"Es wird zu viel Zeit verplempert!", beklagt Klemens Damm. Ehrenamtlich betreut er Geflüchtete in Mellrichstadt im Landkreis Rhön-Grabfeld. Viele von ihnen warten schon seit Monaten darauf, endlich einen Deutschkurs machen zu können. Doch es gibt zu wenige Kurse - und das nicht nur im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dies bestätigt auch der Bayerische Flüchtlingsrat. Durch mangelnde Deutschkenntnisse werde bei vielen Betroffenen eine Integration ausgebremst, so Klemens Damm.
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Ohne Deutsch kaum Aussicht auf einen Ausbildungsplatz
Roshna Aziz und ihr Mann Pshtiwan Ali sind ein kurdisches Ehepaar und stammen aus dem Irak. Seit einem Jahr und vier Monaten sind sie nun in Deutschland. Für einen Deutschkurs stehen sie auf der Warteliste der Volkshochschule Rhön und Grabfeld. "Ohne Deutsch ist für uns die Situation sehr schwierig", sagt Roshna Aziz auf Kurdisch. In ihrer Heimat arbeitete sie als Bankkauffrau. In Deutschland möchte sie eine Ausbildung machen. Doch dazu benötigt sie entsprechende Deutschkenntnisse. Auch ihr Mann spricht kaum Deutsch und würde gerne eine Ausbildung zum Koch machen.
Monatelanges Warten auf einen Kurs
Renate Knaut ist die pädagogische Leiterin der Volkshochschule Rhön und Grabfeld. Sie würde am liebsten mehr Deutschkurse anbieten - doch ihr fehlt es an Lehrkräften. Derzeit besuchen an der VHS Rhön und Grabfeld mit ihren beiden Hauptstandorten Bad Königshofen und Mellrichstadt rund 180 Geflüchtete verschiedene Deutschkurse. Aber mindestens genauso viele stünden noch auf der Warteliste - und das oft seit Monaten, so Renate Knaut.
Lehrkräftemangel auch durch fehlende BAMF-Zulassung
Ihrer Ansicht nach wird dieser Lehrkräftemangel auch durch die Zulassungsvoraussetzung verusacht, die umgangssprachlich als "BAMF-Zertifikat" bezeichnet wird. Auch Klemens Damm teilt diese Ansicht. Bei dem BAMF-Zertifikat handelt es sich um eine Zulassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). "Die BAMF-Zertifizierung ist auf jeden Fall sinnvoll, aber es gibt auch Lehrkräfte, die geeignet sind, Deutsch zu unterrichten, und diese Zulassung nicht haben", so Knaut gegenüber BR24.
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Zulassung für Lehrkräfte mit Aufwand verbunden
Eine dieser Lehrkräfte ist Karmen Wille. Sie ist seit 2014 in der Flüchtlingshilfe Mellrichstadt tätig. Seitdem gibt sie auch Deutschkurse. Dank ihrer Erfahrungen sieht sie sich "deutlich in der Lage", Geflüchteten Deutschkurse zu geben – auch ohne eine BAMF-Zulassung: "Das BAMF-Zertifikat mache ich nicht, das kostet mich zu viel Zeit. Ich bin ehrenamtlich zu sehr eingespannt. Und muss in Deutschland alles zertifiziert sein?"
BAMF setzt auf gute Qualifikation der Lehrkräfte
Benjamin Beckmann, Leiter des Bereichs Integrationskurse am BAMF, teilt BR24 mit: Es sei wichtig, dass die Lehrkräfte eine entsprechend gute Qualifikation haben. Denn die Integrationskurs-Teilnehmenden sollen in etwa neun Monaten das Sprachniveau B1 erreichen. Zum Vergleich: Das entspreche ungefähr dem Niveau nach sechs Jahren Englisch am Gymnasium, so Benjamin Beckmann.
Ausnahmen für bestimmte Lehrkräfte möglich
Wie das BAMF mitteilte, besuchten vor zwei Jahren in Bayern über 17.000 Geflüchtete Integrationskurse. Im vergangenen Jahr waren es rund 50.000. Der Anstieg ist vor allem auf den Ukrainekrieg zurückzuführen: Denn etwa 130.000 Kriegsflüchtlinge kamen letztes Jahr nach Bayern.
Das BAMF hat auf die Situation reagiert und für einige Lehrkräfte ohne BAMF-Zulassung den Einstieg erleichtert. "So können zum Beispiel Studierende kurz vor ihrem Master in Deutsch als Fremdsprache oder Zweitsprache schon jetzt mit dem Unterrichten starten", sagt Benjamin Beckmann. Außerdem dürfen Lehrkräfte von allgemeinbildenden Schulen, die ein anderes Fach unterrichtet haben als Deutsch, aber entsprechende Erfahrung mitbringen, auch sofort im Integrationskurs beginnen.
Ehrenamtliche Lernbegleitung als Alternative
Auch die Volkshochschule Rhön und Grabfeld habe auf den Mangel reagiert, so deren pädagogische Leiterin Renate Knaut. Die VHS bietet beispielsweise ehrenamtliche Lernbegleitung an. Außerdem gibt sie Deutschkurse, die nicht vom BAMF finanziert werden. Die Lehrkräfte bezahlt die VHS über Spendengelder. Doch Knat schätzt: Der Mangel an Lehrkräften werde wohl in der nächsten Zeit eher zunehmen.
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