Florian von Brunn, Chef der Bayern SPD, Ruth Müller, Generalsekretärin, und SPD-Chef Lars Klingbeil  bei der Winterklausur der Landtags-SPD.
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Florian von Brunn, Chef der Bayern SPD, Ruth Müller, Generalsekretärin, und SPD-Chef Lars Klingbeil bei der Winterklausur der Landtags-SPD.

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Bayern-SPD: Mit Kanzlerbonus zu 15 Prozent plus X?

Mit Attacken auf CSU-Chef Söder und einem "direkten Draht" ins Kanzleramt will die Bayern-SPD bei der Landtagswahl die Wähler überzeugen. Aber die Strategie des Spitzenkandidats Florian von Brunn birgt auch Gefahren. Eine Analyse.

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"Ich dachte, dass Märchenkönige in Bayern ausgedient haben", lästert ein gut gelaunter Florian von Brunn zum Abschluss der "sehr, sehr guten Klausur" der SPD-Landtagsfraktion über CSU-Chef Markus Söder.

Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl zeigt, wohin die Reise gehen soll im Landtagswahlkampf: Die Bayern-SPD will sich die Versprechen der Söder-Regierung ganz genau anschauen und aufzeigen, wo der CSU-Chef nur "Märchenschlösser" gebaut und Versprechen nicht eingelöst hat. Um die SPD in Bayern bei der Landtagswahl besser abschneiden zu lassen als beim letzten Mal (9,7 Prozent), setzt von Brunn auch auf Unterstützung aus Berlin.

Top-Thema: Bezahlbares Wohnen

Besonders viel Potenzial im Wahlkampf sieht der SPD-Fraktionschef beim Thema "bezahlbares Wohnen". Die offene Flanke der Söder-Regierung ist hier die staatliche Wohnungsbaugesellschaft "Bayernheim". Söder hatte in seiner ersten Regierungserklärung vor viereinhalb Jahren versprochen, bis 2025 zehntausend neue und bezahlbare Wohnungen zu errichten. Sein Bauminister Christian Bernreiter (CSU) hat zuletzt zwar einen Wohnungsbooster versprochen. Die vom Minister genannten Zahlen der Projekte, die in Planung sind, sind allerdings zwei Jahre vor 2025 weit entfernt von Söders Zielmarke.

Aber selbst dieses neue Ziel ist nicht zu erreichen aus Sicht von Heike Piasecki vom Beratungsunternehmen bulwiengesa, das für die SPD eine Studie zum bayerischen Wohnungsmarkt erstellt und im Rahmen der Klausur vorgestellt hat. Die Bayernheim sei "ein Totalausfall", schimpft von Brunn und erklärt, seine Partei wolle in Bayern für 80.000 neue Wohnungen pro Jahr sorgen.

Außerdem fordert von Brunns SPD für das vergleichsweise teure Bayern ein zusätzliches Wohngeld für Bedürftige. Wohnen sei "ein Grundbedürfnis, kein Geschäftsmodell", so die Überzeugung der Bayern-SPD. Eine Hypothek trägt sie allerdings mit in den Wahlkampf: Bundesbauministerin Klara Geywitz, SPD, wird ihr Ziel von bundesweit jährlich 400.000 neuen Wohnungen wohl nicht schaffen.

Bayern-SPD hofft auf Kanzlerbonus

Trotzdem wird Spitzenkandidat Florian von Brunn seit Wochen nicht müde zu sagen: "Ich habe den direkten Draht ins Kanzleramt." Es ist Teil der Strategie, mit der von Brunn Wählerstimmen generieren will. Er erklärt, es sei schließlich die SPD, die sich "bei der Bundesregierung für Bayern einsetzen" könne. Die CSU sei dagegen eher "Juniorpartner in der Opposition" und habe keinen direkten Einfluss.

