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Heidi Benneckenstein

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Aussteigerin über ihre Jugend unter Neo-Nazis

Heidi Benneckenstein wuchs in den 90er-Jahren im Münchner Umland auf. Erzogen wurde sie aber wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Erst mit 19 schafft sie den Ausstieg aus dem militanten rechten Milieu. Jetzt erzählt sie öffentlich darüber.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Heidi heißt eigentlich Heidrun. Sie ist heute 25 und dabei, vieles nachzuholen, denn sie ist unter Nazis groß geworden. Mitten in Bayern. Ihr Vater, ein Zollbeamter hat seine Töchter völkisch und "deutsch" erzogen. "Ich war ein typisch deutsches Mädchen", erzählt Heidi im BR-Gespräch, "sehr ruhig, eher brav, wie ein Mädchen sein soll." Ihr Vater habe den Holocaust geleugnet. Heidis Berichte geben tiefe Einblicke in die Struktur der Neo-Nazis. Schon mit 8 Jahren verbringt sie ihre Ferien in konspirativen Ferienlagern der "Heimattreuen Deutschen Jugend", eine Nachfolgeorganisation der 2009 verbotenen "Wiking-Jugend", die auf die Hitlerjugend zurückgeht.

Militante Erziehung

Die Erziehung in den Lagern beschreibt Heidi als militärisch und elitär: "Ins HDJ-Lager konnte nicht jeder gehen, der Lust hatte, sondern man musste jemanden kennen. Wenn man sich nicht benommen hat, wie es sich gehört, hat es Strafen gegeben." Heidi will gefallen. Mit 15 Jahren wird sie radikaler und rebelliert offen auf Demos. "Ich habe bei der NPD das nette Mädchen gespielt um die Leute zu ködern", so die 25-Jährige heute. Heidi will noch intensiver in die rechte Szene einsteigen. 2006 nimmt sie Kontakt mit einer "Kameradschaft" in Erding auf. Hier lernt sie Felix kennen, der unter dem Pseudonym Flex bei Großveranstaltungen Musik macht. 

Verliebt als Rechtsradikale, ...

Durch ihre Mitgliedschaft in der "Heimattreuen Deutschen Jugend" hat Heidi völlig einseitiges politisches Wissen bekommen. Damit wurde sie interessant für rechte Organisationen. "Sie war hübsch und jung. So was braucht man in der Kameradschaftsszene“, erinnert sich Felix. Die beiden verlieben sich. Aber sie sind noch in der Szene. Erst als Felix bei einem internen Machtgerangel unter Neonazis verletzt wird, reift bei beiden der Entschluss auszusteigen. Für Heidi gibt es jetzt keine Kompromisse mehr. Mit der Hochzeit bricht sie den Kontakt zu ihrer Familie völlig ab. 

... verheiratet als Aussteiger

„Die Zeit nach dem Ausstieg hat uns zusammengeschweißt“, sagt Heidi. Der Preis des Ausstiegs: Seither müssen die beiden verdeckt leben. Oft sind sie unterwegs und erzählen an Schulen oder Unis von den Strukturen der rechten Szene und der Ideologie, die sie beide einmal begeistert hat. „Was wir dagegen tun können, ist über die Erfahrungen zu sprechen", meint Heidi. "Ich mach das, weil ich mich dann besser fühle." Vor fünf Monaten ist Heidi Mutter geworden. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben mit dem sie einen Schlussstrich unter ihre eigene Kindheit setzen will. Anfangs habe es Anfeindungen vonseiten der rechten Szene gegeben, inzwischen ignoriere man sie aber. Eine Rache an ihrem Vater soll das Buch nicht sein, sagt Heidi: "Rache würde bedeuten, dass ich von ihm eine Reaktion erhoffe, aber ich wünsche mir keine Reaktion von ihm. Es soll keine Berührungspunkte mehr geben."

Heidi Benneckensteins Buch "Ein deutsches Mädchen" ist im Klett Verlag erschienen und kostet ca. 16,95 Euro.