Mohammad Bakri kommt aus Syrien und arbeitet im Straubinger Klinikum
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Mohammad Bakri (r.) kommt aus Syrien und arbeitet im Straubinger Klinikum - Sprachbarrieren versucht er zu meistern

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Ausländische Pflegekräfte: "Dialekt ist ein Schock für sie"

Die Mehrheit der Pflegekräfte an bayerischen Krankenhäusern kommt aus dem Ausland. Wenn Patienten Dialekt sprechen, dann stehen diese Mitarbeiter vor einer Sprachbarriere. Am Klinikum Straubing gibt es deshalb Bairisch-Kurse für die Belegschaft.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Der 27-jährige Mohammad Bakri ist im Straubinger Klinikum auf Visite – sein Patient grüßt ihn auf Bairisch. Mohammad erwidert "Griaß eana". Der Krankenpflegeschüler, der aus Syrien stammt, versteht und spricht mittlerweile selbst Mundart. Doch das hat gedauert.

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Syrischer Krankenpfleger: "Dialekt gehört zur Integration"

Bakri erzählt von seinen Anfängen in Niederbayern, von Patienten, die Worte verwendeten wie "Boisda" (Polster, Kissen) oder "Soggn" (Socken). "Oder einschmieren statt Eincremen. Das habe ich anfangs auch nicht verstanden – aber jetzt schon." Bakri war von Anfang an wichtig, sich zu integrieren. Für ihn gehört zur Integration, die Gesellschaft in seiner zweiten Heimat zu respektieren – und somit auch ihren bairischen Dialekt.

Die Hälfte der Pflegekräfte kommt aus dem Ausland

Mohammad Bakri ist einer von vielen Pflegekräften mit Migrationshintergrund am Straubinger Klinikum: Mehr als 50 Prozent des Pflegepersonals kommt aus dem Ausland, wie es heißt – und es werden mehr.

Die Integrationsbeauftrage des Klinikums, Milka Hauslbauer, sagt, dass die ausländischen Pflegekräfte meist mit dem Sprachlevel B1 oder B2 in Deutschland ankommen. Doch im niederbayerischen Straubing wird im Alltag und auch auf den Stationen meist Bairisch gesprochen:

"Das ist wirklich ein Schock für sie. Sind total entsetzt, verzweifelt, brauchen monatelang, bis sie verstehen und mitkriegen, welche Buchstaben nicht ausgesprochen werden in Straubing. Auffe, obe, umme, zure, Zinken, Bleschl, Haxn: Das ist für sie eine neue Sprache – das müssen sie neben Deutsch lernen." Milka Hauslbauer, Integrationsbeauftragte Klinik Straubing

Patienten müssen sich verstanden fühlen

Dialekt ist aber besonders älteren Patienten in ländlichen Regionen wichtig – wie Alfons Aigner aus Geiselhöring, für den die Mundart persönlicher und nahbarer ist. Für Verena Sturm, 27-jährige HNO-Assistenzärztin am Klinikum Straubing, ist der Dialekt als gebürtige Straubingerin kein Problem – sie findet ihn in der Klinik sogar sinnvoll: "Weil die Patienten aus der Region kommen – sie fühlen sich geborgener, sicherer und sagen dann auch: Mei schee, eine Hiesige." Sturm betont aber auch: Egal in welcher Sprache im Gesundheitswesen gesprochen wird, ob mit oder ohne Dialekt: Das Wichtigste sei, dass sich die Patienten verstanden und aufgeklärt fühlen.

Dialekt kann hilfreich sein

Das sieht auch der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Gerald Quitterer, so: "In der Arzt-Patientenbeziehung ist es besonders wichtig, dass sich beide Seiten sprachlich verstehen. Die Ärztin oder der Arzt muss zum Beispiel die Beschreibung der Krankheitssymptome eines Patienten verstehen und im Rahmen der Anamnese einordnen können. Für die Patientin beziehungsweise den Patienten ist es wiederum wichtig, die Erklärungen des Arztes zu verstehen, um die Therapieempfehlungen auch umsetzen zu können. Wenn das gegenseitige Verstehen sichergestellt ist, können sich Arzt und Patient auch im Dialekt unterhalten, das kann manchmal sogar hilfreich sein."