Auch mit der inhaltlichen Arbeit der Bundesregierung versucht von Brunn im Landtagswahlkampf zu punkten. Er spricht vom "Deutschlandtempo", das man auf Bayern übertragen wolle: etwa bei der Energie- und bei der Verkehrswende. Doch das kann auch nach hinten losgehen: Keiner weiß, wie die Ampel im Herbst dastehen wird. Wie sich Krieg und Krise bis dahin auswirken und ob die rot geführte Bundesregierung die Probleme in den Augen der Bürgerinnen und Bürger wirklich lösen kann. Eine Sorge, die auch bei der Klausur der SPD-Landtagsfraktion intern kritisch angesprochen worden sei, wie einzelne Teilnehmer BR24 berichten.

Unwägbarkeit durch Krieg und Krise

Momentan reklamiert Florian von Brunn als Erfolg der Berliner Ampel, dass es der Bundesregierung gelungen sei, auch mit Hilfe von schnell errichteten LNG-Terminals auf russisches Gas zu verzichten, ohne, dass es zu "Massenarbeitslosigkeit gekommen ist" und "ohne, dass jemand frieren musste". Doch von Brunn dürfte auch wissen, dass das Management der Energiekrise weniger dem Kanzler als dessen Stellvertreter, Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen, zugeschrieben wird. Ein Punkt also weniger für die SPD als für die Grünen. Und die stehen mit konstant 18 Prozent in Umfragen in Bayern derzeit mit Abstand besser da als die SPD.

Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in der Krise, das versucht sich die SPD ans Revers zu heften: Um 2.000 Euro pro Jahr werde eine vierköpfige Familie dank der Hilfen der Bundesregierung finanziell entlastet, rechnet von Brunn vor. Die SPD kümmere sich um die Dinge, die die Menschen ganz konkret betreffen, findet von Brunn und hofft, dass die Menschen das wahrnehmen und bei der Landtagswahl im Oktober auf den Wahlzettel übertragen. Sprich, dass sie ihr Kreuz bei der SPD setzen.

Wahlziel: 15 Prozent plus X

SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn wirkte zu Beginn der Klausurtagung am Dienstag noch etwas angespannt. Erst vor wenigen Tagen musste er den Rücktritt seines Generalsekretärs und Wahlkampfmanagers Arif Tasdelen verdauen. Die Vorwürfe der Jusos, dieser habe sich unangemessen gegenüber Jungsozialistinnen verhalten, sind noch nicht aufgearbeitet. Das und eine unzureichende Kommunikation in Fraktion und Partei lasten einige Genossen auch von Brunn an. Wenngleich der Parteichef nach dem Rücktritt schnell reagiert und ein inhaltlich breit aufgestelltes Generalsekretärs-Team vorgestellt hat. Inzwischen hat er eine Kommission eingesetzt, die die Vorwürfe gegen Tasdelen prüft.

Mit seinem Wahlziel "15 Prozent plus x" hat sich von Brunn zudem aus dem Fenster gelehnt, er wird sich auch persönlich daran messen lassen müssen. Die jüngsten Umfragen mit neun beziehungsweise zehn Prozent für die Bayern-SPD in der Sonntagsfrage dürften ihm durchaus Sorgen machen. Der Druck ist auch deshalb groß, weil der Münchner nur eine knappe Mehrheit der Genossen wirklich hinter sich weiß - mit Ach und Krach hatte er 2021 sein persönliches Ziel erreicht, Landes- und auch Fraktionschef zu werden.

Zwar machten ihn die Genossen beim Parteitag im Oktober mit guten 93 Prozent zum Spitzenkandidaten, doch nach wie vor fremdelt mancher mit seiner Art, Partei und Fraktion zu führen. Und einige betonen, sie hielten sich mit offener Kritik zurück, weil sie von Brunn in dem Punkt zustimmten, dass "nur eine geschlossene Partei auch erfolgreich" sein kann.

