Ein Betrugsskandal erschüttert die Ostallgäuer Gemeinde Seeg: Der unter Betrugsverdacht stehende Bürgermeister von Seeg, Markus Berktold (CSU), soll am frühen Nachmittag der Haftrichterin vorgeführt werden. Diese werde laut Oberstaatsanwalt Matthias Held von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) über den Haftantrag der Staatsanwaltschaft entscheiden – und damit auch darüber, ob Berktold in Untersuchungshaft muss.
Vorwurf: Veruntreuung mittels Scheinrechnungen
Am Mittwochabend war der Bürgermeister vorläufig festgenommen worden. Es geht um Scheinrechnungen in Höhe von mehr als einer Million Euro, die er zusammen mit dem Leiter eines Pflegeheims in Seeg bei der Pflegekasse abgerechnet haben soll. Gegen den Heimleiter bestand laut Held bereits ein Haftbefehl vom Dezember, weil er ebenfalls über Scheinrechnungen weitere 110.000 Euro an Firmengeldern veruntreut haben soll. Erst bei Durchsuchungen in dem Pflegeheim und im Rathaus am Mittwoch haben sich demnach Erkenntnisse ergeben, dass auch im Fall des Bürgermeisters die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorlägen.
Razzia im Rathaus und im Heim
An der Durchsuchungsaktion waren laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West rund 50 Beamte der Polizeiinspektion Kempten sowie Unterstützungskräfte aus anderen Dienststellen beteiligt. Laut Staatsanwaltschaft wurden zahlreiche Dokumente und Datenträger sichergestellt.
Auch im Fall des Heimleiters wird die Haftrichterin am Nachmittag über den Vollzug des Haftbefehls entscheiden.
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen ihn und den Bürgermeister lautet auf gewerbsmäßigen Betrug – 1,1 Millionen sollen die beiden im Zeitraum von Mai 2020 bis Juni 2022 für "coronabedingte Mehraufwendungen" über den Pflege-Rettungsschirm abgerechnet haben. Tatsächlich seien diese Mehraufwendungen aber nie angefallen.
Über den Verbleib des unrechtmäßig abgerechneten Geldes könne man laut Oberstaatsanwalt Held derzeit noch keine Angaben machen. Sollten die beiden Beschuldigten verurteilt werden, drohen ihnen wegen gewerbsmäßigen Betrugs Haftstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Zweiter Bürgermeister soll Amtsgeschäfte übernehmen
Im Seeger Rathaus bemüht man sich derweil, die Amtsgeschäfte am Laufen zu halten. Heute früh fand eine kurzfristig einberufene Personalversammlung statt. Laut Geschäftsstellenleiterin Carolin Chilian gehe es nun darum, dass der Zweite Bürgermeister Lorenz Schnatterer (Wählervereinigung Gemeinsame Zukunft Seeg GZS) möglichst schnell offiziell die Amtsgeschäfte übernehmen könne, damit er auch "offiziell handlungsfähig ist". Dies müsse mit dem Landratsamt Ostallgäu als Aufsichtsbehörde abgestimmt werden. Das Landratsamt ließ den BR wissen, die Ermittlungen richteten sich ihrer Erkenntnis nach gegen den Bürgermeister als Privatperson. Man erwarte in den kommenden Tagen Informationen von der Staatsanwaltschaft. Auf Basis dieser Informationen werde über eventuelle disziplinarrechtliche Maßnahmen entschieden.
Ein zweiter Bürgermeister kann tätig werden, sobald eine tatsächliche Verhinderung des Ersten Bürgermeisters vorliegt.
Laut Schnatterer sei nun vor allem wichtig, "dass die Amtsgeschäfte reibungslos weiterlaufen". Man warte auf ein "Signal" des Landratsamtes, "wie es weitergeht mit Herrn Berktold als Erstem Bürgermeister". Von den im Raum stehenden Vorwürfen habe "keiner von uns Kenntnis" gehabt.
Der Bürgermeister der Ost-Allgäuer Gemeinde Seeg ist wegen Betrugsverdachts festgenommen worden.
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