Etwa zehn Prozent der Menschen in Bayern leben mit einer Behinderung. Sie sind von den Auswirkungen des neuen Teilhabe-Gesetzes direkt betroffen. Dieses trat am 17. Januar 2018 in Bayern in Kraft. Im Lauf der nächsten zwei Jahre wird über die Umsetzung in der Praxis beraten.
Treffen in Nürnberg
Vertreter verschiedener Behinderten-Verbände hatten zu einem Treffen nach Nürnberg (01.02.18) geladen. Das Interesse war so groß wie die Unsicherheit. "Es ist vieles noch unklar, was sich auf die Lebensbedingungen der Betroffenen auswirken wird," sagte Thomas Bannasch von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe in Bayern. Betroffene sollen und wollen ihre Sicht der Dinge in die Beratungen einbringen.
Künftig nur noch ein Ansprechpartner
Neu im Teilhabe-Gesetz ist eine veränderte Sicht auf den Menschen: Weg von der Fürsorge, hin zu möglichst gleichberechtigter Teilhabe am Leben. Die Behinderung soll nicht mehr als Makel betrachtet werden. Und was ein Mensch zum Leben braucht, soll individuell auf jeden persönlich abgestimmt werden. Dafür sind künftig die Bezirke zuständig. "Es kommt künftig alles aus einer Hand", sagt Mittelfrankens Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU). "Damit muss niemand mehr wie der Buchbinder Wanninger von einer Stelle zur anderen geschickt wird. Der Bezirk Mittelfranken ist für alle in Mittelfranken zuständig."
30 neue Mitarbeiter beim Bezirk
Bisher kam Geld für die Grundsicherung von den Städten und Landratsämtern. Hilfsmittel wie Rollstühle oder extra Tastaturen für Sehbehinderte haben wieder andere Stellen bezahlt. Künftig sollen Behinderte nicht mehr von Sozialhilfe abhängig sein, sondern aus anderen Töpfen bezahlt werden. Das bedeutet, dass Akten von 1.300 Einzelpersonen zum Bezirk nach Ansbach gebracht werden. Bartsch rechnet dafür mit 30 neuen Mitarbeitern.
Jeder wird einzeln eingeschätzt
Wer allerdings künftig wie viel Geld bekommt, ist noch völlig offen. Angedacht ist das internationale ICF-Klassifizierung-System. Dieses bewertet nach bestimmten Kriterien der Weltgesundheitsorganisation, wie stark jemand beeinträchtigt ist. In Mittelfranken wurden solche Modelle bereits vor einigen Jahren getestet. Wie tauglich das System in der Praxis ist, ist unklar.
Befürchtung: weniger Geld als vorher
Die Befürchtung besteht, dass am Ende weniger für die Hilfe übrig bleibt. Weil der Verwaltungsaufwand steigen könnte. Bisher waren in den Leistungen für ein Wohnheim etwa Wohnkosten, Lebensmittel und Pflege inbegriffen. Dies wird nun auseinandergenommen und anders wieder zusammengerechnet.
Im Rentenalter umziehen müssen?
Sorgen über das Leben im Alter machen sich vor allem Bewohner der Behindertenheime. Sie befürchten, als Rentner aus der gewohnten Umgebung in ein Seniorenheim umziehen zu müssen. "Das wäre schlimm, da kenne ich ja niemanden", sagt eine Frau im Publikum. Zudem ist das Pflegepersonal bisher nicht für die Pflege behinderter Menschen ausgebildet. Ein Gehörloser beispielsweise hätte im Pflegeheim niemanden zum Kommunizieren – es sei denn, das Personal lernt auch die Gebärdensprache.
Umsetzung innerhalb von zwei Jahren
Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden nun Nägel mit Köpfen gemacht für die künftigen Lebensbedingungen behinderter Menschen. Um die Betroffenen zu hören, sind weitere Treffen in Nürnberg geplant. Die mittelfränkischen Initiatoren empfehlen dies übrigens auch den anderen bayerischen Bezirken.