Jährlich erkranken in Deutschland zehntausende Menschen wegen ihrer Arbeit. So auch Elektriker Werner Ernst aus dem schwäbischen Mering (Lkr. Aichach-Friedberg). Der Arbeitslärm habe ihn schwerhörig gemacht. Eine Berufskrankheit, sagt er. Doch die Berufsgenossenschaft stelle sich quer. "Man kommt nicht an gegen die Macht der Genossenschaften", klagt Werner Ernst.
Berufskrankheitengesetz soll reformiert werden
Das Bundesgesundheitsministerium sieht eine Reform des Berufskrankheitengesetzes vor. Künftig müssen Beschäftigte ihre Arbeit nicht mehr aufgeben, um eine Berufskrankheit anerkannt zu bekommen.
Ein weiterer zentraler Punkt der Reform: Die Berufsgenossenschaften müssen Wissen über Arbeitsstätten sammeln. Das soll Betroffenen helfen, eine arbeitstypische Erkrankung zu beweisen. Das gestalte sich oftmals für die Betroffenen schwierig, erklärt Arbeitsmediziner Hans Drexler.
Denn der Grund einer Erkrankung kann Jahrzehnte in der Vergangenheit liegen. Ein gutes Beispiel sei jemand, der mit Asbest gearbeitet hat. "Der kriegt später einen Lungenkrebs und muss belegen, dass er Kontakt hatte. Aber wenn ein Beweis nicht erbracht werden kann, ist der Erkrankte der Dumme", sagt Drexler.
Kritiker: Zu wenig Krankheiten anerkannt
Die Reform sieht auch vor, dass der bislang ehrenamtliche Expertenrat, der bestimmt, was als Berufskrankheit gilt, besser unterstützt werden soll. Denn Kritiker bemängeln, dass zu wenige Erkrankungen zugelassen werden – Beispiel Depression oder Sucht. "Dass der Beruf mit ursächlich ist, ist zweifellos. Aber für eine Berufskrankheit muss er die wesentliche Ursache sein", sagt Arbeitsmediziner Drexler.
Arbeitsmediziner fordern staatlichen Gewerbearzt als Gutachter
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Neutralität der zu Rate gezogenen Ärzte. Ein Punkt, den auch Elektriker Werner Ernst umtreibt. "Ein Beratungsarzt hat einen speziellen Vertrag mit der Berufsgenossenschaft. Und er kann aber auch Gutachter sein , er muss sich nicht unbedingt outen, dass er für die Berufsgenossenschaft arbeitet", sagt Ernst.
Arbeitsmediziner Drexler wünscht sich, dass wieder der staatliche Gewerbearzt die Gutachter aussucht. Dann sei gewährleistet, dass dieser Gutachter fachkompetent ist und in keiner Abhängigkeit steht.
Im Gesetzentwurf ist davon allerdings nichts zu lesen. Elektriker Werner Ernst, der nun vor Gericht klagt, hat den vorgeschlagenen Gutachter abgelehnt. Er hält ihn für einen Interessenvertreter der Berufsgenossenschaft. Dass sein Hörschaden nun noch anerkannt wird, glaubt er nicht.
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