Noch gilt in Deutschland bei Organspende die aktive Entscheidungslösung
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Noch gilt in Deutschland bei Organspende die aktive Entscheidungslösung

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Bayern plant Initiative für Widerspruchslösung bei Organspenden

Bayern will einen weiteren Vorstoß für eine Neuregelung der Organspende starten. Gesundheitsminister Holetschek sprach sich für eine Widerspruchslösung aus. Transplantationspatienten müssen in Deutschland oft viele Jahre auf geeignete Organe warten.

Bayern will mit anderen Bundesländern einen neuen Anlauf zur Änderung der Regelungen bei Organspende starten. "Wir sehen, wir kommen nicht recht weiter", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dem BR. Man habe viele Kampagnen gemacht und versucht zu erklären und aufzuklären. Nun müssten neue Wege gegangen werden.

Holetschek sprach sich für die Einführung einer sogenannten Widerspruchslösung aus. Bei dieser kann jeder Bürger nach dem Tod Organspender werden, wenn er es nicht ausdrücklich abgelehnt hat. "Die Widerspruchslösung bei der Organspende könnte uns nach vorne bringen", sagte Holetschek. Das zeige auch der Blick ins europäische Ausland. Deshalb arbeite Bayern mit anderen Bundesländern an einer entsprechenden Bundesratsinitiative.

Markus Guba, Leiter des Transplantationszentrums der LMU München
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Markus Guba, Leiter des Transplantationszentrums der LMU München

Deutschland bei Organspenden Schlusslicht in Europa

Auch viele Mediziner unterstützen diesen neuen Vorstoß Richtung Widerspruchslösung. Deutschland sei mit unter zehn Spendern pro eine Million Einwohnern absolutes Schlusslicht in Europa, sagte Professor Florian Sommer, Oberarzt der Klinik für Allgemein- Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Augsburg, im BR-Interview. "Im Hinblick auf eine Transplantation können wir unseren Patienten im Moment nicht die bestmögliche Behandlung, eine Transplantation in einem überschaubaren Zeitraum, anbieten."

Wer in Deutschland eine Nierentransplantation braucht, warte im Schnitt acht bis zehn Jahre auf ein Organ, so Sommer. In anderen Ländern, die das besser organisiert hätten, gelinge es in weniger als zwei Jahren, ein Organ zu finden. "Wir haben Luft nach oben und es besteht Handlungsbedarf."

"Körper wird nach dem Tod nicht Allgemeingut"

Gegen die Widerspruchslösung ist dagegen der Kemptner Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae (FDP): "Ich bin immer noch der Auffassung, dass der Körper des Menschen mit dem Tod nicht zum Allgemeingut wird, sondern eine Person dazu eine Entscheidung treffen muss." Der Bundestag hatte 2020 gegen die Einführung einer Widerspruchslösung gestimmt. Thomae räumte gegenüber dem BR ein, dass sich die Dinge nicht so entwickelt haben, wie damals erhofft.

So fehle immer noch ein digitales Spendenregister und eine entschiedene Aufklärung der Menschen über das Thema Organspende. Er sieht als Möglichkeit an, dass man zwar grundsätzlich die heute gültige Entscheidungslösung beibehält, "sich ein Mensch aber bei bestimmen Anlässen entscheiden muss, ob er Organspender sein will oder nicht."

Noch gilt in Deutschland die Entscheidungslösung

Derzeit gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung, bei der aktiv einer Organspende zugestimmt werden muss. In Deutschland sinkt die Zahl der Organspender. Vergangenes Jahr haben laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation gerade mal 869 Menschen ein oder mehrere Organe gespendet – insgesamt knapp 2.800 Organe. Fast zehn Mal so viele Menschen, rund 8.500, stehen derzeit auf den Wartelisten für ein Organ. Davon kommen fast 1.200 Patienten aus Bayern, wie die internationale Organvermittlungsstelle Eurotransplant angibt.

Alle sechs bayerischen Unikliniken haben sich zusammengeschlossen, um auf das Thema Organsende aufmerksam zu machen. Unter anderem organisieren sie für den 25.4. in München einen "Organspendelauf", zu dem Tausende Teilnehmer erwartet werden – und von denen viele selbst mit einem gespendeten Organ leben.

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