Hunderte Mitarbeiter, einer der größten Stromgeneratoren der Welt, Energie für mehr als drei Millionen Haushalte im Jahr – wie wird eine solche Anlage heruntergefahren? BR24 hat einen letzten Einblick in die Steuerzentrale des Kernkraftwerks Isar 2 erhalten.
Am Ende ist es ein kleiner roter Knopf, der den Atomausstieg in Bayern und Deutschland besiegelt. Es wird der Schlusspunkt nach einem stundenlangen Prozedere sein.
Schon in den Mittagsstunden am Samstag, 15. April, werden erste Anlagenteile außer Betrieb genommen. So zum Beispiel der Zwischenüberhitzer – ohne ihn verschlechtert sich der Wirkungsgrad der Anlage. Die Reaktorleistung bleibt zwar konstant, es wird aber bereits ab diesem Zeitpunkt weniger Leistung in das Stromnetz eingespeist.

BR-Reporterin Sarah Beham
Immer weniger Leistung
Diese Leistung wird in den Abendstunden immer weiter reduziert. Dafür werden Ventile, die den Dampf auf die Turbine zur Stromerzeugung leiten, immer weiter gedrosselt. Parallel dazu wird auch die Leistung im Reaktor abgesenkt. Das geschieht über sogenannte Steuerstäbe, die immer weiter in den Reaktorkern eingefahren werden. Diese Steuerstäbe reduzieren dort den Neutronenfluss und senken dadurch die Reaktorleistung ab – um rund zehn Megawatt pro Minute.
Rund eine Stunde vor Mitternacht wird die Leistung durch den Reaktorfahrer weiter abgesenkt, bis die sogenannte Turbinenschnellabschaltung ausgelöst wird. Das bedeutet, dass die Ventile, die den Frischdampf auf die Turbine lassen, komplett geschlossen werden. Der Stromgenerator wird parallel vom Netz getrennt. Mit diesem Schritt ist die Stromerzeugung durch das Kernkraftwerk Isar 2 und generell durch die Kernkraft in Bayern für immer beendet. Die Netztrennung muss zwingend vor Mitternacht erfolgen, so sieht es auch das Atomgesetz vor.

AKW Isar 2
Der Druck auf den roten Knopf
Nur wenige Minuten nach der Netztrennung folgt der entscheidende Knopfdruck. Der Knopf ist gut unter einer Klappe gesichert, sodass er nicht aus Versehen gedrückt werden kann. "ReSA" steht über dieser Abdeckung – "Reaktorschnellabschaltung". Am Abend des 15. April 2023 wird dieser Knopf ein letztes Mal gedrückt. Er bewirkt, dass alle Steuerstäbe aus ihrer Halterung ausgeklinkt werden. Sie fallen damit komplett in die Brennelemente ein. Der Reaktor gilt damit als abgeschaltet und in der Fachsprache als "unterkritisch". Das Ende des Atomzeitalters in Bayern und Deutschland wird damit besiegelt sein.
Nach der Reaktorabschaltung wird der nach wie vor sehr heiße Reaktorkreislauf weiter abgekühlt. Am Morgen des 16. April wird deswegen noch immer eine – wenn auch kleinere – Wolke aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks aufsteigen. Erst im Laufe des Tages wird sie langsam verschwinden.
Nach der Abschaltung gehen die Arbeiten weiter
Mehrere Wochen später wird dann der Reaktordruckbehälter – die Kammer, in der die Brennelemente fest verbaut sind – geöffnet. Die 193 Brennelemente werden anschließend in ein Lagerbecken umgesetzt. Dort bleiben sie für die nächsten vier bis fünf Jahre. Erst dann ist ihre Nachzerfallsleistung voraussichtlich so gering, dass sie in sogenannte Castor-Behälter umgelagert und in ein Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll gebracht werden können. Dort bleiben sie dann, wohl für viele Jahrzehnte. Denn die Suche nach einem Endlager dauert weiter an.
Im Video: So geht es mit Isar 2 weiter - alle Infos bei BR24live

Kernkraftwerk Isar 2

AKW Isar 2
Im Video: Abschaltung von AKW Isar 2

Am Samstag werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet - darunter auch Isar 2.
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