit März eingenommene Geld, das ihnen jetzt genommen werden soll, auch längst in ihre Anlagen reinvestiert – zum Beispiel in Nahwärmenetze, die jetzt wegen der Preisexplosion bei Erdgas und Heizöl besonders gefragt sind.

Aiwanger fürchtet auch um Windkraft und Photovoltaik

Unterstützung bekommen die Biogasanlagenbetreiber von Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er fürchtet auch Folgen für andere Energieträger: "Dann werden Windparks nicht gebaut und Photovoltaik-Flächen nicht weiter geplant, weil die Investoren sagen: Unter diesen Bedingungen rentiert sich das für mich nicht mehr."

In die gleiche Kerbe schlägt der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Nicht nur Biogas, sondern auch Investitionen in anderen Bereichen wären mit einer Erlösabschöpfung nach diesem Modell gefährdet, heißt es. Zumal auch die Preise für neue Windräder und Solarparks und die Kreditzinsen stark gestiegen sind. Die Ausschreibungen für Windkraft und Biomasse waren zuletzt deutlich unterzeichnet, betont der BEE: Es fanden sich also tatsächlich nicht genügend Investoren. Dabei sei der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik der zentrale Hebel, um den Strompreis in Deutschland mittelfristig und nachhaltig zu senken. Die Erlösabschöpfung würde demnach auf längere Sicht den Strompreis also hochtreiben statt ihn zu senken.

Ein kompliziertes Modell - rückwirkende Regelung verfassungswidrig?

Das vom Bundeswirtschaftsministerium geplante Modell wäre überdies sehr kompliziert, weil ein großer Teil des Stromhandels nicht über Spotmarktgeschäfte an der Börse läuft, sondern über Termingeschäfte im Voraus. Zunehmend verkaufen Wind- und Solarparks ihren Strom auch direkt an Abnehmer, per langfristigem Vertrag und ohne den Umweg über die Börse. All diese unterschiedlichen Vertragsgestaltungen müssten eigens berücksichtigt werden, wenn die Abschöpfung von Stromerlösen gelingen soll. Dabei können leicht Fehler passieren, die den Strommarkt empfindlich stören könnten.

Besonders stark kritisiert die Branche, dass Erlöse sogar rückwirkend bis März 2022 vom Staat einkassiert werden sollen. Das bewertet ein Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbands Windenergie (BWE) als verfassungswidrig. Das Ganze würde also mit Sicherheit vor Gericht landen. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nennt diese Pläne "hochproblematisch" und warnt, eine rückwirkende Abschöpfung "würde das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland nachhaltig gefährden", was angesichts der notwendigen Milliarden-Investitionen in die Erneuerbaren Energien "absolut kontraproduktiv" wäre.

Warum nicht einfach eine Steuer?

Wolfram Axthelm vom Bundesverband Erneuerbare Energien bezweifelt überdies, ob es künftig bei den Stromproduzenten überhaupt noch so viel abzuschöpfen gibt, weil die Großhandels-Strompreise inzwischen tendenziell wieder sinken. Und appelliert an das Bundeswirtschaftsministerium, noch einmal nachzudenken, "ob es wirklich ein kluger Schritt ist, einen so bürokratischen Mechanismus auf den Weg zu bringen, dem das Scheitern schon innewohnt."

Der Bundesverband Windenergie regt an, das Geld für die Strompreisbremse einzusammeln, indem man Steuern auf tatsächliche Gewinne erhebt, anstatt über komplizierte Regeln schon im Vorfeld einen Teil des Umsatzes abzuschöpfen.

Gespräche hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen laufen in Berlin derzeit intensive Diskussionen. Aus seinen ersten Vorüberlegungen hat das Bundeswirtschaftsministerium bisher noch keinen Gesetzesentwurf gemacht.

Ob und wie sich diese Pläne bisher verändert haben, teilt eine Ministeriums-Sprecherin auf BR-Anfrage nicht mit. Sie betont aber, es werde "mit Hochdruck" an der Umsetzung der Strompreisbremse gearbeitet – mit täglichen Treffen auf Fachebene. Das letzte Wort ist also längst noch nicht gesprochen.

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