Bayern hat ein neues Klimaschutzgesetz. Mit den Stimmen der Abgeordneten von CSU und Freien Wählern passierte das Gesetz den Landtag und kann nun in Kraft treten. Das Gesetz war bis zuletzt heftig umstritten – davon zeugten auch zahlreiche Änderungsanträge aus der Opposition, die allesamt von schwarz-orange abgelehnt wurden.
Bayern klimaneutral bis 2040
Vor der Schlussabstimmung wirbt Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) noch einmal für das neue Klimaschutzgesetz. Der Freistaat werde "seiner Aufgabe gerecht", Bayern gehe den Klimaschutz "kraftvoll" an. Der Anspruch Bayerns sei, schneller als der Bund oder die Europäische Union "klimaneutral" zu werden. Bayern hat sich dafür das Jahr 2040 als Ziel gesetzt, der Bund 2045, EU-weit strebt man dafür das Jahr 2050 an.
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Glauber: Zwei neue Windparks in Planung
Erreichen wolle man das Ziel mit Hilfe von rund 150 Maßnahmen, führt der Umweltminister aus. Bayern sei schon jetzt die Nummer eins bei der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien und wolle das auch bleiben. Den Freistaat nennt er "führend bei Photovoltaik und Geothermie", bei der Windkraft werde man nachlegen. Stand jetzt seien 100 neue Anlagen in Planung.
Glauber verweist dabei auf eine Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder nach der heutigen Kabinettssitzung: Danach sollen im Freistaat zwei neue Windparks entstehen. Konkret: 15 Windkraftanlagen im Frankenwald und 25 Anlagen bei Wacker im Chemiedreieck im Südosten Bayerns. "Die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen werden den Erneuerbare-Energien-Ausbau in Bayern voranbringen, in einem Maß, wie kein anderes Bundesland", lobt der Umweltminister.
Grüne: Söders "Tatort Klimaschutz"
Für Martin Stümpfig, Sprecher für Energiepolitik der Landtagsgrünen, ist das neue Gesetz nur äußerlich "Hui" - den Inhalt bezeichnet er als "Pfui". Am "Tatort Klimaschutz" habe der "Versprechen-Brecher Söder mal wieder zugeschlagen". Das ambitionierte Ziel bereits 2040 klimaneutral zu sein, hält er mit dem Gesetz für nicht erreichbar, zu "unverbindlich" seien die Maßnahmen, im künftigen Haushalt werde beispielsweise der Ausbau der Geothermie finanziell nicht abgebildet. Und im Bauministerium seien in den vergangenen Jahren "mehr Minister ausgetauscht, als Photovoltaikanlagen auf die Dächer geschraubt" worden, sagt der Grünen-Politiker.
Die Grünen fordern unter anderem einen Stopp des Straßenneubaus, hundert Prozent Bio in der Landwirtschaft und eine Reduzierung der Tierhaltung um zwanzig Prozent. Außerdem müssten Kommunen unterstützt, Hitzeaktionspläne und ein Sturzfluten-Management umgesetzt werden.
Laut FDP regiert das "Prinzip Hoffnung"
Ein konkreter "Fahrplan" fehlt auch der Landtags FDP. Christoph Skutella spricht vom "Prinzip Hoffnung" und stellt in Frage, dass Bayern beispielsweise bei der energetischen Gebäudesanierung und im Verkehrssektor in den nächsten 18 Jahren große Fortschritte machen kann.
Kritisch sieht er den bayerischen Sonderweg schon fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der EU klimaneutral sein zu wollen - vor allem mit Blick auf die Wirtschaft. "Wie sollen bayerische Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen, sich denn verhalten?" fragt er, um sich gleich selbst zu antworten: "Rein rechtlich gesehen müssen sie erst 2050 klimaneutral sein."
SPD: Mit "Zauberei" zum Klimaziel
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn spricht von einer "Chimäre", die Staatsregierung setze auf "Voodoo" und "Zauberei", um das ehrgeizige bayerische Klimaziel zu erreichen. In Wahrheit seien CSU und Freie Wähler eine "Klima-Bummel-Koalition". Wie Grüne und FDP geht auch von Brunn davon aus, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, obwohl Handeln dringend nötig sei: In den vergangenen vier Jahren seien in Deutschland 80 Milliarden Euro Schaden infolge von Naturkatastrophen entstanden, rechnet der Fraktionschef vor.
