Die gute Nachricht vorweg: Abgesehen von wenigen Einzelfällen wie im unterfränkischen Kitzingen ist es in der Silvesternacht nirgendwo in Bayern zu Angriffen mit Feuerwerkskörpern auf Einsatzkräfte gekommen. Was aber in Berlin und einigen anderen Städten an massiver Gewalt geschah, ist für den Bundesvorsitzenden der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, Siegfried Maier, eine neue Dimension.
Lage "wie bei Mai-Krawallen"
Vor allem in der Bundeshauptstadt habe er an die blutigen Mai-Krawalle früherer Jahre gedacht, sagte der Gewerkschaftschef und Personalratsvorsitzende der Münchner Berufsfeuerwehr im Gespräch mit BR24. Auch in der Silvesternacht seien in Berlin Barrikaden absichtlich entzündet worden, "die Kolleginnen und Kollegen wurden in einen Hinterhalt gelockt. Es wurde versucht, sie zu verletzen. Es ist dazu gekommen, dass Feuerwehrfahrzeuge aufgegeben werden mussten. Die Fahrzeuge sind ausgeraubt worden - das war bisher noch nie", ist Maier geschockt. Auch seien Raketen und Böller auf abfahrende Rettungsfahrzeuge mit Patienten an Bord gefeuert worden.
Herrmann fordert harte Strafen
Für Bayerns Innenminimister Joachim Herrmann, CSU, hat das alles "mit Silvester und Neujahrsfeiern überhaupt nichts mehr zu tun, sondern da sind ja offensichtlich Leute unterwegs, die von vornherein nur provozieren" wollten, sagte er BR24. Die Krawallmacher seien zwar eine kleine Minderheit, "darunter sind aber eben auch in der Tat eine ganze Reihe von radikalen Leuten oder auch von wirklich kriminellen Leuten. Und da gibt es keine andere Sprache als harte Strafen." Damit stößt Herrmann ins gleiche Horn wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD.
Maier kritisiert zu laxe Strafverfolgung
Doch mit den harten Strafen sei es so eine Sache, kritisiert der Bundesvorsitzende der Feuerwehrgewerkschaft. Er berichtet von Fällen, die später eingestellt wurden.
"Dass solche Straftaten, solche Vorfälle durch Staatsanwaltschaften aufgrund von mangelndem öffentlichen Interesse fallengelassen werden, führt aus unserer Sicht dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen sich alleine gelassen fühlen, dass sie vielleicht sogar das Gefühl haben, sie sind Freiwild", so Siegfried Maier.
Für Maier ist der reflexhafte Ruf nach härteren Gesetzen unnötig. Die vorhandene Rechtslage müsse viel konsequenter umgesetzt werden: "Wir brauchen jetzt tatsächlich Urteile. Wir brauchen jetzt die Information an die Bevölkerung, dass solche Taten nicht straffrei bleiben." Das sieht Joachim Herrmann ähnlich. Entscheidend sei, dass die Täter bei schwerer Körperverletzung "tatsächlich vor Gericht gestellt" würden und dann "in den Knast kommen".
Leben retten geht vor Täter-Identifizierung
Schon der inzwischen verschärfte Strafrechtsparagraf "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" sieht als Höchststrafe fünf Jahre Gefängnis vor. Darunter fallen auch Angriffe auf Feuerwehr und Rettungsdienste. Aber gerade die haben erst einmal das Leben der Menschen zu retten, anstatt die Angreifer zu identifizieren. Das ist Sache der Polizei, die in so einer Lage wie in der vergangenen Silvesternacht natürlich nicht überall sein kann.
Daher hält die Feuerwehrgewerkschaft auch bei ihren Kräften den Einsatz von Bodycams an der Uniform und von Dashcams in den Fahrzeugen für hilfreich. Pilotprojekte bei einigen Berufsfeuerwehren in Deutschland laufen bereits.
Was bringt ein Böllerverbot?
Etliche Politikerinnen und Politiker wie auch die Gewerkschaft der Polizei in Berlin fordern zudem ein flächendeckendes Verkaufsverbot für Raketen und Böller an alle, die "nicht beruflich mit Pyrotechnik hantieren". Das aber hält Siegfried Maier von der Feuerwehrgewerkschaft für eine Illusion. Denn dann würde illegales Feuerwerk aus dem Ausland besorgt und die Verletzungen und die Schäden würden "noch mehr steigen".
Stattdessen hält Maier Verbotszonen für die Knallerei, wie es sie jetzt schon in vielen Städten gibt, für sinnvoll. Laut Herrmann seien diese Verbote heuer in Bayern auch weitgehend eingehalten worden. Maier zu BR24: "Der Schutz der Einsatzkräfte muss uns allen wichtiger sein als der Spaßfaktor."
GdP: Alkoholverbot und mehr Vorbeugung
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte am Abend in BR24 TV eine klare Bestandsaufnahme der Silvester-Vorfälle. Wichtig sei es vor allem, die Täter zu ermitteln, nicht nur aus kriminologischer Sicht, sondern auch mit Blick auf die Prävention. Es müsse geklärt werden, welche Täterstrukturen es gebe, welche Altersstruktur, welchen Hintergrund, welche Langeweile, welche Faktoren zu solch "widerlichen Taten" animierten, besonders wenn Alkohol im Spiel und Sprengstoffe verfügbar seien und sich Gruppendynamiken bildeten, so Kopelke.
Ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum könne ein nützlicher Baustein sein, um künftig ähnliche Ausschreitungen zu verhindern, bekräftigte der GdP-Bundeschef. Jeder zweite Täter zu Silvester habe Alkohol im Blut gehabt. Das müsse nun analysiert werden. Zunächst seien harte Urteile der Justiz und eine schnelle Ermittlungsarbeit - als Voraussetzung dazu - nötig, ist er sich mit Maier und Herrmann einig.
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