Gynäkologin Eiman Tahir in einer Praxis
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Gynäkologin Eiman Tahir hilft Opfern von Genitalverstümmelung

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Beschnittene Frauen: Münchner Gynäkologin steht vor der Pleite

Die Gynäkologin Dr. Eiman Tahir kümmert sich um Frauen, die an den Folgen von Genitalverstümmelung und Beschneidung leiden. Nun soll sie über 130.000 Euro an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzahlen.

Es geht um Vertrauen. Zu Eiman Tahir kommen Frauen aus ganz Bayern und den angrenzenden Bundesländern. Sie habe im Quartal zwischen 800 und 900 Patienten, die aber nicht nur einmal, sondern mehrmals im Quartal bei ihr erscheinen, sagt die aus dem Sudan stammende Ärztin. Die Bewältigung dieser häufigen Arzt-Patienten-Kontakte erfordere viel Zeit.

Die Frauen leiden unter den Genitalverstümmelungen, weiß die Ärztin: "Die Vulva wird zugenäht und die Frauen haben lebenslang Beschwerden, sie sind traumatisiert und psychisch auffällig. Sie haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Schmerzen bei der Periode, Schmerzen beim Wasserlassen. Ihr ganzes Leben ist geprägt von Schmerzen."

Kosten werden nicht übernommen

Weil sich die Gynäkologin mehr Zeit nehmen muss, entstehen höhere Kosten, die die Krankenkassen aber nicht übernehmen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern fordere über 130.000 Euro von ihr zurück, sagt die aus dem Sudan stammende Ärztin. Ihre Abrechnungen würden nicht dem Durchschnitt entsprechen. Neben der Rückforderung wurde Tahir zu einer Geldstrafe in Höhe von mehr als 17.000 Euro verurteilt.

Spendenaktion und Petition

Die hohen Forderungen würden die Praxis ruinieren. Die Münchner Aktivistin Fadumo Korn hat deshalb eine Spendenaktion gestartet. Faumo Korn setzt sich mit ihrem Verein Nala e.V. "Bildung statt Beschneidung" für genitalverstümmelte Frauen ein. Außerdem möchte sie mit einer Petition, die sich auch an das Bundesgesundheitsministerium richtet, die Bezahlung für Gynäkologen wie Eiman Tahir verbessern.

Die Aktivistin macht darauf aufmerksam, dass genitalverstümmelte Frauen intensive ärztliche Betreuung brauchen, weil Blutungen und Urin nicht richtig abfließen oder weil es Nierenprobleme, Blasenentzündungen, Scheidenentzündungen gibt. Weil die Vulva verschlossen sei, müsse man mit Ultraschall untersuchen - oft mehrmals im Quartal. "Das wird aber nicht bezahlt", sagt Fadumo Korn.

"Abrechnungssystem unrealistisch"

Das Kassenärztliche Abrechnungssystem mit seiner Berechnung nach Fachgruppendurchschnitt sei allgemein unrealistisch und gefährlich, da es die Ärztinnen und Ärzte zwinge, notwendige Maßnahmen zu unterlassen oder aus eigener Tasche zu bezahlen, sagt Fadumo Korn.

Unterstützung von Alt-OB Ude

Auch Münchens Alt-OB Christian Ude zählt zu den Unterstützern von Eiman Tahir. Betroffene Frauen hätten sich an ihn gewandt, in der großen Sorge, dass ihnen und allen Frauen, die von genitaler Beschneidung betroffen sind, eine unverzichtbare psychosoziale und medizinische Hilfe verloren gehen könnte ohne jede Aussicht auf zeitnahen Ersatz, so Ude.

KVB: Abrechnungssystem lässt sich nicht außer Kraft setzen

Bis zum 12. Dezember muss das Geld zurückgezahlt werden, sonst drohe die Vollstreckung, sagt Eiman Tahir. Die KVB wollte sich nicht vor der Kamera äußern. Aus Gründen des Datenschutzes könne man nicht auf Einzelfälle eingehen. In einer Pressemitteilung zollt die KVB den behandelnden Ärztinnen und Ärzten großen Respekt für ihre Arbeit.

"Dennoch lässt sich das Abrechnungssystem in der gesetzlichen Krankenversicherung, das im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet ist, auch bei dieser sehr verantwortungsvollen Tätigkeit nicht außer Kraft setzen." Pressemitteilung der KVB

Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte übernähmen mit ihrer Zulassung beziehungsweise Ermächtigung für die vertragsärztliche Versorgung auch die Pflicht, sich an die gültigen Abrechnungsregeln zu halten.

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