Die Forderung seiner Fraktion: Die Windkraftregel 10H müsse sofort aufgehoben, die Geothermie ausgebaut und Solarpflicht auf Dächern eingeführt werden. Und: Klimaschutz dürfe nicht auf Kosten der finanzschwachen Menschen in Bayern gehen.
Regierungsfraktionen: "Wollen die Menschen mitnehmen"
Benno Zierer von den Freien Wählern warnt die Oppositionsfraktionen davor "mit ihren überzogenen Forderungen" die Leute zu "verprellen". Den Grünen wirft er vor, die Bevölkerung mit ihrer Polemik "in die Hände von Rechtsradikalen" zu treiben. Freie Wähler und CSU würden versuchen die Bevölkerung mitzunehmen.
Ähnlich argumentiert der CSU-Umweltpolitiker Eric Beißwenger: Das Gesetz sei "konstruktiv, wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig", zudem würden die einzelnen Maßnahmen laufend auf ihre Wirksamkeit hin überprüft: Das Gesetz sei "dynamisch". Und: Bayern lasse sich den Klimaschutz mit insgesamt 22 Milliarden Euro bis 2040 auch einiges kosten, so Beißwenger.
AfD lehnt bayerisches Klimaziel und Klimaschutz generell ab
"Ihr Klimaschutzgesetz ist unnötig wie ein Kropf", das ist die zusammenfassende Kritik von Ingo Hahn (AfD). Er sorgt sich um "die Bürger, die das bezahlen müssen". Hahn zufolge ist der Klimaschutz derzeit nicht finanzierbar: "Wir haben andere Probleme", so Hahn mit Blick auf die Energiekrise. Und an die CSU gerichtet: "Dass sie einige unrühmliche Vorschläge vom grünen Lager kopiert haben, steht ihnen nicht gut zu Gesicht. Mit der schwarzen Null hat das nichts zu tun", so Hahn.
Klimaforscher: Vorgesehene Milliarde reicht nicht
Harald Kunstmann, Klimaforscher an der Universität Augsburg, hält das Klimaschutzgesetz für einen wichtigen Schritt. Allerdings sagte Kunstmann im Interview mit BR24, werde die dafür veranschlagte Milliarde pro Jahr nicht reichen. Laut Kunstmann muss man bedenken, dass beispielsweise der für den Klimaschutz nötige Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs deutlich mehr Geld erfordern wird.
Auch sei das Gesetz keine Garantie, dass dieses ehrgeizige Ziel auch tatsächlich erreicht werde. Die von der Staatsregierung geplanten Maßnahmen nannte Kunstmann einen "Instrumentenkasten", der im Laufe der Jahre sicher erweitert werden müsse. Ein Problem sieht er darin, dass Klimaschutz für die Kommunen eine freiwillige Leistung sei und sie dafür bei der Staatsregierung Mittel beantragen müssten. Dem Augsburger Klimaschützer zufolge fehlt in vielen Kommunen aber das Personal für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.

Klimaforscher Prof. Harald Kunstmann
Kritik auch vom Bund Naturschutz
Die Kluft zwischen Wort und Tat sei in Bayern nirgendwo so groß wie beim Klimaschutz, sagte Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutzes Bayern. Auf der einen Seite nenne die Staatsregierung ambitionierte Jahreszahlen, auf der anderen Seite würden weiterhin Flächen versiegelt, Straßen neu gebaut und die Bahn nicht ausreichend elektrifiziert. Die Neufassung des Gesetzes enthalte keine Verpflichtungen und sei keine Antwort auf die Klimakrise. Die Verbesserungen seien minimal. Mergner äußerte in dem Zusammenhang Verständnis für die Aktionen der „Letzten Generation“. Laut Mergner sind die Aktivisten verzweifelt, dass die Politik nicht entschiedener handelt.
Bundesverfassungsgerichtsurteil machte neues Gesetz nötig
Vor etwa eineinhalb Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz des Bundes als in Teilen verfassungswidrig eingestuft. Daraufhin kündigte auch Bayern an, das eigene, bayerische Klima-Gesetz zu überarbeiten. Das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ein Jahr alt.
Der Entwurf für das neue Gesetz lag seit Monaten vor und sorgte auch innerhalb der Koalition für Unstimmigkeiten. Zuletzt hatten auch Experten das Gesetz bei einer Anhörung im Landtag als unzureichend und ambitionslos kritisiert.
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