Nachdem sich die Gesundheitsminister der Länder auf kein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, geht Bayern voran: Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr läuft im Freistaat aus, ab dem Wochenende soll in Bussen und Bahnen nur noch eine Empfehlung gelten. Das beschloss am Vormittag das bayerische Kabinett, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte. Die Corona-Lage im Freistaat sei sehr stabil, die Inzidenz sei die niedrigste aller Bundesländer.
Sachsen-Anhalt schließt sich an
Dem Staatskanzleichef zufolge soll jetzt wieder die Eigenverantwortung in den Vordergrund rücken. "Es handelt sich dabei nicht um ein Maskenverbot", betonte Herrmann. Die übrigen Corona-Regeln - wie die Maskenpflicht in Arztpraxen und Tageskliniken - werden laut Herrmann bis 20. Januar verlängert. Kurz nach dem bayerischen Kabinett beschloss auch Sachsen-Anhalt das Ende der Maskenpflicht im ÖPNV - schon ab Donnerstag.
Holetschek: Maskenpflicht im ÖPNV nicht mehr verhältnismäßig
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach von einem richtigen und verantwortbaren Schritt. Bei der Entscheidung sei die Lagebeurteilung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einbezogen worden, zudem habe er viele Gespräche mit Expertinnen und Experten geführt. Angesichts der aktuellen Entwicklung sei die Verhältnismäßigkeit der Schutzmaßnahe "nicht mehr gegeben".
Der Minister verwies darauf, dass in Europa 23 von 27 Staat keine Maskenpflicht mehr hätten. Die Staatsregierung werde aber deutlich machen, "dass die Maske ein wichtiges Instrument bleibt, um sich selbst zu schützen und andere zu schützen", sagte Holetschek.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) twitterte: "Die Freien Wähler stehen für Eigenverantwortung und Verhältnismäßigkeit." Zugleich forderte er den Bund auf, jetzt in den Fernzügen die Maskenpflicht ebenfalls abzuschaffen.
Lauterbach: "Ich bin einfach nicht davon überzeugt"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisierte die Entscheidung der beiden Bundesländer. "Ich bin einfach davon nicht überzeugt", sagte der SPD-Politiker in Berlin. In der Gesundheitsministerkonferenz mit den Ländern hätten er und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am Montag nochmals deutlich gemacht, dass es keine Gründe gebe, jetzt zu sagen, man könne auf Masken und auf die Isolation von Corona-Infizierten verzichten. Lauterbach verwies auf eine zu erwartende ansteckendere Virusvariante, dazu nun auch andere RS-Viren und eine Grippewelle.
Maskenpflicht in Fernzügen bleibt
Die Gesundheitsminister und -ministerinnen der Länder hatten in Magdeburg vorerst keine neue Übereinstimmung für weitere Änderungen an den Corona-Schutzvorgaben gefunden. Für die Corona-Regeln in Bussen und Bahnen sind die Länder zuständig. In Bayern muss bisher mindestens eine medizinische Maske getragen werden.
Für Busse und Bahnen des Fernverkehrs hat der Bund bis Anfang April eine FFP2-Maskenpflicht gesetzlich vorgeschrieben - im Flugverkehr ist sie dagegen schon im September weggefallen.
Kritik von SPD und Grünen
Die SPD-Gesundheitsexpertin im Landtag, Ruth Waldmann, sprach auf BR-Anfrage von einer "sehr fragwürdigen" Entscheidung der Staatsregierung. Kliniken und Arztpraxen seien "überlaufen von Menschen mit Atemwegsbeschwerden". Es drohe ein Kollaps. "Was ist das jetzt für ein Signal an die Kliniken?" Die Staatsregierung müsse das Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn "sehr gut begründen", mahnte die SPD-Politikerin. Die Inzidenzen hätten "null Aussagekraft".
Auch von der Grünen-Fraktion kommt Kritik: Die Maske aufzusetzen, sei eine einfache, wenig belastende und verhältnismäßige Maßnahme, sagt Grünen-Gesundheitsexpertin Christina Haubrich auf BR-Anfrage. "Sie hat aber große Wirkung." Um eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern, müsse sich die Staatsregierung nun mit voller Kraft darauf konzentrieren, dass Kliniken gut ausgestattet und auf steigende Fallzahlen vorbereitet sind.
Lob von der FDP
Der bayerische FDP-Fraktionschef Martin Hagen zeigte sich bei BR24live erfreut, dass die Staatsregierung "jetzt auch ein Einsehen" habe. Eine Empfehlung statt einer Maskenpflicht sei der richtige Weg. Jeder könne nun für sich entscheiden, ob er eine Maske tagen wolle, um sich selbst zu schützen, oder nicht. "Diese Eigenverantwortung ist die richtige Antwort auf die Situation, die wir jetzt haben - nämlich, dass Corona eine Krankheit ist wie andere und auch so behandelt werden sollte", sagte Hagen.
Analog zum ÖPNV in Bayern sollte dem FDP-Politiker zufolge jetzt auch die Maskenpflicht im Fernverkehr abgeschafft werden. "Das Signal aus Bayern solte auch in Berlin gehört werden, Karl Lauterbach sollte jetzt auch wie Herr Holetschek erkennen, dass es Zeit ist für ein Kurskorrektur." Die Maskenpflicht in Heimen und Pflegeheimen ist nach Meinung des FDP-Politikers für Besucher nach wie vor gerechtfertigt, "für Bewohner sollte sie sofort abgeschafft werden", betonte er. "Dass Altenheimbewohner, die ja oft die letzten Monate ihres Lebens dort in Einrichtungen verbringen, dazu gezwungen werden, in Begegnungsräumen, auf Fluren Maske zu tragen, halte ich für einen Skandal."
AfD: Rückkehr zur Normalität
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag, Andreas Winhart, zeigte sich erfreut über die "Rückkehr zur Normalität". Allerdings hätte es die "enormen Eingriffe in die Bürgerrechte" seiner Meinung nach niemals geben dürfen.
Das BR24live zur Masken-Entscheidung des bayerischen Kabinetts zum Nachschauen:
Coronavirus - RKI registriert 46 787 Corona-Neuinfektionen
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