Das Versprechen war groß, das CSU und Freie Wähler vor rund vier Jahren gegeben haben: Für die großen Städte in Bayern – München, die Region Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg – soll es ein 365-Euro-Ticket geben. Auf Dauer.
Wie lange "auf Dauer" sein würde und wer genau von dem Vorhaben profitieren sollte, stand zwar nicht konkret im Koalitionsvertrag. Aber die Erwartung war da, dass bald alle Einwohner von Ballungszentren profitieren könnten.
Alle werden es zwar auch nach dem heutigen Tag nicht werden, aber es sollen mehr Menschen profitieren – und das für einen längeren Zeitraum. Darauf hat sich das Kabinett heute geeinigt.
365-Euro-Ticket auch für Aschaffenburg, Neu-Ulm und Lindau
"Das Ziel aus dem Koalitionsvertrag ist umgesetzt", so sagte es Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter heute nach der Kabinettssitzung. Seit 2020 und 2021 gilt das 365-Euro-Ticket bereits in den Verkehrsräumen München, Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Augsburg und Ingolstadt, allerdings nur für Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Der Freistaat übernimmt jeweils zwei Drittel der Kosten, in diesem Jahr rund 80 Millionen Euro, wie das Verkehrsministerium auf BR24-Anfrage mitteilte. Man erreiche so einen Großteil der Schülerinnen und Schüler, sagte Bernreiter. Und bald sollen es noch mehr werden.
Ab August 2023 will der Freistaat das Ticket auch für die Region Aschaffenburg und die Landkreise Neu-Ulm und Lindau fördern – für Schülerinnen, Schüler und Auszubildende. Außerdem sichert der Freistaat auch dann Geld zu, wenn Verkehrsverbünde größer werden. Das betrifft vor allem die Verkehrsverbünde München und Nürnberg, die sich erweitern wollen. Im kommenden Jahr werden die Ausgaben des Freistaates für das 365-Euro-Ticket deswegen auf 98,5 Millionen ansteigen, also 18,9 Millionen Euro höher sein als in diesem Jahr.
Zukunft des Tickets ist ungewiss
Fraglich ist allerdings, wie lange der Freistaat das Ticket weiter fördern wird. Verkehrsminister Bernreiter hat heute lediglich eines klargemacht: "Wir wollen den kommunalen Aufgabenträgern anbieten, das 365-Euro-Ticket bis 31. Juli 2025 zu verlängern", sagte er. Bis dahin solle das Ticket evaluiert werden. Eigentlich sollte eine Bilanz schon im kommenden Jahr fällig sein, aber durch Corona und das 9-Euro-Ticket sei es schwer geworden, die Wirkung des Tickets wirklich zu beurteilen. Nun will das Verkehrsministerium länger abwarten und auch prüfen, wie das Ticket ankommt, wenn es auch das sogenannte Deutschlandticket gibt. 2025 wird die Staatsregierung dann voraussichtlich entscheiden, wie es mit dem 365-Euro-Ticket weitergeht.
Opposition kritisiert "Flickenteppich" und "Tarifdschungel"
Der Großteil der Opposition hält die heutige Ankündigung nicht für den großen Wurf – im Gegenteil. Der Vorstoß sei zu kurz gesprungen, sagt Volkmar Halblein, Verkehrsexperte der SPD im bayerischen Landtag. "Wir als SPD wollen keinen Flickenteppich, sondern ein verbilligtes Nahverkehrsticket, das in ganz Bayern gültig ist. Studierende und Azubis gibt es auch außerhalb der Ballungsräume." Er schlägt ein 29-Euro-Ticket vor, das erst für junge Menschen, dann in Form eines Sozialtickets und dann für alle gelte.
Ähnlich sehen das auch die Grünen. "Minister Bernreiters Kleinstmaßnahmen beim 365-Euro-Ticket sind Flickschusterei“, sagt Markus Büchler, Sprecher für Mobilität. "Damit bleibt Bayern ein unübersichtlicher Tarifdschungel." Es solle ein landesweites 365-Euro-Ticket für junge Menschen geben.
Vom verkehrspolitischen Sprecher der FDP, Sebastian Körber, heißt es, der Freistaat solle sich erst einmal zum Deutschlandticket bekennen, ehe er im Kleinen das 365-Euro-Ticket erweitere. Wenn das Deutschlandticket erst einmal eingeführt sei, dann könne es bei diesem Preisanpassungen für Schülerinnen und Schüler, Studenten oder sozial Bedürftige geben.
Verkehrsministerium fordert Klärung des Deutschlandtickets
Die Staatsregierung entgegnet, dass sie voll zum Deutschlandticket stehe. "Wir als Länder wollen natürlich, dass das flächendeckend eingeführt wird", sagte Bernreiter heute. Der Freistaat sei bereit, auch über die zugesagten drei Milliarden Euro hinaus die Hälfte zu zahlen. "Aber jetzt ist der Bund an der Reihe."
Über das Deutschlandticket, oder auch 49-Euro-Ticket, wird seit Wochen gestritten. Es wird wohl erst im Frühjahr des kommenden Jahres starten – statt bereits im Januar. In dem Konflikt geht es vor allem um die Finanzierung.
Bund und Länder hatten sich zuletzt darauf geeinigt, bis zu drei Milliarden Euro Ausgleich für Einnahmeausfälle der Verkehrsbetriebe zu zahlen. Es ist aber unklar, ob diese Summe ausreichen wird. Der Freistaat – und auch andere Länder – fordern nun vom Bund, dass er anteilig zusätzliche Kosten übernimmt, sollten diese fällig werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) war da aber zuletzt zurückhaltend. Eigentlich ist der öffentliche Nahverkehr Ländersache. Am Donnerstag werden sich Bund und Länder wieder zusammensetzen – und Verkehrsminister Bernreiter hofft auf eine Einigung, sagte er.
365-Euro-Ticket als Ergänzung zum Deutschlandticket
Dass es das 365-Euro-Ticket auch dann noch braucht, ist für Bernreiter klar. Dieses sei eine "sinnvolle Ergänzung" zum Deutschlandticket, da nicht alle Kunden auf das bundesweite Angebot umsteigen würden. Das 365-Euro-Ticket sei deswegen ein wichtiges Angebot zur sozialen Teilhabe und um junge Menschen an den öffentlichen Nahverkehr zu binden.
Zustimmung kommt da von der AfD. Der AfD-Verkehrsexperte im Landtag, Uli Henkel, sagte, das 365-Euro-Ticket fördere genau die richtige Gruppe und biete "damit auch so manchem Azubi eine echte Alternative zum eigenen Auto". Das Deutschlandticket hingegen wertete er als "one hit wonder" und "Fass ohne Boden", für das kein Geld ausgegeben werden solle.
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