Elisabeth Sorger, Schriftführerin des Bayerisch-Ungarisches Forums, beklagt, dass die Presse - vor allem die in Deutschland - über ihr Heimatland und die Politik Orbáns viel zu einseitig berichte: "Ungarn rutscht da in eine sehr negative Nische. Das macht uns Ungarn traurig und ärgerlich."
In dem seit etwa 25 Jahren bestehenden Bayerisch-Ungarischen Forum wird nicht nur über Politik diskutiert, berichtet Elisabeth Sorger. Es werden vor allem die seit langem guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern gepflegt. Daher kann sie auch nicht verstehen, warum das, was 1956 beim ungarischen Volksaufstand und 1989 beim Fall der Grenzzäune noch gelobt wurde, plötzlich als negativ gesehen wird:
"Der Charakter der Ungarn ist ein bisschen eigenwillig. Wir tun nicht gerne das, was einem befohlen wird, was die Obrigkeiten machen. Und jetzt kommt ein neues Kapitel, wo die mutige Eigenwilligkeit, der eigene Weg, plötzlich als sehr negativ beurteilt werden - das ist sehr ungerecht." Elisabeth Sorger
"Ein Großteil der hier in Bayern lebenden Ungarn unterstützt Orbán"
Die Politik des seit 2010 zum zweiten Mal regierenden Viktor Orbán sieht die seit 1974 in München lebende Sorger größtenteils als richtig an:
"Keine Regierung ist perfekt. Ein Großteil der hier in Bayern lebenden Ungarn unterstützt Orbán. Ich habe das Gefühl, dass die klassische Gesellschaftsstruktur, in der wir groß geworden sind, besser geschützt ist, wenn man der aktuellen Regierung folgt." Elisabeth Sorger
Die Kritik an Ungarns Verhalten während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sei überzogen gewesen. Auch der Vorwurf, dass die Medien im Land auf eine einheitliche Linie getrimmt werden, stimme so nicht:
"Da habe ich konkrete Erfahrungen: Schreiben kann man alles und man wird dafür nicht bestraft. Solche negative Kritiken, die man in Ungarn liest, habe ich in Deutschland noch nie gelesen." Elisabeth Sorger
"Das Leben mehrerer Generationen wird durch diese Politik zerstört"
Eine Meinung, die der in Weilheim lebende Károly Szabó nicht teilt. Er ist vor zehn Jahren aus Ärger über die ungarische Politik nach Bayern gezogen und hofft darauf, dass Orbán abgewählt wird oder zumindest nicht mehr mit einer absoluten Mehrheit regieren kann. Szabó beklagt die grassierende Korruption im Land oder das schlechte Gesundheitswesen, da viele Ärzte Ungarn verlassen haben und es einen großen Mangel an Krankenpflegern gibt.
"In acht Jahren hat Orbán nichts verbessert. Die Regierung hat Gesetze nur für den eigenen Zweck gemacht. Die Regierungspartei Fidesz versorgt nur die eigene Verwandtschaft. Das Leben mehrerer Generationen wird durch diese Politik zerstört." Károly Szabó
Der Karatetrainer sieht keine Besserung, wenn Orbán wiedergewählt würde, da seiner Meinung nach die Regierung kein positives Programm habe:
"Stattdessen wird den Leuten den ganzen Tag gesagt, dass Ungarn bedroht wird: Es wird die Furcht vor Flüchtlingen geschürt, aber auch vor dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros, der Ungarn zerstören wolle. Alle Gegner Orbáns sind Agenten von Soros. Das wird behauptet." Károly Szabó
Szabó hat per Briefwahl eine Oppositionspartei gewählt, die ein seiner Ansicht nach positives Programm für die Wirtschaft bietet. Er hofft auf eine starke Wahlbeteiligung, dann wäre es möglich, die aktuelle Regierung abzulösen: "Übermacht tut selten gut."
"Deutschland hat auch eine Verantwortung für Ungarn"
Auf einen anderen Aspekt weist Josef Mészáros hin, der 1956 nach dem ungarischen Volksaufstand nach Bayern gekommen ist und viele Jahre lang als Ingenieur bei MAN gearbeitet hat. Er glaubt, dass viele seiner Landsleute einen falschen Stolz hätten. Politik heutzutage heiße gerade innerhalb der EU, dass man auch mit den Nachbarländern reden müsse:
"Die Ungarn klammern sich noch an das Nationale und glauben: Wir sind noch etwas. Es wäre die Aufgabe der führenden Partei, den Menschen klarzumachen, dass sie Geld bekommen von der EU, aber dafür auch etwas tun müssen. Ohne ein bestimmtes Reglement funktioniert das nicht mehr. Aber Deutschland hat als größtes Geberland auch eine große Verantwortung für Ungarn." Josef Mészáros
Die Umfragen sagen zwischen 20 und 30 Prozentpunkte Vorsprung für Orbáns Fidesz-Partei voraus. Durch die veränderten Wahlgesetze würden unter Umständen auch deutlich weniger Stimmen als vor vier Jahren zur absoluten Mehrheit reichen.