Betroffene sexualisierter Gewalt in Deutschland wollen die jüngst bekannt gewordene Klage eines Missbrauchsopfers aus Bayern vor dem Landgericht Traunstein unterstützen. Das sagte der Sprecher der Initiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch dem Bayerischen Rundfunk. Mit der Klage werde der Versuch unternommen, die zivilrechtliche Verantwortung nicht nur des Täters festzustellen, sondern auch der "Autoren des zweiten Verbrechens", womit Vertuschung und Verheimlichung gemeint seien. "Das unterstützen wir ausdrücklich", so Katsch, der auch Mitglied im Betroffenenbeirat der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung ist.
"Wir überlegen im Moment unter Betroffenen, wie wir die Klage - vielleicht durch ein Crowd Funding - unterstützen können, weil wir es wichtig finden, dass auch die Justiz ihre Rolle wahrnimmt in dieser Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Vergangenheit." Matthias Katsch, Sprecher der Initiative Eckiger Tisch
Aufklärung auch von verjährten Taten
Dass auch bereits als verjährt geltende Taten angemessen aufgeklärt würden, sei Voraussetzung für einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch heute, sagte Katsch.
In der vergangenen Woche hatte der BR gemeinsam mit der Wochenzeitung "Die Zeit" und dem Recherchezentrum Correctiv darüber berichtet, dass der Anwalt eines Missbrauchsopfers aus Bayern Klage vor dem Landgericht Traunstein eingereicht hat. Die Klage richtet sich gegen den früheren Priester Peter H., der in seiner Zeit als Gemeindepfarrer in Garching an der Alz und Engelsberg in den 1990er Jahren mehrere Kinder sexuell missbraucht hat, darunter den Kläger. Beklagt sind neben dem Täter auch mehrere Kirchenverantwortliche, unter ihnen Kardinal Friedrich Wetter, der ehemalige Papst Benedikt XVI., sowie die Erzdiözese München und Freising - vertreten durch Generalvikar Christoph Klingan.
"Eine absolute Bankrotterklärung der Kirche"
Da die Missbrauchstaten strafrechtlich verjährt sind, wendet der Rechtsanwalt des Opfers, der Berliner Strafverteidiger Andreas Schulz, einen juristischen Kniff an: Er hat eine sogenannte Feststellungsklage eingereicht, mit der zwar keine strafrechtliche Verfolgung, womöglich aber eine Feststellung der Schuld der Kirche erreicht werden kann. Voraussetzung ist, dass die Beklagten formell auf den Einwand der Verjährung verzichten. Der ehemalige Münchner Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter hat das für sich bereits angekündigt.
Für Matthias Katsch ist dies der einzig gangbare Weg für die beklagten Kirchenvertreter. Würden sie stattdessen eine Verjährung zu ihrer Verteidigung vorbringen, wäre dies laut Katsch "eine absolute Bankrotterklärung der Kirche". Sie stünde zudem im inneren Widerspruch zu ihrem eigenen Rechtssystem, wo solche Verjährungen, sofern sie innerkirchlich eingetreten seien, auch aufgehoben werden könnten. "Die Kirche würde sich völlig unglaubwürdig machen, wenn sie so einen Weg abschneiden würde, gerade jetzt, wo es darum geht, die Dinge der Vergangenheit aufzuklären."
Das Erzbistum München und Freising wollte sich bisher nicht zu der Klage äußern, ebenso wenig der emeritierte Papst. Das Landgericht Traunstein teilte auf Anfrage mit, dass die Entscheidung, ob der Klage stattgegeben wird, noch ausstehe.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.