Bundes-SPD und Bayern-SPD: Ausgangslage nicht vergleichbar

Von Brunn wird nicht müde, immer wieder zu betonen, dass auch die Bundes-SPD im Bundestagswahljahr 2021 in Umfragen schwach gestartet sei - "am Ende zog Olaf Scholz ins Kanzleramt". Doch die Bundes-SPD profitierte 2021 von einem "Momentum": Weil die Kanzlerin aufhörte, war in der Union ein Macht-Vakuum entstanden, die Unionsparteien und ihre Vorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder lagen im Streit.

Hinzu kommt, dass die Bundes-SPD, die schließlich Teil einer Großen Koalition unter Angela Merkel war, bekannte Köpfe im Team hatte und schon deshalb von den Wählerinnen und Wählern als regierungsfähig wahrgenommen wurde.

In Bayern ist die Ausgangslage anders: Seit Jahrzehnten war die SPD nicht in der Landesregierung. Selbst die Führungsriege der Bayern-SPD ist im Land relativ unbekannt. Das gilt für den Spitzenkandidaten genauso wie für seine Co-Landeschefin Ronja Endres und das gerade erst nominierte Generalsekretärsteam Ruth Müller und Nasser Ahmed.

Bekanntheitsprobleme beim Spitzenpersonal

Laut BR24 BayernTrend vom Januar sind 56 Prozent der Menschen in Bayern mit der Arbeit von Markus Söder zufrieden. Zum Vergleich: Von Olaf Scholz sagten das nur 40 Prozent.

Bayerns SPD-Spitzenkandidat von Brunn kommt in der gleichen Umfrage sogar nur auf zwölf Prozent Zufriedenheit, "weniger" oder "gar nicht zufrieden" sind 23 Prozent. Alle anderen Befragten, also fast zwei Drittel, hatten angegeben, ihn entweder nicht zu kennen oder "keine Angabe" machen zu wollen. Die Demoskopen von infratest dimap betonen, der SPD-Spitzenkandidat kämpfe "nach wie vor mit sichtbaren Bekanntheitsproblemen", eine große Mehrheit der Wahlberechtigten tue sich schwer, seine Arbeit "momentan zu bewerten".

Kampagne: Kanzler-Macher sollen Bayern-SPD pushen

Gegensteuern will der Spitzenkandidat mit Hilfe der Kanzlermacher: Die Bayern-SPD hat die Hamburger Agentur Raphael Brinkert engagiert, die den erfolgreichen Wahlkampf der Bundes-SPD gestaltet und Olaf Scholz letztlich mit ins Kanzleramt geführt hat. Auch für Angela Merkel hatte die Agentur einst gearbeitet.

Das Bekanntheitsthema werde sich bald erledigen, "lassen Sie sich überraschen", gibt sich von Brunn optimistisch. Zu Inhalt und Ausgestaltung der Kampagne will er noch nichts preisgeben. Er sagt schmunzelnd: "Wir werden sicherlich Plakate kleben."

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Der Chef der Bundes-SPD Lars Klingbeil, der zum Auftakt der Klausurtagung nach München gekommen war, hat den Genossen in Bayern dennoch eine kaum lösbare Aufgabe mitgegeben. Klingbeil träumt offen von einer anderen politischen Mehrheit. "Es täte diesem Land gut, anders regiert zu werden." Und weiter: "Wenn ich in einen Wahlkampf gehe oder ihn unterstütze, dann will ich gewinnen. Das ist auch hier der Fall", so Klingbeil am Dienstag in München. Auf die Nachfrage ob er darunter "Zugewinne" oder wirklich "gewinnen" verstehe, wiederholt Klingbeil selbstbewusst: "Ich will gewinnen."

Dass die bayerischen Genossen am Ende als Wahlsieger dastehen, scheint angesichts der Ausgangslage utopisch. Die Bayern-SPD ist gefangen zwischen dem Anspruch einer Kanzlerpartei und der bayerischen Realität. Die kennt auch Florian von Brunn. Er zeigt sich dann auch bescheidener als sein Chef im Bund und spricht nicht von "gewinnen", sondern davon, "deutlich zulegen" zu wollen.

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