Neigetechnikzug im Allgäu
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Neigetechnik-Züge fahren in Franken, der Oberpfalz und in Schwaben. Auch nach 2030, hat die Staatsregierung entschieden.

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Bahn in Bayern: Warum die Neigetechnik doch Zukunft hat

Neigetechnik: Das sind die Züge, die sich wie ein Motorradfahrer in die Kurve legen. Sie galten als Auslaufmodell, aber inzwischen ist klar, dass sie in Bayern auch künftig fahren dürfen. Warum das wichtig ist und was jetzt passieren muss.

Die Technik ist ideal für Gegenden, in denen die Eisenbahngleise nicht gerade sind: Damit es den Zug bei hohen Geschwindigkeiten nicht aus der Kurve trägt, neigt er sich. Auf diese Weise kann er zehn bis 15 Prozent schneller unterwegs sein. Besonders viele dieser Neigetechnik-Züge sind in Oberfranken unterwegs, aber auch in der Oberpfalz, Mittelfranken und Schwaben, wie auf der Grafik unten zu sehen ist. Insgesamt zehn Prozent der Nahverkehrszüge in Bayern fahren laut Fahrgastverband Pro Bahn mit Neigetechnik.

Grafik: Neigetechnik-Strecken in Bayern

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Rund zehn Prozent der Nahverkehrszüge in Bayern fahren mit Neigetechnik.

Gerade in Oberfranken ist der Fahrtzeitgewinn durch die Neigetechnik entscheidend, um den Taktfahrplan einzuhalten. Nur so erreichen die Regionalzüge die Anschlüsse an die ICEs in Nürnberg. Der Zugverkehr wurde so attraktiver. Nach der Einführung der Technik 1992 stiegen 35 Prozent mehr Fahrgäste ein. Was passiert, wenn die Neigetechnik fehlt, konnte man um das Jahr 2010 herum beobachten – die Passagierzahlen brachen um ein Viertel ein. Damals lag die gesamte Fahrzeugflotte wegen eines Risses an einem Radsatz eines Triebzugs mit Neigetechnik vorsichtshalber still.

Neigetechnik ist ziemlich teuer

Trotzdem galt die Neigetechnik bis vor Kurzem im Regionalverkehr als Auslaufmodell, sagt Lukas Iffländer von Pro Bahn. Der Hauptgrund war der Preis, denn nur ein einziges Verkehrsunternehmen hat Neigetechnik im Angebot, die Deutsche Bahn. "Die hält deshalb bei Ausschreibungen gern beide Hände auf, wenn es um Neigetechnik geht", sagt Iffländer. Der Freistaat bezahle pro Zugkilometer im Vergleich zu konventionellem Verkehr den eineinhalbfachen oder sogar doppelten Preis.

Baden-Württemberg ist schon ausgestiegen

Baden-Württemberg ist deswegen schon aus der Neigetechnik ausgestiegen. Bayern aber bleibt jetzt dabei und will auch nach dem Auslaufen der jetzigen Verträge 2030 wieder Neigetechnik-Verkehre bestellen. Das hat die Staatsregierung im Dezember beschlossen, und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) bekräftigte es vor wenigen Tagen bei einem Besuch in der Neigetechnikwerkstatt der Deutschen Bahn in Hof: "Bayern ist ein Flächenland, und wir wollen, dass auch der ländliche Raum an die Zentren angebunden ist. Darum haben wir uns zu diesem Schritt durchgerungen."

Bayern hat sich für die Technik entschieden

Auch nach dem Auslaufen der jetzigen Verkehrsverträge im Jahr 2030 wird der Freistaat wieder Neigetechnik-Verkehre bestellen. Eine sehr kluge Entscheidung, findet Lukas Iffländer von Pro Bahn. Denn die Neigetechnik sei nur scheinbar teuer. Die Alternative, um die jetzigen Fahrtzeiten zu halten, wäre eine Begradigung der Strecken – das würde ein Vielfaches kosten und wahrscheinlich Jahrzehnte dauern.

Zugverkehr in Bayern
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Der Zugverkehr mit Neigetechnik hat auch in Bayern noch Zukunft

Künftiger Antrieb mit Wasserstoff und Akkus

Bisher fahren die Neigetechnik-Triebwagen in Bayern mit Dieselmotoren. Das soll sich künftig ändern. Eine Elektrifizierung der Bahnstrecken ist das erklärte Ziel – aber weil völlig unklar ist, wann diese umgesetzt wird, braucht es eine Zwischenlösung. Der Freistaat will von der Zugindustrie jetzt eine eierlegende Wollmilchsau, einen "Superzug", wie es Minister Bernreiter ausdrückt. Er soll zunächst mit Wasserstoff fahren, der eine Brennstoffzelle speist. Die erzeugt Strom für einen elektrischen Antrieb. Auch Akku-Betrieb soll möglich sein. Damit schaffen Züge laut Pro Bahn inzwischen bis zu 80 Kilometer elektrische Fahrt ohne Oberleitung.

Mit Akku durch die Fränkische Schweiz

Sobald zumindest ein Teil der Strecken elektrifiziert sein wird, kann der Wasserstofftank auf diese Weise überflüssig werden. Zwischen Nürnberg und Oberfranken etwa liegt die Strecke durch die Fränkische Schweiz mit vielen Tunneln, dort ist der Bau von Oberleitungen besonders schwierig. Wenn der Rest der so genannten Franken-Sachsen-Magistrale elektrifiziert wäre, könnte dieses Wegstück dann mit Akkubetrieb überbrückt werden.

Werden die Züge rechtzeitig fertig?

Die Firma Alstom hat dem Freistaat versichert, sie könne solche Züge entwickeln. Das hält Lukas Iffländer von Pro Bahn für durchaus realistisch. Innerhalb von fünf Jahren könne das gelingen. Aber dann brauche es noch zwei Jahre Probebetrieb für die neue Technik: "Deswegen ist es eigentlich höchste Eisenbahn, dass der Auftrag auch rausgeht." Zumindest die Vorbereitungen für die Ausschreibung beginnen laut Verkehrsminister Bernreiter in diesem Frühjahr.

Vorbild für andere Bundesländer?

Wenn alles gut geht, könnte Bayern ein zweites Mal Vorreiter bei der Neigetechnik werden – wie schon bei ihrer Einführung 1992. Thüringen und Sachsen beobachten genau, was passiert, heißt es. Dann könnten schnelle und saubere Neigetechnikzüge künftig vielleicht noch auf weiteren Strecken fahren. In Frage kämen laut Pro Bahn etwa Würzburg-Erfurt, Nürnberg-Dresden oder München-Prag.

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