Hund gräbt nach Verschütteten im Schnee
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Hund gräbt nach Verschütteten im Schnee

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Zu viel gewollt: Bergwacht immer häufiger im Einsatz

Im vergangenen Sommer musste die Bergwacht zu 3.650 Einsätzen ausrücken. 85 Tote gab es am Berg. Jährlich steigt die Zahl der Einsätze, obwohl die Tourenplanung heute besonders einfach ist. Wie kann das sein?

Januar 2022 im Allgäu. Alarm bei der Bergwacht, am späten Nachmittag. Zwei Wanderer sind an der Ahornspitze im hüfthohen Schnee stecken geblieben. Soweit alles Routine, doch vor Ort dann ein erschreckender Anblick für die Bergwacht: Die beiden Bergsteiger waren im tiefsten Winter in kurzen Hosen unterwegs.

Ein extremer und kurioser Fall. Tatsächlich ist aber mangelhafte Vorbereitung die häufigste Unfallursache, wegen der die Bergwacht ausrücken muss. "Die Planung ist das A und O", sagt Stefan Guggemos von der Bergwacht in Füssen. "Wir erleben immer wieder, dass Leute spontan aufbrechen, ohne sich über die Bedingungen zu informieren; ohne zu schauen, ob ihre Kondition für die anstehenden Höhenmeter ausreicht."

Viele Bergsteiger wollen zu viel

Es fehle an Erfahrung. Früher sei man langsam ins Bergsteigen hineingewachsen, Schritt für Schritt, oft von Kindesbeinen an. "Heute wollten viele Gäste sehr schnell die großen Touren machen, die sie im Internet finden", erzählt Stefan Blochum von der Bergwacht Füssen.

Die fehlende Erfahrung führe zu Fehleinschätzungen, die in den Bergen fatale Folgen haben können. Immer wieder wird die Bergwacht zu Einsätzen gerufen, weil einfachste Grundregeln nicht beachtet wurden. "Die Leute steigen am Nachmittag in eine lange Tour ein, bei unsicherer Wetterprognose, manchmal sogar, wenn Gewitter angekündigt sind", so Blochum.

Die Ausrüstung ist oft nicht das Problem

Der klassische Turnschuh-Tourist ist da noch das geringste Problem. Viele Bergsteiger scheinen der Überzeugung, mit teurem Equipment fehlendes Know-how ersetzen zu können. "Mir hilft der beste Bergschuh nichts, wenn die Gehtechnik fehlt, wenn die Trittsicherheit fehlt", sagt Blochum. "Viele Leute, die in den Bergen unterwegs sind, haben überhaupt kein Gleichgewichtsgefühl. Dann stürze ich mit einem Bergschuh genauso ab, wie mit Halbschuhen oder Schlappen."

Ein weiteres Problem seien die sogenannten Modeberge. Gipfel mit bekannten Namen, die eine extreme Anziehungskraft ausüben. Jeder wolle dort ein Selfie vom Gipfel machen. Viele Bergfreunde scheinen sich dabei selbst unter Druck zu setzen. Anders sind viele Einsätze der Bergwacht an den alpinen Hotspots nicht zu erklären, so Stefan Guggemos.

Auf Alarmsignale achten und so Unfälle vermeiden

"Ich beobachte oft, dass eine Entscheidung getroffen und diese dann durchgezogen wird. Da wird dann jeder Widerstand ignoriert. Auch wenn der Weg weiter oder schwieriger ist als gedacht, hält man am Ziel fest, statt einfach umzukehren. Dabei könnten sehr viele Unfälle verhindert werden, wenn man nur rechtzeitig auf die Alarmsignale gehört hätte", erzählt Guggemos.

Die richtige Selbsteinschätzung und eine sorgfältige Planung würden sehr viele Unfälle vermeiden, da sind sich die Männer der Bergwacht einig. Doch eines ist ihnen auch wichtig: Die überwiegende Mehrheit der Bergsportler verhalte sich vernünftig. Zwar seien die absoluten Unfallzahlen hoch und stiegen immer weiter, doch hat auch die Zahl der aktiven Wanderer und Bergsteiger massiv zugenommen.

Bergsport muss kein Risiko sein

Der Deutsche Alpenverein weist in seiner Statistik nur die Unfälle seiner 1,3 Millionen Mitglieder aus, kommt aber zum selben Schluss wie die Bergwacht: Zwar steige die absolute Zahl der Unfälle, auch bei den DAV-Mitgliedern, jedoch langsamer als die Zahl der Mitglieder. In der Relation ist das Unfall-Risiko in den vergangenen Jahren also sogar gesunken.

DAV-Sicherheits-Experte Lukas Fritz: "Zur Veranschaulichung. Ich könnte als DAV-Mitglied statistisch gesehen 130 Jahre lang jeden Tag in die Berge gehen, bis ich zum ersten Mal einen Unfall habe. Das Risiko ist also relativ gering." Zumindest, wenn man die wichtigsten Regeln am Berg einhält.

Zur Sicherheit Kurse und Bergführer

Um das Risiko zu minimieren, ist auch eine gründliche Ausbildung extrem wichtig. Mangelnde Erfahrung kann teilweise durch entsprechende Kurse aufgeholt werden. Diese würden auch sehr gut nachgefragt, so DAV-Mann Fritz. "An der Bereitschaft zur Fortbildung mangelt es sicher nicht. Viele Kurse sind überbucht. Wir kommen oft an die Grenzen unserer Kapazität bei der Ausbildung."

Darum der Rat von Bergwacht und Alpenverein: Zwar bleibt beim alpinen Sport immer ein Restrisiko, doch bei entsprechender Planung, Ausbildung und Selbsteinschätzung ist Bergsteigen an sich kein gefährliches Hobby.

Zudem gibt es die Möglichkeit, für anspruchsvolle Touren einen Bergführer privat zu buchen. So lässt sich der alpine Traum realisieren, ohne dass am Ende die Hilfe der Bergwacht benötigt wird.

  • Zum Artikel: "Bergretterin: Berufung zwischen Leben und Tod"
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