Bairisch-Kurs für ausländische Pflegekräfte

In Straubing hat das Integrationsteam um Jugoslawin Milka Hauslbauer deswegen im Dezember vergangenen Jahres einen Bairisch-Kurs für ausländische Pflegekräfte organisiert: Es wurden Unterschiede zwischen Bairisch und Hochdeutsch aufgezeigt. Ziel war es, die Angst vorm Bairischen zu verlieren. "Ich hatte das Gefühl, dass sie verstanden haben: Es ist nicht so schlimm, es wird mit der Zeit", so Hauslbauer.

Mohammad Bakri, der seit 2015 in Bayern lebt, hat Bairisch gelernt und will anderen Mut machen. Er sagt, Dialekt im Gesundheitswesen zu sprechen, sei professionell, um sich verständigen zu können. "Das ist meine Arbeit: Der Umgang mit den Leuten, damit ich ihnen helfen kann."

Klinik-Beschäftigte erleben Rassismus

Doch oft ist nicht der Dialekt das Problem in Kliniken, sondern der Akzent: Sowohl Milka Hauslbauer als auch Mohammad Bakri haben Rassismus erfahren, Patienten wollten sich nicht von ihnen behandeln lassen: "Wenn es passiert, tut es weh, man trägt es mit sich rum, wird vorsichtiger", so Hauslbauer. Für Bakri steht fest: Würde er öfter solche Vorfälle erleben, "würde ich mir was anderes suchen."

Zuwanderer sichern Gesundheitssystem

Doch gerade die ausländischen Pflegekräfte sichern das Bestehen von Kliniken wie in Straubing. Bereits jetzt ist etwa jeder sechste Erwerbstätige in den Gesundheits- und Pflegeberufen im Ausland geboren, mehr als ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, wie es vom Sachverständigenrat für Integration und Migration heißt. Tendenz deutlich steigend. Ohne ausländische Pflegekräfte würde es nicht mehr gehen, sagt Milka Hauslbauer: "Ohne sie müssten wir zumachen."

Jetzt müssen sich beide Seiten besonders in ländlichen Regionen aufeinander einlassen und anpassen, meint die Integrationsbeauftragte: Ausländische Pflegekräfte lernen Bairisch zu verstehen, deutsche beziehungsweise bayerische Patienten und Kollegen sollten Rücksicht nehmen.

Dass das klappen kann, beweisen Mohammad Bakri und sein Patient: "Er ist immer nett, hat immer ein Lächeln auf den Lippen", sagt Johann Schwarzbauer über seinen Pfleger Bakri. Schwarzbauer fügt hinzu: Kommunikation, das gelinge für ihn als Patient nicht nur über die Sprache, sondern vor allem auch über Mimik und Gestik. Und Bakri meint: "Wir versteh ma uns guad, mia zwei."

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Gesundheitsministerium erwartet mehr ausländische Pflegekräfte

In Bayern sind rund 70.000 ausländische Pflegekräfte tätig. Im Vergleich mit dem Jahr 2013 haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt, teilte das bayerische Gesundheitsministerium (StMGP) dem BR auf Anfrage mit. "Aufgrund der verstärkten Anwerbebemühungen der Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung für ausländische Fachkräfte und der zu erwartenden Reformen im Aufenthaltsrecht ist perspektivisch eine weitere Steigerung zu erwarten", so das Ministerium weiter.

Zahlen zu den in Bayern im Gesundheitswesen arbeitenden Ärztinnen und Ärzten mit Migrationshintergrund liegen dem StMGP nicht vor.

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