Aufarbeitung der Gewalt in Donauwörth

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

BR-Reporterin begleitet Missbrauchsopfer nach Donauwörth

Im früheren Kinderheim Heilig Kreuz in Donauwörth haben Kinder jahrelang schlimmste Gewalt erlebt. Zwei Schwestern brachten den Stein ins Rollen und sind jetzt zum ersten Mal nach langer Zeit zurückgekommen. Mit dabei war BR-Reporterin Judith Zacher.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Also ich hab schon nochmal einen Anlauf gebraucht - weil das jetzt alles so nah ist." Marsha, Missbrauchsopfer

Marsha wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie zurück kommt. Gemeinsam mit ihrer Schwester Susanne hat sie letztlich doch den Weg nach Donauwörth gewagt. Judith Zacher trifft beide auf einer Anhöhe oberhalb von Donauwörth mit Blick auf die Stadt. Der Kirchturm von Heilig Kreuz überragt viele Gebäude - es ist der Ort, an dem die beiden furchtbare Dinge erleben mussten. Dort oben, mit etwas Abstand, können sie es aushalten, sagen sie. Dort, neben dem Schwimmbad, kommen sogar schöne Erinnerungen. Dort erlebten sie als Kinder etwas Freiheit – bevor sie zurück mussten, ins Heim, über dem der Kirchturm in die Höhe ragt:

"Also wenn ich mir die Heilig Kreuz-Kirche anschau, da kommt eine bestimmte Traurigkeit hoch, wie verloren sich eigentlich jeder dort gefühlt hat. Jeder war für sich allein, in seinem Schmerz. Man wusste nicht mehr, wer ist Freund oder Feind." Marsha

Die Erziehungsmethoden im Heim haben die in den 1960er und 1970er Jahren noch üblichen Ohrfeigen bei weitem überstiegen. Es gab Prügel mit dem Stock nach der Beichte vom Heimleiter, Priester und Monsignore Max Auer – oder sie wurden zu nächtelangem Knien auf Kleiderbügeln gezwungen, weil sie im Bett geredet hatten. Wer ins Bett nässte, durfte zwei Tage lang nichts trinken. Jahrzehntelang wusste oder wollte man in Donauwörth davon nichts wissen. Deshalb war es den beiden Schwestern ein großes Anliegen, das an die Öffentlichkeit zu bringen.

Als würde eine Lawine vom Herzen fallen

Nach dem BR haben weitere Medien über die jahrelange Gewalt in dem Kinderheim berichtet, andere ehemalige Donauwörther Heimkinder haben sich daraufhin gemeldet. Die Pädagogische Stiftung Cassianeum, die das Heim geleitet hatte, reagierte bestürzt und kündigte an, aufzuarbeiten – nach über 40 Jahren.

Eine Entschädigung vom Bistum, die gab es wohl. Aber keiner wollte berichten, keiner etwas sagen - und nun, nach dem jahrelangen Kampf um Öffentlichkeit sind die beiden Schwestern ihrem Ziel damit endlich einen Schritt näher gekommen.

Endlich hört man ihnen zu und nimmt sie ernst

Inzwischen hat die Stiftung mit sieben Betroffenen Kontakt – sie will versuchen, weitere zu finden, ruft ehemalige Donauwörther Heimkinder auf, sich zu melden. Noch im Frühjahr soll ein runder Tisch mit möglichst vielen Betroffenen stattfinden. Die beiden Schwestern sehen dem mit gemischten Gefühlen entgegen. Da mischt die Angst vor Retraumatisierung mit, aber auch die Freude, das etwas passiert. Und das, so ihr Vorschlag, könnte man in gewisser Form auch sichtbar machen - mit einem Stolperstein vor der Heilig Kreuz Kirche.